THE PROMISE - DIE ERINNERUNG BLEIBT | The Promise
Filmische Qualität:   
Regie: Terry George
Darsteller: Oscar Isaac, Christian Bale, Charlotte Le Bon, Daniel Giménez Cacho, Shohreh Aghda Shloo, Angela Sarafyan, Marwan Kenzari, Tom Hollander
Land, Jahr: USA 2017
Laufzeit: 133 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G, X
im Kino: 8/2017
Auf DVD: 12/2017


José García
Foto: Capelight

Dem Völkermord an den Armeniern durch die jungtürkische Regierung im Jahre 1915, einer der größten Christenverfolgungen des 20. Jahrhunderts, widmete sich der armenisch-kanadische Regisseur Atom Egoyan im Jahre 2002 in seinem Spielfilm "Ararat". Egoyan berichtete vom Genozid als "Film im Film" auf zwei verschiedenen Zeitebenen: In der Gegenwart dreht ein von Charles Aznavour dargestellter Regisseur einen Spielfilm über den Völkermord, der auf den Erinnerungen von Clarence Usshers Augenzeugenbericht "Ein amerikanischer Arzt in der Türkei" basiert. Außerdem spielt für Egoyans "Ararat" Franz Werfels Roman "Die vierzig Tage des Musa Dagh" eine herausragende Rolle. Auf den "Mosesberg" zogen sich im Sommer 1915 tausende armenische Bauern zurück, die 53 Tage lang von türkischen Soldaten belagert wurden. Am 12. September 1915 konnten französische Kriegsschiffe 4 048 Armenier, darunter 3 004 Frauen, an Bord nehmen.

Der erbitterte Widerstand der mit ein paar Jagdgewehren und Sattelpistolen bewaffneten Bauern gegen die türkische Artillerie ist ebenfalls zu sehen im nun im regulären Kinoprogramm anlaufenden Spielfilm "The Promise - Die Erinnerung bleibt" von Robin Swicord (Drehbuch), die für ihr Skript für "Der seltsame Fall des Benjamin Button" (2008) eine Nominierung für den Oscar erhielt, und Terry George (Regie), der als Drehbuchautor für "Im Namen des Vaters" und "Hotel Ruanda" jeweils oscarnominiert wurde. Swicord und George gehen jedoch einen anderen Weg als Atom Egoyan. Denn "The Promise - Die Erinnerung bleibt" erzählt linear auf einer einzigen Zeitebene. Regisseur Terry George nennt den Genozid an den Armeniern "eine der größten und am wenigsten bekannten Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Dieser Versuch, eine ganze Nation auszulöschen, ist aus beinahe allen Geschichtsbüchern verschwunden und zwar wegen kollektiver Leugnung ebenso wie aus politischer Berechnung. Es ist eine Geschichte, von der ich glaube, dass sie auf der großen Leinwand erzählt werden muss."

Die Drehbuchautorin und der Regisseur betten die "große" Geschichte in ein Liebesdrama ein, das am Vorabend des Ersten Weltkriegs 1914 in der Südtürkei seinen Lauf nimmt. Der junge Apotheker Michael Boghosian (Oscar Isaac) heiratet in seinem Heimatdorf Siroun die Dorfschönheit Maral (Angela Sarafyan), obwohl er sie offenkundig nicht liebt. Aber ihre Mitgift ermöglicht ihm, in Konstantinopel ein Medizinstudium zu beginnen. Denn Michael möchte endlich den Fortschritt der modernen Medizin in sein Dorf bringen. In Siroun leben türkische Muslime und armenische Christen seit Generationen in aller Selbstverständlichkeit zusammen. Konstantinopel zeigt sich als weltoffene Stadt. Michael frequentiert nicht nur den Hörsaal, sondern auch mit seinem türkischen Freund Emre (Marwen Kenzari) und dem amerikanischen Journalisten Chris Myers (Christian Bale) die Etablissements, die in einer kosmopolitischem Stadt "dolce vita" versprechen. Chris arbeitet nicht nur in der Region. Er ist in die Hauptstadt des Osmanischen Reiches vor allem wegen Ana (Charlotte Le Bon) gekommen, einer armenischen Künstlerin, mit der er seit gemeinsamen Tagen in Paris liiert ist. Nach dem Tod von Anas Vaters wurde die junge Frau von ihrem Onkel aufgenommen, um deren Kinder sie sich als Erzieherin kümmert.

Die armenische Abstammung von Michael und Ana stellt eine gemeinsame Basis dar, auf der das anfängliche Interesse füreinander zu einer großen Liebe wird. Ana muss sich zwischen Michael und Chris entscheiden. Die Dreiecksbeziehung wird allerdings bald von weltpolitischen Ereignissen in den Hintergrund gedrängt. Türkisch-nationalistische Parolen ("Die Armenier sind ein Geschwür in unserer Mitte") führen beim Ausbruch des Krieges zu ernsten Konsequenzen, zumal die Türken auf die Hilfe des Deutschen Reiches zählen können. Nun wird die Drohung "Ihr seid die ersten, wenn der Krieg ausbricht" wahrgemacht. Michael wird in ein Gefangenenlager im Taurusgebirge gebracht, wo er Zwangsarbeit leisten muss. Derweil versuchen Ana und Chris, die Emigration armenischer Kinder in sichere Nachbarländer einzufädeln. Die systematische Ermordung der Armenier beginnt.

Die Kamera von Javier Aguirresarrobe liefert eindringliche Bilder des Genozids: Aufgeknüpfte Armenier säumen die Wege, Menschen werden in Viehwaggons abtransportiert, was natürlich an den "Holocaust" erinnert. Dazu kommt die Zwangsarbeit in einer Art Konzentrationslager. Manchmal werden die Bilder kaum erträglich, so wenn Michael eine Gruppe gefangener Armenier aus einem Zug zu befreien versucht. Schade nur, dass die Dreiecksbeziehung, unter deren Prisma der Genozid beobachtet wird, allzu konventionell inszeniert wird. Obwohl die drei Hauptdarsteller ihre Rollen mit Leben füllen, wirkt die eigentlich dramatische Lage wegen der konstruierten Wendungen im Drehbuch seltsam blutleer. Allzu plakativ wirkt es beispielsweise, wenn Regisseur Terry George wenigstens in der Person eines Vizegouverneurs eine positive Figur unter den Türken einführt.

Dennoch: "The Promise" ist mit Ausnahme vom eingangs erwähnten Egoyan-Film die erste Großproduktion, die den Zuschauer über einen Völkermord aufklärt, der von der türkischen Regierung noch immer geleugnet wird. Wir erinnern uns: Als die Bundesregierung 2016 die Mitschuld des Deutschen Kaiserreichs an den Massakern einräumte und die ethnischen Säuberungen als Völkermord bezeichnete, kam es zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei.
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