MUTTER TERESA - HEILIGE DER DUNKELHEIT | Mutter Teresa - Heilige der Dunkelheit
Filmische Qualität:   
Regie: Maria Magdalena Koller
Darsteller: Maria Negra
Land, Jahr: Deutschland 2010
Laufzeit: 51 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum:
Einschränkungen: --
Auf DVD: 8/2010


José García
Foto: ZDF

„Der Platz Gottes in meiner Seele ist leer – in mir ist kein Gott – Der Schmerz des Verlangens groß – und dann fühle ich nur dies – Er will mich nicht!“ Diese Aufzeichnungen der Mutter Teresa von Kalkutta, die im Zuge ihrer am 20. Oktober 2003, nur sechs Jahre nach ihrem Tod, erfolgten Seligsprechung an die Öffentlichkeit gelangten, rüttelten gehörig an das Bild einer in sich ruhenden Ordensschwester, die nur deshalb eine schier übermenschliche Arbeit unter den Ärmsten der Armen entfaltet hatte, weil sie ihre Kraft aus einer innigen Verbindung mit Gott gewann.

Dem scheinbaren Widerspruch zwischen der tätigen Liebe Teresas zu Gott und ihrer sich in solchen Äußerungen offenbarenden inneren Leere geht das filmische Portrait der wohl bekanntesten Nonne des 20. Jahrhunderts nach, das aus Anlass des 100. Geburtstags Mutter Teresas auf DVD veröffentlicht (und auch im Fernsehen ausgestrahlt) wird: „Mutter Teresa – Heilige der Dunkelheit“ von Maria Magdalena Koller. Die Autorin verknüpft Dokumentaraufnahmen, Interviews und nachgespielte Szenen zu einem Dokudrama, wobei die inszenierten Sequenzen sich nicht nur in den Erzählfluss dramaturgisch bestens einfügen, sondern auch von hoher Inszenierungsqualität sind. Dies gilt etwa für die Zugfahrt, die im Jahre 1946 das Leben Mutter Teresas veränderte. Hatte sie bis dahin in Kalkutta an einer Schule für „Töchter reicher Eltern“ unterrichtet, so erlebte sie auf einer Bahnfahrt von Kalkutta nach Darjeeling die „Berufung in einer Berufung“. Die inszenierten Bilder verdeutlichen, wie Mutter Teresa zunächst allein anfing, in den sich unmittelbar hinter den erhabenen viktorianischen Bauten Kalkuttas erstreckenden Slums unter Bettlern und Sterbenden zu wirken, ehe die von ihr gegründete „Kongregation der Missionarinnen der Nächstenliebe“ im Oktober 1950 anerkannt wurde.

Dokumentaraufnahmen zeigten die zerbrechlich wirkende Frau im weißen Sari mit abgetragener Wollweste neben Papst Johannes Paul II. oder auch neben den Mächtigen und Prominenten dieser Welt, insbesondere bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 1979, aber auch weitaus weniger bekannte Bilder, etwa ein frühes Interview aus den fünfziger Jahren, die Mitfeier der Eucharistie oder ihre Teilnahme an einer Gelübdefeier („die glücklichsten Momente in ihrem Leben“).

Zu den Interviewten gehört besonders die deutsche Schwester Andrea, die seit 1954 in Indien lebt, als Mutter Teresa sie „zum Medizinstudium verpflichtete“, und wohl zu den ersten Missionarinnen der Nächstenliebe zählt. Ein Verdienst des Filmes von Maria Magdalena Koller besteht allerdings darin, über diese sozusagen naheliegende Interviewpartnerin hinaus ebenfalls Menschen zu Wort kommen zu lassen, die in einer nicht so engen Beziehung zur Portraitierten standen, so etwa der Fotograf Raguh Rai, der aus einem ungewohnten Blickwinkel Bemerkenswertes zur Biografie Mutter Teresas beiträgt. Ebenso aufschlussreich das Zeugnis einer fast anonymen „Slumbewohnerin“ namens Agnes.

Das Herzstück des Filmes von Maria Magdalena Koller macht jedoch die Frage nach der inneren Zerrissenheit Mutter Teresas aus. Um dieser Frage nachzugehen, holt die Autorin zwei Jesuitenpatres vor die Kamera: Der 100-jährige Joseph Neuner, der jahrzehntelang geistlicher Begleiter Mutter Teresas war, äußert sich erstmals öffentlich zu ihrem Seelenleben. Aber auch „der letzte Priester, dem sie sich anvertraut hat“, Albert Huart SJ, spricht über die nach einer Formulierung Johannes’ vom Kreuz bekannte „Dunkle Seele der Nacht“, die den Schlüssel zu Mutter Teresas mystischen Erfahrungen der Verlassenheit liefert. Obwohl die Psychiaterin Margot Schmitz zunächst einmal Mutter Teresas Erfahrungen mit der völlig unzulänglichen Kategorie des „burnt out“ zu erklären versucht, findet die Spezialistin aus Wien im Laufe des Interviews ein bemerkenswertes Bild, um sie zu deuten: Es handele sich um eine „lebenslange Sehnsucht, angekommen zu sein, und doch nicht anzukommen“. Laut Margot Schmitz nahm Mutter Teresa den Leitsatz „Schmerz erlöst die Welt“ wörtlich. Die Ordensfrau, die zunächst in den Slums von Kalkutta und später in der ganzen Welt den schier unendlichen Schmerz der Sterbenden und Verlassenen, aber auch das im Zusammenhang mit der Abtreibung verursachte Leid erlebte, nahm den für sie wohl größten Schmerz an: Sich von Gott verlassen zu fühlen, den „Platz Gottes in meiner Seele“ als leer zu empfinden.

Maria Magdalena Kollers Fernsehfilm zeigt keine strahlende Heldin, sondern eine überaus menschliche Frau, die die Antwort nach dem Sinn des Schmerzes und des Leidens im Durchschreiten der „Dunklen Nacht“ ihrer eigenen Seele erfuhr.
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