BILDNIS DES DORIAN GRAY, DAS | Dorian Gray
Filmische Qualität:   
Regie: Oliver Parker
Darsteller: Ben Barnes, Colin Firth, Ben Chaplin, Rebecca Hall, Fiona Shaw, Emilia Fox, Rachel Hurd-Wood, Douglas Henshall, Caroline Goodall
Land, Jahr: Großbritannien 2009
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G, S, X +
im Kino: 4/2010
Auf DVD: 7/2010


José García
Foto: Concorde

Oscar Wildes einziger Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ („The Picture of Dorian Gray“) gehört zu den Lieblingsstoffen des Stummfilms: Allein für die Zeit von 1910 bis 1918 sind sechs Verfilmungen nachgewiesen. Aber auch später wurde Wildes Roman mehrfach für die große Leinwand adaptiert, wobei die Fassung von Massimo Dallamano (1970) mit Helmut Berger in der Rolle des Dorian Gray und Herbert Lom als Henry Bottom in Deutschland die bekannteste sein dürfte. Siedelte Dallamano die Handlung seines Filmes in der Gegenwart an, so spielt die aktuelle Verfilmung von Oliver Parker wie die Romanvorlage am Ende des 19. Jahrhunderts.

Dorian Gray (Ben Barnes) kommt als etwa 20-jähriger junger Mann in London an, wo er das prachtvolle Stadthaus seines Großvaters nach dessen Tod geerbt hat. Sein makelloses Aussehen und eine gewisse Naivität sprechen sich in der „besseren Gesellschaft“ bald herum, so dass der Porträtmaler Basil Hallward (Ben Chaplin), der sich von der Schönheit des Jünglings fasziniert zeigt, Dorian zu einem Bildnis überredet. Folgenreicher für den jungen Aristokraten erweist sich jedoch die Bekanntschaft mit dem zynischen Lebemann Lord Henry Wotton (Colin Firth), der ihn in eine Welt der schrankenlosen Genusssucht ohne Reue einführt. Denn für Lord Wotton spielen Moral oder Religion keine Rolle, weil bei ihm die Ästhetik den Platz der Ethik einnimmt und der Rausch zu einer Art Ersatzreligion wird.

Dorian gerät immer mehr unter den Einfluss von Lord Wotton, der den jungen Mann sogar dazu überredet, seine Verlobung mit der jungen Schauspielerin Sybil (Rachel Hurd-Wood) zu lösen. Als sich Sybil daraufhin umbringt, bemerkt Dorian erste Veränderungen in seinem Bildnis. Denn statt in ihm selbst treten die Folgen seines immer unmoralischeren Lebens als Verfallserscheinungen in dem Porträt auf, was auf einen faustischen Pakt mit dem Teufel zurückgeht. Denn Dorian hat seine Seele gegen ewige Jugend und Schönheit eingetauscht: „Die Seele ist eine schreckliche Wirklichkeit. Man kann sie kaufen und verkaufen und um ihren Preis feilschen“, wird er etwa viel später dem skeptischen Lord Wotton erklären.

Das Drehbuch von Toby Finlay betont die Parallelen zu Goethes „Faust“, nicht allein weil sich Lord Wotton eindeutig als regelrechter Mephisto ausnimmt. Darüber hinaus führt das Drehbuch eine Figur ein, die im Oscar Wildes Roman gar nicht vorkommt: Nach einem Vierteljahrhundert Anwesenheit kehrt Dorian Gray nach London zurück, wo er Lord Wottons Tochter Emily (Rebecca Hall) kennen und lieben lernt. Emily verkörpert Dorians Gretchen.

In einer Zeit des ungebremsten Jugend- und Schönheitswahns und der „Zersetzung der sittlichen Ordnungen durch eine zynische Art von Skepsis und Aufklärung“ (Joseph Ratzinger) stellt sich das Sujet von Oscar Wildes Roman als bemerkenswert aktuell dar. Der Film verdeutlicht zwar die Hauptintention von „Das Bildnis des Dorian Gray“, die in den Worten „Das Leben war für ihn auf einmal eine grässliche Bürde geworden, die nicht mehr zu tragen war“ zum Ausdruck kommt. Oliver Parkers Verfilmung hinterlässt jedoch einen merkwürdig faden Eindruck. Hinter der prachtvollen Ausstattung, die bereits dem künstlerisch gehaltenen Vorspann anzumerken ist und in den herrschaftlichen viktorianischen Kulissen ihre Fortsetzung findet, spürt der Zuschauer kaum Leben, geschweige denn Leidenschaft.

Denn Regisseur Oliver Parker setzt meistenteils auf Elemente des Horrorfilmes. Gehören knarzende Holzdielen, knarrende Türen und bedrohliche Schatten noch zu den subtil verwendeten Effekten, so werden etwa die aus dem Bildnis kriechenden Maden, die bluttriefenden Messer oder die nervenzerreißende Musik plakativ in Szene gesetzt. Die Bestandteile des Gruselfilms verleihen dem Film jedoch keinen Rhythmus. Dazu trägt auch bei, dass Ben Barnes’ Darstellung nicht nur kaum etwa an Helmut Bergers Dorian Gray heranreicht, sondern auch von Colin Firth und Ben Chaplin völlig verdängt wird. Dem Hauptdarsteller gelingt es ohnehin nicht, die Veränderungen, die zunehmende innere Leere bis zum Lebensverdruss eines Dorian Grays glaubwürdig zu verkörpern.

Mit seiner Verfilmung von Oscar Wildes Romans schafft zwar Oliver Parker eine schöne Fassade, die aber inhaltsleer bleibt. Parkers „Das Bildnis des Dorian Gray“ mag zwar die Romanvorlage schön bebildern. Einen künstlerischen Mehrwert fügt er ihr jedoch nicht hinzu.
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