MAMMUT | Mammoth
Filmische Qualität:   
Regie: Lukas Moodysson
Darsteller: Gael García Bernal, Michelle Williams, Marife Necesito, Sophie Nyweide, Tom McCarthy, Jan Nicdao, Run Srinikornchot, Perry Dizon
Land, Jahr: Schweden / Dänemark / Deutschland 2009
Laufzeit: 125 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G, X
im Kino: 6/2010
Auf DVD: 12/2010


José García
Foto: MFA +

Mit den Auswirkungen der Globalisierung und insbesondere mit den Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Kontinenten für die zwischenmenschlichen Beziehungen setzte sich Alejandro González Iñárritus bahnbrechender Film „Babel“ (siehe Filmarchiv) auseinander. Durch die Verknüpfung der drei unterschiedlichen Erzählstränge mittels häufiger, scharfer Schnitte wurde die Gleichzeitigkeit der Ereignisse ins Bild gesetzt.

Derselben Inszenierungsart bedient sich der schwedische Regisseur Lukas Moodysson für seinen Spielfilm „Mammut“, der am offiziellen Wettbewerb der Berlinale 2009 teilnahm und nun im regulären Kinoprogramm startet. Im Mittelpunkt steht ein junges New Yorker Ehepaar, das es offensichtlich zu einigem Wohlstand gebracht hat: Durch das von ihm entwickelte Webseite hat Leo (Gael Garcia Bernal) viel Geld verdient. Ellen (Michelle Williams) trägt mit ihrer Arbeit als Notfall-Chirurgin ebenfalls dazu bei, dass sie sich eine schicke, geräumige Wohnung mit einem riesigen, bis an den Rand gefüllten Kühlschrank und einem Fitness-Gerät auf der Terrasse mitten in Manhattan leisten können. Der materielle Wohlstand hat jedoch seinen Preis. Denn für ihre achtjährige Tochter Jackie (Sophie Nyweide) bleibt insbesondere der nachts arbeitenden Mutter kaum Zeit.

Jackie hängt sehr an ihrem aus den Philippinen stammenden Kindermädchen Gloria (Marife Necesito), mit der sie die meiste Zeit verbringt. Als die Kleine auch noch Tagalog lernen möchte, reagiert Ellen ziemlich eifersüchtig. Gloria hat jedoch andere Sorgen: Sie plagt die Sehnsucht nach ihren eigenen Kindern, dem siebenjährigen Manuel und dem zehn Jahre alten Salvador, die sie in der Heimat bei ihrer eigenen Mutter zurücklassen musste. Diese wiederum vermissen ihre Mutter. Salvador sucht sogar verzweifelt nach Arbeit, um die Rückkehr der Mutter zu ermöglichen.

Das zerbrechliche Gleichgewicht gerät noch deutlicher ins Wanken, als Leo zu einer Geschäftsreise nach Thailand aufbricht, womit ein dritter Schauplatz und ein weiterer Erzählstrang hinzugefügt werden. Der einzige Zweck seiner Reise ist ein Vertrag, den er unterschreiben soll. Als er aber zusammen mit seinem Anwalt Bob Sanders (Tom Mc Carthy) in Bangkok landet, stellen sie fest, dass noch nachverhandelt werden muss. Was aber für Leo bedeutet: Er hat nichts anderes zu tun, als das Ende der Verhandlungen abzuwarten. Statt in Bangkok im Rotlichtmilieu die Zeit totzuschlagen, fährt Leo an einen einsamen Strand, wo er allerdings Besuch von einer Prostituierten bekommt. Der Kontakt zu dieser von seiner eigenen so völlig verschiedenen Welt bringt ihn dazu, sein Leben und auch die Treue zu seiner Frau in Frage zu stellen.

Obwohl das Drehbuch überfrachtet und der Erzählrhythmus insgesamt eher schleppend ist, stellt „Mammut“ interessante Fragen über die Beziehung von Beruf und Familie: Die Eltern bemühen sich, für ihre Kinder zu arbeiten, aber distanzieren sich deshalb von ihnen. Lukas Moodyssons Film handelt eigentlich davon, dass die wirklich Leidtragenden in der Globalisierung die Kinder auf der ganzen Welt sind – ob sie in New York, den Philippinen oder in Thailand leben.

Welch groteske Züge diese Globalisierung annehmen kann, zeigt Regisseur Moodysson mit zwei Beispielen. Zu dem einen führt er selbst aus: „Ein amerikanischer Basketball wird in einer Fabrik auf den Philippinen hergestellt und in die USA verkauft. Dort wird er von einer Filipino gekauft, die bei einer amerikanischen Familie als Kindermädchen arbeitet. Sie packt den Ball in eine Schachtel und schickt ihn zu ihren Söhnen, die sie in den Philippinen zurückgelassen hat. Wie der Ball pendeln auch Sehnsüchte quer über die Kontinente, schweben in der Einsamkeit, im Raum.“ Das zweite Beispiel betrifft den Federhalter, den Leo auf dem Flug nach Bangkok von Bob geschenkt bekommt, damit er den Vertrag standesgemäß unterschreibt, einen Montblanc-Füller mit Mammut-Intarsien, der laut Bob 3000 Dollar kostet. Für das „feinste Schreibgerät der Welt“ wird später in Thailand jedoch ein Trödelhändler bloß ein paar Münzen bezahlen. Der Füller verleiht nicht nur dem Film seinen Namen. Er wird darüber hinaus zum Symbol für zwei unterschiedliche Wertesysteme in einer globalisierten Welt.

Die zeitlose Botschaft von „Mammut“ fasst der schwedische Regisseur mit den Worten zusammen: „Der Film handelt von Familien, von Eltern und Kindern, und wie wir uns zu unseren und anderer Leute Kinder verhalten. Es geht darum, dass wir alle auf diesem Planeten miteinander verbunden sind, ob wir es mögen oder nicht. Und dass jeder jeden irgendwie braucht.“
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