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José GarcÃa Foto: 20th Century Fox Die Adaption von Literaturvorlagen für die groÃe Leinwand befriedigt selten uneingeschränkt, weil die Umsetzung des geschriebenen Wortes in ein vorwiegend visuelles Medium zwangsläufig mit einer Einengung einhergeht. Dies gilt besonders bei der Kinoadaption eines Werkes, das vom âTime Magazineâ zum âRoman des Jahrzehntsâ gewählt wurde. Doch Mark Romaneks Filmfassung von Kazuo Ishiguros âAlles, was wir geben musstenâ (âNever Let Me Goâ, 2005) stellt sich als kongenial heraus. Im Unterschied zum Roman, der den Verstehensschlüssel lange hinauszögert, stellt der Film eine Schrifttafel an den Anfang: Im Jahre 1952 sei es zu einem medizinischen Durchbruch gekommen, der die Entwicklung von Klonen ermöglichte. Dies und die Eindeutigkeit des Bildes â ein junger Mann liegt mit einer groÃen Narbe auf einem Operationstisch â führen im Film viel unmittelbarer in die Handlung ein, als im Roman, obwohl sich das Drehbuch von Alex Garland an die Dialoge und den Erzählfluss von Kazuo Ishiguro weitestgehend treu hält. Kathy H. spricht von ihrer Arbeit als âBetreuerinâ von âSpendernâ. Ihre Geschichte erzählt sie in einer Rückblende, die in ein Internat namens Hailsham führt. Dort lebt Kathy im Jahre 1978 noch als Kind zusammen mit Ruth und Tommy. Obwohl die Internatskinder in der Idylle des ländlichen Englands scheinbar ein sorgenfreies Leben führen, befremden einige Verhaltensregeln: Die Internatsinsassen dürfen das Gelände niemals verlassen. Sie müssen ganz besonders auf ihre Gesundheit achten. Darüber hinaus erhalten sie nie Besuch von ihren Eltern, obwohl sie keine Waisen sind. Letzte Gewissheit erhalten die Betroffenen, als ihnen die Lehrerin Miss Lucy (Sally Hawkins) reinen Wein einschenkt: Sie sind als lebende Ersatzteillager für Menschen geschaffen worden, denen sie ihre Organe spenden werden. Spätestens mit Vierzig werden sie âvollendenâ: Nach der dritten oder höchstens der vierten Spende werden sie einen frühen Tod sterben. Im Gegensatz zu genretypischen Science-Fiction-Romanen oder -Filmen geht es bei âAlles, was wir geben musstenâ nicht um die Enthüllung eines Geheimnisses oder um die technisch-wissenschaftlichen Aspekte des Klonens. So führt Kazuo Ishiguro aus: âMich interessierte nicht so sehr der Umstand des Klonens an sich, sondern vielmehr, was einem als Klon wohl wichtig wäre. Was berührt, was interessiert einen da wirklich? Und so handelt meine Geschichte eher von Freundschaft, von Liebe und davon, was man mit der Zeit anfängt, die einem gegeben wurde.â âAlles, was wir geben musstenâ erzählt von einer Dreiecksgeschichte unter diesen ungewöhnlichen Umständen: Bereits als Kinder spürten Tommy und Kathy Liebe zueinander, auf die Ruth eifersüchtig wurde. Als die drei als Jugendliche das Hailsham-Internat verlassen, um sich in einem Gehöft namens âThe Cottagesâ auf ihre eigentliche Bestimmung vorzubereiten, sind Tommy (Andrew Garfield) und Ruth (Keira Knightley) ein Paar geworden. Die sensible Kathy (Carey Mulligan) fühlt sich ausgeschlossen. Sie verlässt das Gehöft, um Betreuerin zu werden. Erst etwa fünfzehn Jahre später werden die drei wieder aufeinandertreffen, als sie ihrer âVollendungâ entgegengehen. Regisseur Mark Romanek inszeniert den Film in einem zeitlosen Stil. So könnte sich der erste, Ende der siebziger Jahre angesiedelte Abschnitt genauso gut Ende der fünfziger Jahre abspielen. Die Kamera von Adam Kimmel taucht die Landschaftsbilder in typisch englische, herbstliche bräunliche Töne und in kalte Farben, die eine düstere, mit der allgegenwärtigen Vorahnung der frühen âVollendungâ korrespondierende Atmosphäre entfachen. Die Filmmusik von Rachel Portman unterstützt mit ihren elegischen Klängen die wehmütige Anmutung des Filmes. Im Gegensatz etwa zu âWombâ (siehe Filmarchiv) erzählt Mark Romaneks Film konsequent aus der subjektiven Sicht der drei Protagonisten. Kathy, Ruth und Tommy sind sich der Unausweichlichkeit ihres Schicksals bewusst. Sie rebellieren in keinem Augenblick dagegen, dass ein Klon nicht um seiner selbst willen existiert, sondern nur um seinem âOriginalâ alles zu geben â worauf der deutsche Titel anspielt. Mit ihren Gefühlen und Empfindungen stellen sie indes das Prinzip des âmenschlichen Ersatzteillagersâ in Frage. Im Umkehrschluss geiÃelt diese scharfsinnig beschriebene Innenansicht der drei Klone den Egoismus einer Gesellschaft, die buchstäblich über Leichen geht, um die Utopie der Ãberwindung des Todes zu verwirklichen. Die Ergebenheit in das eigene Schicksal, die Annahme des frühen âVollendensâ, bringt der Film sogar mit gröÃerer Schärfe als der Roman zum Ausdruck. In einer Gesellschaft, die das Möglichst-Alt-Werden zum obersten Gebot, ja quasi zum letzen gesellschaftlichen Konsens erhoben hat, stellt dies eine ungeheure Irritation dar, und wirft die Frage nach einem geglückten, âvollendetenâ Leben, nach dem Begriff der Menschlichkeit auf. |
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