BIUTIFUL | Biutiful
Filmische Qualität:   
Regie: Alejandro González Iñárritu
Darsteller: Javier Bardem, Maricel Álvarez, Eduard Fernández, Hanaa Bouchaib, Ana Wagener, Manolo Solo, Rubén Ochandiano
Land, Jahr: Spanien / Mexiko 2010
Laufzeit: 147 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G, D, X
im Kino: 3/2011
Auf DVD: 9/2011


José García
Foto: Prokino

In seinem letzten, beim Filmfestival Cannes 2006 mit dem Preis für die „Beste Regie“ ausgezeichneten Film „Babel“ (siehe Filmarchiv) verknüpfte der mexikanische Regisseur Alejandro González Inárritu mehrere Handlungsstränge auf drei Kontinenten miteinander. Das komplexe Drehbuch stammte vom ebenfalls gebürtigen Mexikaner Guillermo Arriaga. Nachdem sich die beiden Filmemacher überworfen haben, gehen sie getrennte Wege. Der Weg von González Inárritu führt über das selbstverfasste Drehbuch in die Unterwelt von Barcelona, wo sein neuer Film „Biutiful“ angesiedelt ist.

Der Film schildert die letzten Wochen im Leben des Kleinkriminellen Uxbal (Javier Bardem), dem die Ärzte Prostatakrebs in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert haben. Uxbal beschließt, sein Leben in Ordnung zu bringen. Die Mosaiksteinchen, aus denen Alejandro González Inárritu Uxbals Leben zusammensetzt, lassen den Zuschauer von Anfang an kaum im Unklaren über die schier unmögliche Aufgabe, die sich dieser charismatische Mensch mittleren Alters aufgebürdet hat. Als da wäre zunächst einmal die Beziehung zu seiner Ex-Frau Marambra (Maricel Álvarez), die an einer bipolaren Depression leidet. Daneben geht sie zwielichtigen „Massagejobs“ nach, und zu allem Überfluss unterhält sie ein Verhältnis zu Uxbals Bruder Tito (Eduard Fernández). Uxbals Beziehung zu Marambra ist von einer Hassliebe geprägt, die übrigens auf Gegenseitigkeit beruht.

Liebevoll kümmert sich Uxbal jedoch um seine zwei Kinder Ana und Mateo, mit denen er in einer heruntergekommenen Wohnung lebt. Seine erste Sorge ist es, eine Lösung für sie zu finden. Und diese kommt unerwartet in der Person Iges, einer jungen Afrikanerin, deren Mann Ekweme abgeschoben wurde. Nachdem sich Uxbals Zustand verschlechtert hat, kümmert sich Ige aufopferungsvoll um ihn und um die Kinder. Offen bleibt allerdings, ob sie der Versuchung widerstehen wird, sich mit der größeren Summe, die ihr Uxbal für die Pflege der Kinder hinterlassen hat, nach Afrika abzusetzen.

Iges Mann Ekweme war bis zu seiner Verhaftung Uxbals Geschäftspartner auf Barcelonas Straßen, wo Senegalesen die Taschen illegal verkaufen, die von illegalen chinesischen Einwanderern in stickigen Kellern genäht werden. An diesen und anderen Geschäften der Schattenwirtschaft haben Uxbal und sein Bruder Tito Anteil: Sie vermitteln etwa Bauunternehmern billige Arbeitskräfte, müssen sich aber auch um die „Provision“ des korrupten Polizisten kümmern, der die Straßenhändler gewähren lässt – solange sie nicht mit Drogen handeln, was Uxbal vergebens zu verhindern sucht. Außerdem „arbeitet“ Uxbal auch als Medium: Gegen entsprechende Entlohnung wird er an den Sarg gerufen, um der Trauerfamilie den letzten Willen des Verstorbenen mitzuteilen.
Diese Reise in das Untergeschoss einer europäischen Metropole wird von der fiebrig-nervösen Musik Gustavo Santaollalas und der hektischen Handkamera Rodrigo Prietos begleitet, die etwa die Verfolgung der illegalen Straßenverkäufer durch die Polizei aus dem Inneren heraus fotografiert. „Biutiful“ liefert sowohl poetische als auch von kruder Hässlichkeit strotzende, zuweilen fast pornografische Bilder. Die nahezu zum Stilmittel erhobene Hässlichkeit kommt in dem falsch geschriebenen Filmtitel zum Ausdruck: Als Ana ihren Vater fragt „Wie schreibt man ,beautiful‘, Papa?“, antwortet Uxbal: „So wie man spricht: ‘biutiful‘“ – der Filmtitel als Symbol für den menschlichen Makel, der sich durch den ganzen Film wie ein roter Faden zieht.

Die teils unzusammenhängenden Bilder fließen bei Javier Bardem zusammen: Es gibt kaum eine Szene, in der nicht seine Figur Uxbal, häufig im Großaufnahme, im Mittelpunkt steht. Dem spanischen Schauspieler gelingt die schwierige Aufgabe, einen von widersprüchlichen Eigenschaften geprägten Charakter glaubwürdig darzustellen. So liebevoll sich sein Uxbal um seine Kinder kümmert, so aufschäumend kann er in der nächsten Szene ausrasten. Komplex und widersprüchlich nimmt sich etwa auch seine Beziehung zu den Immigranten aus, die er einerseits als regelrechter Menschenhändler ausnutzt, mit denen er andererseits Freundschaften schließt. Um diese Figur zu zeichnen, setzt González Inárritu eine beinahe impressionistische Erzählweise ein: Statt der Verknüpfung verschiedener Episoden, die er in „Babel“ meisterhaft inszeniert hatte, verwendet der mexikanische Regisseur in „Biutiful“ lose miteinander verbundene, teilweise jedoch ausgefranste Erzählstränge.Trotz der bedrückenden Stimmung des ganzen Films entlässt „Biutiful“ den Zuschauer nicht ohne die Hoffnung, dass die gescheiterte Existenz Erlösung finden wird.

Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung war „Biutiful“ als „Bester nichtenglischsprachiger Film“ nominiert, musste sich aber gegen Susanne Biers „In einer besseren Welt“ geschlagen geben. Auch Javier Bardem, der für den „Besten Hauptdarsteller“ in die engere Wahl kam, ging leer aus.
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