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José GarcÃa Foto: Pandora ![]() Ãhnlich dem jungen Afrikaner in "Le Havre" kommt der syrische Flüchtling Khaled (Sherwan Haji) als blinder Passagier in Finnland an. Von seiner Familie hat nur die Schwester überlebt. Die beiden Geschwister haben sich jedoch während der Flucht aus den Augen verloren. In Helsinki versucht Khaled, seine Schwester ausfindig zu machen. Parallel zu Khaleds Handlungsstrang erzählt "Die andere Seite der Hoffnung" von Wikström (Sakari Kuosmanen), der als Handelsvertreter für Herrenhemden durch die Gegend fährt. Allerdings nicht mehr lange. Denn einer offenbar langjährigen Kundin (Kati Outinen) eröffnet er, den Beruf aufgeben zu wollen. Die Szene steht im Zeichen des inzwischen charakteristisch gewordenen Kaurismäki-Inszenierungs- und Dialogstils. Sie fragt ihn: "Möchten Sie einen Kaffee?" Schnitt. Ein Tisch, an dem die beiden sitzen. Auf dem Tisch stehen zwei Tassen sowie eine Flasche Hochprozentiges nebst zwei Gläsern. Wikström: "Ich ziehe nach Mexiko-City, werde Shakes trinken und Hula Hula tanzen. Ich brauche Action nach der ganzen Ruhe hier". Statt nach Mexiko zu ziehen, wird Wikström jedoch in Helsinki bleiben. Zwar verabschiedet er sich von seiner alkoholsüchtigen Frau ? wieder in für Kaurismäki typischer, lakonischer Manier, indem er ihr wortlos den Schlüssel und den Ehering abgibt. Dann aber gewinnt der ehemalige Handelsvertreter eine groÃe Summe beim Pokerspiel, mit der er ein am Rande der Pleite stehendes Restaurant übernimmt. Mit der alten Belegschaft und neuen Geschäftsideen will Wikström das Restaurant zu neuem Glanz führen. Und nun kreuzen sich die beiden Handlungsstränge: Khaleds Asylantrag ("Ich möchte Asyl beantragen" ? "Beantragen ist kein Problem. Sie sind nicht der erste") wurde abgelehnt. Nachdem er von Neonazis verprügelt wurde, nächtigt er einfach im Hinterhof des Restaurants, wo ihn Wikström trifft, und als Tellerwäscher und Putzhilfe einstellt. Alles könnte sich zum Guten wenden, zumal Khaled von einer heiÃen Spur zu seiner Schwester erfährt. Aber irgendwann einmal schlagen die Einwanderungsbehörden zu. Mit "Die andere Seite der Hoffnung" spricht Aki Kaurismäki wie schon in "Le Havre" ein ernstes Thema an. Dazu führt er aus: "Mit diesem Film möchte ich gern, soweit das möglich ist, die europäische Blickweise aufbrechen, in Flüchtlingen entweder ausschlieÃlich bedauernswerte Opfer oder nur anmaÃende Wirtschaftsimmigranten zu sehen, die in unsere Gesellschaften eindringen, bloà um uns die Jobs zu klauen, unsere Frauen, unsere Häuser und unsere Autos. Das sind Klischees und Vorurteile." Und er fasst zusammen: "Ein fast realistischer Film über gewisse menschliche Schicksale in der Welt, in der wir heute leben." Trotz der Einschätzung des Regisseurs ist "Die andere Seite der Hoffnung" alles andere als ein naturalistischer Film geworden. Dagegen spricht etwa der Einsatz von bestimmten Bildeinstellungen, die früheren Filmen des finnischen Meisterregisseurs entnommen zu sein scheinen: Wenn Khaled endlich seine Schwester Miriam (Niroz Haji) trifft, trinken sie an einem Tisch ein Glas Wein ? die Szene nimmt sich als ein genaues Abbild aus beispielsweise "Der Mann ohne Vergangenheit" (2002) oder "Lichter der Vorstadt" (2006) aus. Ãhnliches gilt für GroÃaufnahmen sowie insbesondere auch für die Lichtverhältnisse und vor allem für die Farben. Nachdem Aki Kaurismäki seine "proletarische Trilogie" ? "Schatten im Paradies" (1986), "Ariel" (1988) und "Das Mädchen aus der Streichholzfabrik" (1990) ? und auch noch "Tatjana" (1993) wegen der minimalistischen Ausstattung, aber insbesondere auch wegen der entsättigten Farben, die diesen Filmen eine fast schwarzweiÃe Anmutung verleihen, in einem regelrechten Neorealismus gedreht hatte, änderte sich in seiner zweiten Trilogie der optische Stil seiner Filme. Konnte er selbst "Wolken ziehen vorüber" (1996) noch als "Neorealismus in Farbe" bezeichnen, so sind die zwei anderen Filme aus der "Trilogie der Verlierer" ? "Der Mann ohne Vergangenheit" (2002) und vor allem "Lichter der Vorstadt" (2006) ? alles andere denn als naturalistische Filme zu bezeichnen. Die knallbunten Farben, aber auch die Lichtsetzung und die ganze Inszenierung erinnern den Zuschauer in jedem Moment daran, dass er eben einen Film sieht. Diese von einem gewissen Anachronismus in der Ausstattung unterstützte Künstlichkeit erscheint in "Die andere Seite der Hoffnung" noch gesteigert. Dass der finnische Regisseur dennoch den Zuschauer zum Nachdenken über die überaus ernste Frage der Flüchtlingskrise anzuregen vermag, ist indes der meisterhaften Regie Aki Kaurismäkis zu verdanken. |
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