MÜTTER UND TÖCHTER | Mother and Child
Filmische Qualität:   
Regie: Rodrigo García
Darsteller: Naomi Watts, Annette Bening, Kerry Washington, Samuel L. Jackson, Jimmy Smits, S. Epatha Merkerson, Cherry Jones, David Morse
Land, Jahr: USA / Spanien 2009
Laufzeit: 126 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S, X +
im Kino: 4/2011
Auf DVD: 8/2011


José García
Foto: universum

Der Episodenfilm, der mehrere selbstständige Handlungsstränge miteinander verknüpft, erreichte zuletzt in Alejandro González Inárritus „Babel“ (2006) einen Höhepunkt. Der von der Erzählstruktur hochkomplexe, auf drei Kontinenten angesiedelte Film wurde von der Kritik gelobt und beim Filmfestival Cannes 2006 mit dem Preis für die „Beste Regie“ ausgezeichnet. González Inárritu wirkt wiederum als ausführender Produzent im nun anlaufenden Episodenfilm „Mütter und Töchter“ („Mother and Child“) von Rodrigo García, dem Sohn des Literaturnobel-Preisträgers Gabriel García Márquez.

Im Unterschied zu „Babel“ siedelt „Mütter und Töchter“ seine drei Handlungsstränge in einer einzigen Stadt, in Los Angeles, an. Dort leben drei Frauen, die auf unterschiedliche Weise unter Kinderlosigkeit leiden. Physiotherapeutin Karen (Annette Bening) hat es 35 Jahre danach noch immer nicht verschmerzt, dass sie als 14-Jährige nach einer ungewollten Schwangerschaft ihr Kind zur Adoption freigab. Dass Karen zu Hause ihre alte Mutter (Eileen Ryan) pflegt, die sie damals zu diesem Schritt drängte, macht den Heilungsprozess nicht gerade einfacher. Rechtsanwältin Elizabeth (Naomi Watts) kaschiert ihre Bindungsunfähigkeit mit beruflichem Erfolg, zu dem für sie auch die Verführung ihres deutlich älteren Chefs Paul (Samuel L. Jackson) gehört. Ihre emotionale Kälte führt sie selbst darauf zurück, dass sie als Adoptivkind aufwuchs. Eine Adoption steht ebenfalls im Mittelpunkt der dritten Episode: Weil sich Lucy (Kerry Washington) nichts sehnlicher als ein Kind wünscht, sie und ihr Mann aber keine Kinder bekommen können, entscheidet sich Lucy für eine Adoption. Eine aufreibende Prozedur, muss sich das Ehepaar doch allerlei Gesprächen mit potenziellen adoptionswilligen Schwangeren unterziehen.

Nach der Einführung der drei Hauptfiguren treibt der Tod von Karens Mutter die Handlung voran: Die Physiotherapeutin nimmt endlich ihr Leben selbst in die Hand und heiratet ihren neuen Kollegen, den verwitweten Paco (Jimmy Smits). Mit seiner Hilfe entscheidet sich Karen, erstmals nach ihrer Tochter zu suchen. Elisabeth wird ungewollt schwanger, was sie wiederum dazu antreibt, ihre leibliche Mutter ausfindig zu machen. Kurz vor dem Adoptionstermin trennt sich ihr Mann Joseph von Lucy. Obwohl sie sich dazu entschließt, alleine das Kind zu adoptieren, entscheidet sich die leibliche Mutter im letzten Augenblick anders. Als in demselben Krankenhaus eine Frau bei der Geburt eines Mädchens stirbt, bekommt sie plötzlich die Möglichkeit, es zu adoptieren. Bei den vielen Adoptionen ist es bemerkenswert, dass eine Abtreibung auch ausdrücklich als die falsche Lösung für ungewollte Schwangerschaften angesehen wird.

Im Unterschied etwa zu „Babel“ verwebt „Mütter und Töchter“ nicht bloß drei unabhängige Handlungen miteinander. Rodrigo García hält nicht damit hinterm Berg, dass Karens und Elizabeths Story die zwei Seiten ein und derselben Geschichte sind. In seinem selbstverfassten Drehbuch geht es nicht um vordergründige Spannung, sondern um die Auslotung von emotionalen Zuständen. Obwohl die Verknüpfung der drei Stränge manchmal durch überkonstruierte zufällige Begegnungen geschieht, besitzt „Mütter und Töchter“ in der von der sympathischen Ordensschwester Joanne (Cherry Jones) geleiteten katholischen Adoptionsvermittlung einen Knotenpunkt, bei dem sich die Wege der drei Hauptfiguren kreuzen.

Garcías Drehbuch lässt darüber hinaus Platz für eine weitere Mutter-Tochter-Konstellation: Karens Haushaltshilfe Sofia (Elpidia Carrillo), zu der und zu deren kleinen Tochter Karens kranke Mutter ein besseres Verhältnis zu haben scheint als zu Karen selbst. Obwohl die Männer in Garcías Film eine untergeordnete Rolle spielen und kaum in die eigentliche Handlung miteinbezogen werden, bleiben insbesondere Samuel L. Jackson und Jimmy Smits dem Zuschauer in Erinnerung. Trotz der vielen Figuren in „Mutter und Töchter“ gelingt es den hervorragenden Darstellerinnen, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Mit zunehmender Handlung werden Karen und Elizabeth immer vielschichtigere Charaktere. Kerry Washington bleibt im Vergleich zu Annette Bening und Naomi Watts zwar etwas blasser, aber dies ist eher darauf zurückzuführen, dass ihr Handlungsstrang weniger ausgebaut, mit der Haupthandlung erst gegen Ende verknüpft wird.

Um nicht in die Rührseligkeit abzudriften, die in der Handlung von „Mütter und Töchter“ durchaus steckt, setzt Regisseur García auf völlig unsentimental inszenierte Szenen sowie auf humorvolle Momente, die sich durch den ganzen Film ziehen. Wie bereits der Filmtitel verspricht, setzt sich „Mütter und Töchter“ mit unterschiedlichen Aspekten der Mutterschaft sowie der teils komplexen Mutter-Tochter-Beziehungen auseinander.
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