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JOSà GARCÃA Foto: Kinowelt Die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne wurden im Jahre 1999 schlagartig bekannt, als sie beim Filmfestival Cannes mit ihrem Film âRosettaâ die Goldene Palme gewannen. âRosettaâ erzählte von einem jungen, am Rande der Gesellschaft lebenden Mädchen, das die Dardennes-Brüder mit einer mobilen Handkamera ganz nahe filmten. Die dokumentarisch anmutende Kameraführung erzeugte eine im Spielfilm seltene Authentizität. In ihrem nächsten Film â"Der Sohn" wirkte zwar die Geschichte weitaus konstruierter, aber ihre Stilmittel bleiben dieselben: Sie verwendeten eine zittrige Handkamera, keine Requisiten sowie keinen Soundtrack. Diese förmlich springende Kamera, die manchmal klaustrophobisch wirkenden Bildausschnitte sowie jegliches Verzichten auf Filmmusik â die einzige Musik, die im ganzen Film zu hören ist, kommt aus dem Autoradio â haben Jean-Pierre und Luc Dardenne auch in ihrem aktuellen, ebenfalls in Cannes mit der Goldenen Palme 2005 ausgezeichneten Film "Das Kind" beibehalten. Obwohl â"Das Kind" eine konventionellere Erzählstruktur als ihre früheren Filme besitzt, sind sich die Regisseure in einem wesentlichen Punkt treu geblieben: Sie erzählen von sozialen AuÃenseitern. Die 18-jährige Sonia (Déborah Francois) hat gerade im Krankenhaus ihr Kind Jimmy zur Welt gebracht. In ihre eigene Wohnung kann sie nicht, weil ihr Freund Bruno (Jérémie Renier), etwa 20 Jahre alt, sie untervermietet hat. Also macht sich Sonia auf die Suche nach dem mutmaÃlichen Vater ihres Kindes, den sie in seinem âVersteckâ an einer AusfahrtstraÃe findet. Obwohl Bruno bereit ist, die Vaterschaft offiziell anzuerkennen, zeigt er für den kleinen Jimmy von Anfang an wenig Interesse. Lieber wendet er sich den kleinen Gaunereien, die er zusammen mit einigen Halbwüchsigen durchzieht. Denn der Tagedieb Bruno ist ein kleiner Gauner, der es unter seinem Niveau hält, irgendeiner Arbeit nachzugehen. Geld beschafft er sich dann illegal, wenn er gerade welches braucht. So kommt er fast beiläufig, aus einer Laune heraus, auf die waghalsige Idee, das Baby an eine angebliche Adoptionsfirma zu verkaufen. Erst als Sonia zusammenbricht und in ein Krankenhaus eingeliefert wird, versucht Bruno das Geschäft rückgängig zu machen, um Sonias Liebe wieder zu gewinnen. Das Ungeheuerliche an âLâenfantâ besteht darin, dass der Film Brunos Perspektive annimmt, der dadurch nicht als schlechter, sondern lediglich als gedankenloser Mensch gezeichnet wird. Die Regisseure bleiben mit ihrer bewegten Kamera und den sehr eng begrenzten Bildausschnitten immer sehr nahe an Bruno. Der Zuschauer begleitet den jungen Mann zu seiner Mutter durch die ärmliche Industriestadt, zu den Drahtziehern der âAdoptionsgeschäfteâ, zum Diebeszug, um sich Geld zu beschaffen. Den Dardennes-Brüdern gelingt dieser Balanceakt: Die Perspektive des jungen Mannes einzunehmen, und trotzdem eine gewisse Distanz, eine Art Teilnahmslosigkeit zu wahren, die wiederum freilich nicht in Gleichgültigkeit abdriftet. Dadurch, dass sie in âLâenfantâ von der Läuterung Brunos erzählen, gewinnt der Film eine humanistische Tiefe, wie sie im heutigen Kino selten geworden ist. Dabei rutscht âLâenfantâ eben nicht ins Sentimentale ab, nicht zuletzt auch dank des Verzichts auf Musik, wird die musikalische Untermalung im Kino doch eingesetzt, um die Dramatisierung zu verstärken. Jean-Pierre und Luc Dardenne benötigen keine Verstärkung, um ihr Sozialdrama auf der Leinwand auszubreiten. Die authentisch wirkenden Bilder sprechen für sich. Dass sie in keinem Moment etwa Landschaftsbilder oder gröÃeren Ausschnitte (Totalen) zeigen, verstärkt den Eindruck einer allgemein gültigen Geschichte, die sich überall abspielen kann. |
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