FRIEDENSSCHLAG | Friedensschlag – Das Jahr der Entscheidung
Filmische Qualität:   
Regie: Gerardo Milsztein
Darsteller: (Mitwirkende) Eftal, Marco, Josef, Denis, Juan, Rupert Voß, Werner Makella
Land, Jahr: Deutschland 2010
Laufzeit: 107 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 4/2010
Auf DVD: 9/2010


José García
Foto: Piffl Medien

In der Öffentlichkeit wird Jugendgewalt immer wieder diskutiert, wobei der Maßnahmenkatalog für eine bessere Prävention von Gesetzesverschärfung bis Vorbeugemaßnahmen und Hilfen für die Resozialisierung reicht. Wie eine solche Begleitung aus der Gewalt aussehen kann, zeigt das Projekt der „Work and Box Company“. Seit 2003 arbeiten Rupert Voß und Werner Makella in der unkonventionellen, aus Sport und Arbeit bestehenden Jugendhilfemaßnahme mit dem Ziel, gewaltbereite junge Männer in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Mit Erfolg: 80 Prozent der 16 bis 21 Jahre alten, straffällig gewordenen Jugendlichen erhielten nach einer zwölf Monate dauernden Maßnahme einen Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag. Die „Work and Box Company“ wird vom Europäischen Sozialfonds, dem Jugendamt der Stadt München und dem Landkreis München gefördert.

Ein Jahr lang begleitete Dokumentarfilmer Gerardo Milsztein die Arbeit der acht Mitarbeiter von „Work and Box Company“ mit einem kleinen Kamera- und Tonteam. Daraus ist der 107 Minuten lange Dokumentarfilm „Friedensschlag“ entstanden, der am „Panorama“-Programm der Berlinale 2010 teilnahm, und nun im regulären Kinoprogramm startet. Milszteins Film wurde von „Boomtownmedia“ produziert, die bereits für „Rhythm is it!“ (siehe Filmarchiv) und „Trip To Asia“ (siehe Filmarchiv) verantwortlich zeichnete. Die Handschrift dieser außergewöhnlichen Dokumentarfilme wird bei „Friedensschlag“ insbesondere im Schnitt deutlich. Kein Wunder: an der Montage von „Friedensschlag“ arbeitete Thomas Grube mit, der bei den zwei früheren Boomtownmedia-Filmen auch Regie führte.

Zur Handschrift der „Boomtownmedia“-Filme gehört insbesondere eine Spielfilm-ähnliche Dramaturgie. Auch „Friedensschlag“ folgt dem klassischen drei Akte-Aufbau, dem die Kameraführung entspricht. Bei der Kölner Premiere führte Regisseur Gerardo Milsztein dazu aus: „In einer ersten Phase befindet sich zwischen der Kamera und den Jugendlichen irgendeine ‚Störung’, um Distanz zu schaffen, um den Zuschauer zu schützen. Im zweiten Akt findet eine langsame Annährung statt, die Kamera ist sehr dicht am Geschehen, um dann im dritten Akt strukturierte Bilder zu liefern.“

„Friedensschlag“ folgt dem Werdegang von fünf Jugendlichen, wobei laut Milsztein die endgültige Auswahl erst am Ende des Projektjahrs, im Schneideraum getroffen wurde. Zu Beginn des Filmes sieht der Zuschauer einen jungen Mann vollgepackt den Weg in eine Jugendstrafanstalt zurücklegen: Eftal muss zunächst seine persönlichen Sachen abgeben. Dann wird er in eine Zelle geführt. Die einzige Alternative zum Absitzen der Jugendstrafe besteht in seiner Mitarbeit in der Jugendmaßnahme der „Work and Box Company“. Im Eingangsgespräch wird ihm (und gleichzeitig dem Zuschauer) erklärt, was ihn in diesen zwölf Monaten erwartet. Dann sitzt er zusammen mit den anderen 16- bis 21-jährigen Marco, Denis, Juan und Josef in einer Vorstellungsrunde. Am Ende des Jahres werden die meisten von ihnen einen Schulabschluss geschafft oder einen Lehrvertrag bekommen haben. Nur bei einem von ihnen wird der Weg in dieselbe Jugendstrafanstalt, in die Zelle führen, die der Zuschauer zu Beginn gesehen hatte.

„Friedensschlag“ findet seinen Rhythmus in der Aufeinanderfolge der vier Jahreszeiten, die parallel zu den Veränderungen bei den Teilnehmern verläuft. Als roter Faden zieht sich aber durch den Film insbesondere der Boxkampf, bei dem die Jungen vor allem mit sich selbst konfrontiert werden, ihre eigenen Verletzungen aufarbeiten müssen. Bezeichnend ist etwa dabei die anfängliche Weigerung Eftals zu boxen. Vor der Kamera erzählt er den Grund: „Ich weiß, warum ich Boxen nicht mag. Weil mein Vater Profiboxer war. Wenn er geschlagen hat, hat er mir keine g'scheite Watsch'n gegeben, er hat mit der Faust zugeschlagen.“ Für diese Jungen gehört Gewalt zum Leben. Entsprechend ruppig ist der Umgangston, vor allem am Anfang. In Sätze wie „Fass mich nicht an, alter Mann!“ setzen sie ihre Aggressionen um. Mit unendlicher Geduld, aber auch mit unerbittlicher Strenge halten Rupert Voß, Werner Makella und ihre Mitarbeiter dagegen, suchen immer wieder das Gespräch mit den Jugendlichen.

Parallel zu den Bildern einer beobachtenden Kamera, bei denen keine Situation inszeniert wurde, werden Interviews geschnitten. Regisseur Gerardo Milsztein dazu: „Ich wollte, dass die Jungs direkt mit den Zuschauern sprechen, damit sich ihre Ehrlichkeit in diesem geschützten Raum dem Zuschauer direkt, von Auge zu Auge vermittelt.“ Darüber hinaus kommen auch drei Mütter zu Wort. Mit einigen der Väter hatte ebenfalls das Filmteam Kontakt aufgenommen. Keiner von ihnen wollte sich jedoch vor der Kamera äußern.

„Friedensschlag“ ist nicht nur ein sozialpolitisch bedeutender Film, der einen möglichen Ausweg aus der Jugendgewalt dokumentiert. Mit „Friedensschlag“ liefert Gerardo Milsztein außerdem einen ungemein spannenden und filmisch anspruchvollen Film.
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