SCHMUCKSTÜCK, DAS | Potiche
Filmische Qualität:   
Regie: François Ozon
Darsteller: Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini, Karin Viard, Jérémie Rénier, Sergi Lopez
Land, Jahr: Frankreich 2010
Laufzeit: 103 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 3/2011
Auf DVD: 8/2011


José García
Foto: Concorde

Vor gut einem Jahr lieferte die französische Drehbuchautorin und Regisseurin Pascale Pouzadoux eine Komödie über die Aufgabenverteilung in der Familie: Ihr Spielfilm „Auf der anderen Seite des Bettes“ (siehe Filmarchiv) begann mit einem Rollentausch. Zu Beginn erlebt der Zuschauer, wie in dieser Familie die Aufgaben sozusagen klassisch verteilt sind. Von einer ähnlichen Konstellation geht ebenfalls der neue Film von François Ozon „Das Schmuckstück“ („Potiche“) aus.

Wir schreiben das Jahr 1977. Ozons Komödie ist also in einer Zeit angesiedelt, in der nicht nur die satten Farben, die aufgesteckten Frisuren und bunten Kostüme der Post-Hippie-Ära dominieren, sondern auch die Frauen in Chefetagen noch eine Seltenheit sind. Im fiktiven nordfranzösischen Städtchen Sainte-Gudule fühlt sich die Fabrikantentochter und -gattin Suzanne Pujol (Catherine Deneuve) wie ein „Potiche“, eine dekorative, aber völlig nutzlose Porzellanvase. Ihr Mann Robert Pujol (Fabrice Luchini) herrscht nicht nur seine Ehefrau an, sondern tyrannisiert auch die Arbeiter in der Regenschirmfabrik, die eigentlich Suzannes Vater aufgebaut hatte. Dass Pujol darüber hinaus mit seiner Sekretärin Nadege (Karin Viard) ein Verhältnis hat, vervollständigt eine Figur, die über alle andern zu bestimmen gewohnt ist. Tochter Joëlle (Judith Godreche) eröffnet ihrer Mutter, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen und in der Fabrik ihres Vaters arbeiten will. Ein Schmuckstück wie ihre Mutter möchte Joëlle auf gar keinen Fall werden. Freut sich der Patriarch über das Ansinnen seiner Tochter, so ist er über Sohn Laurent (Jeremie Renier) verstimmt, weil er die Tochter der Bäckerin heiraten will und darüber hinaus liberalen Gedanken anhängt.

Die uneingeschränkte Herrschaft des Regenschirm-Fabrikanten bekommt jedoch Risse, als die Arbeiter in Streik treten und Pujol als Geisel nehmen. Dabei erleidet Robert eine Herzattacke, die ihn ins Krankenhaus und in die Kur bringt. Beherzt übernimmt Suzanne mit Unterstützung des kommunistischen Abgeordneten und ehemaligen Gewerkschaftsführers Babin (Gérard Depardieu) die Leitung der Fabrik. Und siehe da: Nicht nur erweist sie sich als geschickte Geschäftsfrau in den Verhandlungen mit den Arbeitern. Außerdem modernisiert sie mithilfe ihres designbegeisterten Sohnes Laurent (Jérémie Rénier) die Produktpalette der Traditionsfirma. Als Robert zurückkehrt, will er zurück auf den Chefsessel. Ein Intrigenspiel um die Aktienmehrheit beginnt.

Wie bereits „Auf der anderen Seite des Bettes“, der den Farbkontrast zwischen den „männlichen“ bläulich-grauen Tönen und den „weiblichen“ rosaroten bis pinkfarbenen Farben als komödiantisches Stilmittel einsetzte, spielt auch Ozon mit der Farbpalette, um den Neubeginn in der Fabrik zu verdeutlichen: Die Schirme werden bunt, ja sogar das schwarze Firmenzeichen wird durch ein strahlend rotes Markenzeichen ersetzt. Als Adaption eines Theaterstückes setzt „Das Schmuckstück“ freilich vorwiegend auf die überspitzte, im Falle Roberts ja karikaturhafte Zeichnung, die pointierten Dialoge und insbesondere auch auf die Schauspielkunst der Darsteller. Catherine Deneuve steht nicht nur dabei im Mittelpunkt des Filmes. Die inzwischen 66-jährige Grand Dame des europäischen Kinos beherrscht mit ihrer Präsenz förmlich die Leinwand. Vor allem die Szenen, die sie mit Gérard Depardieu teilt – dreißig Jahre nach ihrer ersten gemeinsamen Arbeit in Truffauts „Die letzte Metro“ (1980) – gehören zu den besten des Films.

„Das Schmuckstück“ spart nicht mit boulevardesk vorgetragener Kritik an der sogenannten Doppelmoral der Bourgeoisie: Nicht nur Robert hat eine Mätresse und die eine oder andere Affäre hinter sich. Im Laufe der Handlung stellt sich heraus, dass Laurent nicht Roberts Sohn ist. Ist sein Vater der Kommunist Babin, der vor 25 Jahren ein Verhältnis zu Suzanne hatte, oder vielleicht der Notar oder der Tennislehrer? Die offenbar gar nicht so „verklemmte“ Ehefrau und Mutter kann sich nicht mehr genau daran erinnern. Diese gekünstelten Bauerntheater-Elemente überschatten eine sonst flott inszenierte, teilweise urkomische Handlung.

Obwohl der Film durch seine Einbettung in die späten siebziger Jahre auch eine sozialpolitische Lesart etwa als Kritik am Kapitalismus und der beginnenden Globalisierung zulässt, ist „Das Schmuckstück“ vorwiegend eine Komödie über die Emanzipation, über das langsame Vorpreschen der Frauen in die Chefetagen, die dann alles besser machen als die ach so selbstsicheren und herrischen Patriarchen.
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