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José GarcÃa Foto: Pandora ![]() Die Handlung von Kaurismäkis neuem Film mag in der gleichnamigen französischen Hafenstadt spielen. Der Meister des lakonisch-skurrilen Kinos behandelt jedoch eine allgemeingültige Story: âEigentlich könnte die Geschichte überall spielen, in jedem europäischen Landâ, so Kaurismäki selbst. Erneut stehen im Mittelpunkt seines Filmes Menschen am Rande der Gesellschaft: Die erste Einstellung von âLe Havreâ zeigt Schuhputzer in einer Bahnhofshalle. Der älteste von ihnen ist Marcel Marx (André Wilms), früher Autor und wohlbekannter Bohemien, wodurch Aki Kaurismäki auf André Wilmsâ Rolle in seinem ebenfalls in Frankreich stattfindenden Film âDas Leben der Bohèmeâ (1991) anspielt. Nachdem sich Marcel aus Paris nach Le Havre zurückzog, führt er in der Hafenstadt der Haute-Normandie ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben. Das Glück des kleinen Mannes kennt einen festen Bezugsrahmen: seine liebevoll verrichtete Arbeit, die Kneipe und sein genügsames Zuhause mit seiner fürsorglichen Frau Arletty (Kati Outinen) und seiner treuen Hündin Laika. Marcels gemächliches Leben gerät allerdings aus den Fugen, als Arletty schwer erkrankt und ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Bald darauf begegnet der Schuhputzer einem jungen afrikanischen Flüchtling: Idrissa (Blondin Miguel) ist die Flucht vor der Polizei gelungen, als der Container, in dem afrikanische Flüchtlinge nach Frankreich illegal eingereist sind, von Sicherheitskräften aufgebrochen wurde. Marcel versteckt den Jungen in seiner Wohnung. Mit der Unterstützung der Menschen aus seinem Viertel kümmert er sich allen Widrigkeiten â in der Person eines Denunzianten (Jean-Pierre Léaud) und des ermittelnden Kriminalkommissars Monet (Jean-Pierre Darroussin) â zum Trotz darum, die Familie des Jungen ausfindig zu machen und ihm eine Ãberfahrt nach London zu ermöglichen, wo Idrissas Mutter lebt. Die Wortkargheit der Figuren von âLe Havreâ lässt eher an Exil-Finnen denn an Franzosen denken, gehören doch die lakonischen Dialoge zu den Merkmalen mit hohem Wiedererkennungseffekt der Kaurismäki-Filme. Spätestens seit âWolken ziehen vorüberâ zeichnen sich die Filme des finnischen Regisseurs jedoch ebenfalls durch ein Produktionsdesign aus, das nicht anders denn als altmodisch bezeichnet werden kann: Das Auto von Kommissar Monet, die Kleidung oder die Hauseinrichtung, alles scheint aus den fünfziger oder sechziger Jahren zu stammen, während die Handlung offensichtlich in der Gegenwart angesiedelt ist. Die geradezu statischen Einstellungen des Kameramanns Timo Salminen, der seit jeher Kaurismäkis Filme fotografiert, die kräftigen Farben etwa der blauen Wände und der roten Tür in einer Wohnung sowie der Soundtrack, zu dem wie gewohnt Carlos Gardels Tangos gehören, unterstreichen die Geschlossenheit der Filmwelt Aki Kaurismäkis, ob diese nun in Finnland oder woanders angesiedelt ist. Finnland ist überall â wenigstens in den Filmen von Aki Kaurismäki. Die Technik-Verweigerung korrespondiert im Filmoeuvre des finnischen Regiemeisters indes mit dessen Interesse für die einfachen Menschen, für deren âkleinesâ Glück, zu dem in âLe Havreâ wieder einmal die Solidarität in hohem MaÃe beiträgt. âIn einfachen Gesten, kleinen Handreichungen, einer Blume oder einem Nachtlager erweist sich das brüderliche Verhalten. âLe Havreâ wird so zum schützenden Hafen für die Bedrängten und Ausgeschlossenen â und bewahrt für sie und uns den Glauben an einen glücklichen Ausgangâ, führt etwa dazu die âJury der evangelischen Filmarbeitâ bei der Wahl von âLe Havreâ zum Film des Monats aus. Selbstverständlich ist sich Aki Kaurismäki bewusst, dass âLe Havreâ kein realistischer Film über die Flüchtlingsproblematik ist. Der finnische Regisseur liefert vielmehr nicht nur etwa in den märchenhaften Farben ein Märchen, in dem das Gute obsiegt: âIch bevorzugte schon immer die Version des Märchens, in der Rotkäppchen den bösen Wolf frisstâ, erklärt Kaurismäki selbst dazu. Mit unendlicher Gütigkeit schaut der Regisseur auf seine Figuren, die sich durch alle Schwierigkeiten hindurch seinen Optimismus bewahren. Dank ihrer unbeirrten Zuversicht konnte die von Kati Outinen dargestellte, arbeitslos gewordene Kellnerin Ilona in âWolken ziehen vorüberâ der Spirale des sozialen Abstiegs entkommen. Die Solidarität einfacher Menschen lieà den von Markku Peltola verkörperten Namenlosen in âDer Mann ohne Vergangenheitâ seine Würde bewahren. Um seine und Idrissas Menschenwürde ringt der Schuhputzer in âLe Havreâ. Nichts schrill Kämpferisches zeichnet indes seine Haltung aus. Diese erinnert vielmehr an den verarmten AuÃenseiter mit dem Betragen eines Gentlemans, den Charlie Chaplins in seinem âTrampâ verewigte. |
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