YOUNG VICTORIA | The Young Victoria
Filmische Qualität:   
Regie: Jean-Marc Vallée
Darsteller: Emily Blunt, Rupert Friend, Paul Bettany, Miranda Richardson, Jim Broadbent, Thomas Kretschmann
Land, Jahr: Großbritannien / USA 2009
Laufzeit: 104 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2010
Auf DVD: 8/2010


José García
Foto: Capelight

Ein halbes Jahrhundert nach Ernst Marischkas „Mädchenjahre einer Königin“ (1954) mit der erst 16-jährigen Romy Schneider als Königin Victoria stellt der kanadische Regisseur Jean-Marc Vallée ebenfalls die Liebesgeschichte zwischen der jungen britischen Monarchin und ihrem Cousin Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha in den Mittelpunkt seines nun anlaufenden Spielfilms „Young Victoria“.

Victoria (Emily Blunt) wächst im Kensington Palace bei ihrer Mutter Viktoria von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Herzogin von Kent (Miranda Richardson), und unter der strengen Obhut der Gouvernante Baroness Lehzen (Jeanette Hain) auf. Die verwitwete Herzogin von Kent steht unter dem Einfluss des von ihrem verstorbenen Ehemann eingesetzten Nachlassverwalters Sir John Conroy (Mark Strong). Dieser setzt darauf, dass die inzwischen zur Thronfolgerin aufgerückte Prinzessin Victoria nach dem Tod ihres Onkels Wilhelm IV. (Jim Broadbent) noch unmündig den Thron besteigen und ihrer Mutter die Regentschaft übertragen würde. Zu Conroys Politik gehört es, Victoria vom königlichen Hof fernzuhalten – zum Missfallen des Königs, der seine Nichte gern häufiger am Hof gesehen hätte.

Mit Conroys Intrigen verwebt das Drehbuch von Julian Fellowes die Bemühungen eines weiteren Onkels der Prinzessin, König Leopold I. von Belgien (Thomas Kretschmann), um einen angemessenen Ehemann für Victoria zu finden. Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld hatte bereits die Heirat seiner Schwester mit dem Herzog von Kent arrangiert und nach dessen Tod Viktoria finanziell unterstützt und sich um die Erziehung ihrer Nichte Victoria gekümmert, zu der er ein sehr enges Verhältnis entwickelte. Leopolds Wahl fällt auf seinen Neffen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (Rupert Friend), wodurch der Einfluss des Hauses gestärkt werden sollte. Die politische Vernunft geht Hand in Hand mit persönlicher Neigung: Für Victoria und Albert war es Liebe auf den ersten Blick.

Obwohl „Young Victoria“ die Verbindung zwischen den zwei Handlungssträngen – erste Regierungsjahre auf der einen Seite, die mit Victorias Krönung nach dem Tod Wilhelms IV. im Juni 1837 beginnen, die Liebesgeschichte auf der anderen Seite – nicht vollends gelingt, so bringt sie Jean-Marc Vallée in einer Szene doch auf den Punkt, als der junge Gemahl der Königin den erfahrenen Premierminister Lord Melbourne (Paul Bettany), der in den ersten Jahren Victorias Mentor auf dem politischen Parkett gewesen war, nun in die Schranken weist.

Zeigt Jean-Marc Vallées auch den zunehmenden Einfluss Alberts auf die Regierungsgeschäfte und den königlichen Haushalt, der etwa zum Abschied von Baroness Lehzen führte, so findet sein Film seine dramaturgische Mitte jedoch in der Liebesgeschichte zwischen Victoria und Albert. Diese beginnt bereits im Jahre 1836 bei einem arrangierten Besuch Alberts in Großbritannien. Mit viel Sinn für Humor verdeutlicht „Young Victoria“, dass die beiden jungen Leute ihre erste Übereinstimmung gerade in ihrer Abneigung fanden, sich zu irgendwelchen Bauern im Schachspiel der politischen Mächte degradieren zu lassen. Die aufkeimende Zuneigung wird durch die Korrespondenz der folgenden Jahre stärker, insbesondere in der Zeit der sogenannten „Hofdamenaffäre“: Nach der Thronbesteigung hatte Victoria den Zorn des Volks auf sich gezogen, als sie sich geweigert hatte, ihre Hofdamen von der neuen Parlamentsregierung stellen zu lassen. Albert zeigt sich in seinen Briefen an Victoria verständnisvoll, was den Boden für den erneuten Besuch des Coburger Prinzen im Oktober 1839 bereitet, so dass bald darauf Verlobung gefeiert werden kann.

Bemüht sich der Film zu Beginn, die Privatsphäre mit den Intrigenränken zu verknüpfen und beide Handlungsstränge parallel zu schneiden, so bildet ab diesem Moment die Politik nur noch einen äußeren Rahmen für die Liebesgeschichte. Der Zuschauer erfährt beispielsweise wenig von den Reaktionen der Öffentlichkeit, die sich nicht gerade von der Verbindung der britischen Königin mit einem unbedeutenden deutschen Prinzen begeistert zeigte.

„Young Victoria“ ist denn auch hauptsächlich ein Liebesfilm vor historischer Kulisse. Elegant fotografiert vom deutschen Kameramann Hagen Bogdanski, der sich mit „Das Leben der Anderen“ einen Namen gemacht hatte, bestechen neben der gelungenen Filmmusik insbesondere die bei der diesjährigen Oscarverleihung ausgezeichneten Kostüme und die prächtige Ausstattung. Vor allem überzeugt aber Emily Blunt in ihrer Darstellung von Victorias Entwicklung von jugendlicher Unbekümmertheit zur königlichen Entschiedenheit sowie die Chemie zwischen ihr und Rupert Friend, die völlig glaubwürdig macht, dass Albert die Liebe ihres Lebens war: Nachdem er 1861 erst 42-jährig starb, trug Königin Victoria bis an ihr Lebensende nur noch Witwentracht.
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