AGORA - DIE SÄULEN DES HIMMELS | Ágora
Filmische Qualität:   
Regie: Alejandro Amenábar
Darsteller: Rachel Weisz, Max Minghella, Oscar Isaac, Michael Lonsdale, Ashraf Barhom, Sami Samir, Rupert Evans, Richard Durden
Land, Jahr: Spanien 2009
Laufzeit: 127 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: U, G +
im Kino: 3/2010


José García
Foto: Tobis

In der berühmten Bibliothek von Alexandria lehrt im Jahre 391 die Philosophin und Astronomin Hypatia (Rachel Weisz), die Tochter des Bibliotheksleiters Theon (Michael Lonsdale). Zu Hypatias Schülern gehören sowohl Heiden als auch Juden und Christen. Auf dem Marktplatz, der Agora, werden die Christen jedoch immer zahlreicher. Nach blutigen Auseinandersetzungen lässt der römische Stadtpräfekt die Bibliothek und das Serapeum genannte Heiligtum für die Christen freigeben. Obwohl Hypatia versucht, möglichst viele Werke aus der Bibliothek zu retten, werden die meisten von ihnen von wütenden Christen zerstört.

Jahre später sind zwei ehemalige Hypatia-Schüler zu Ehren gekommen: Orestes (Oscar Isaac) ist inzwischen Stadtpräfekt in Alexandria und Christ, Synesios (Rupert Evans) Bischof einer kleinen Stadt geworden. Der neue Bischof von Alexandria Kyrill (Sammy Samir) stellt sich allerdings als machtbesessener Fanatiker heraus, der Heiden und Juden aus der Stadt verjagt. Hypatia ist ihm nicht nur als Philosophin, die ihre Kenntnisse selbst immer wieder in Frage stellt, sondern überhaupt als Frau ein Dorn im Auge. Schließlich wird Hypatia Opfer eines von Kyrill selbst angezettelten Anschlags. Sie wird von der fundamentalistischen Bruderschaft der Parabolani in der Kirche ermordet.

Regisseur Alejandro Amenábar versteht es, die antike Stadt wieder erstehen zu lassen. Das Produktionsdesign erweckt in keinem Augenblick den Eindruck, dass sie am Computer erzeugt worden wäre. Die hervorragende Kameraführung lässt den Zuschauer einerseits am Geschehen unmittelbar teilnehmen, andererseits einen guten Überblick über Alexandria einschließlich Weltwunder Leuchtturm auf der Insel Pharos gewinnen. Die hin und wieder eingestreuten Weltall-Bilder, die sich ebenfalls von den Google Earth-Einstellungen der meisten Filme wohltuend abheben, weisen auf die astronomischen Studien Hypatias hin. Denn „Agora – Die Säulen des Himmels“ handelt auch von der Revision des Ptolemäischen Weltbildes durch die alexandrinische Philosophin und von deren Entdeckung der elliptischen Planetenbahnen.

Gibt sich der Regisseur darin größte Mühe, so zeichnet Amenábar die Figuren mit groben Pinselstrichen: Hypatia ist insbesondere anfangs weiß gekleidet, die Christen treten Taliban-ähnlich als dunkel gewandelte Bartträger auf. Sie sind der Inbegriff der menschenverachtenden Fanatiker, die es auf Andersdenkende abgesehen haben, die jede Vernunft unterdrücken. Jeder Ansatz, gemäßigte Christen, etwa Synesios, von den Fundamentalisten zu unterscheiden, wird im Keim erstickt.

In „Agora – Die Säulen des Himmels“ verbreitet Alejandro Amenábar seine eigene Sicht der Welt, die er in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ folgendermaßen ausführte: „Kosmologie war ja auch ein Zweig der Philosophie, keine Religion. Die kosmologische Hauptthese lässt sich sehr einfach zusammenfassen: Man darf Gott nicht vorschreiben, was er tun und lassen soll, wie das die Religionen implizit tun.“

Amenábars Interpretation steht und fällt inhaltlich mit seiner Gewichtung der spärlichen Quellen. So legt der chilenisch-spanische Regisseur dar: „Hypatia starb aus zwei Gründen: zum einen, weil sie sich nicht taufen lassen wollte, zum anderen, weil sie eine Frau war.“ Im Film untermauert der Regisseur die angeblich frauenfeindliche Haltung des Christentums mit einer hochdramatischen Szene, bei der Bischof Kyrill den 1. Timotheus-Brief zitiert: „Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren lassen. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten.“ Demgegenüber heißt es im Film jedoch ausdrücklich, dass Hypatia gerade deshalb nicht heiratete, damit sie – in ihrer heidnischen Gesellschaft – keinem Mann untertan sei.

Auch für die andere Aussage Amenábars, Hypatia sei ermordet worden, weil sie keine Christin werden wollte, gibt es keinen historischen Beweis. Gestützt auf die wenigen Quellen, insbesondere auf die Kirchengeschichte ihres Zeitgenossen Sokrates Scholastikos (380-440), geht die moderne Forschung davon aus, dass Hypatia zwischen verschiedene Fronten geriet. Sie wurde Opfer der Machtkämpfe zwischen dem weltlichen Stadtoberhaupt, dem Statthalter Orestes (der aber ein Christ war), und Bischof Kyrill von Alexandria. Die Ermordung Hypatias ist gewiss kein Ruhmesblatt etwa für Kyrill. Sie gehört zu den Episoden der Kirchengeschichte, auf welche die Christen nicht stolz sein können – deshalb hat beispielsweise Johannes Paul II. eindrucksvoll um Verzeihung für solche Taten gebeten. Bei der brutalen Ermordung Hypatias spielten allerdings offensichtlich mehr politische als religiöse Gründe eine entscheidende Rolle. Diese werden in Amenábars Film zwar angedeutet. Die Interpretation des Regisseurs, „Agora – Die Säulen des Himmels“ sei „ein Film gegen Fundamentalismus, gegen die Haltung, Andersdenkende für ihr Denken zu töten“, weswegen man darin „natürlich einen antichristlichen Film sehen“ könne, greift deshalb viel zu kurz. Auch die im Film gebotene Sicht auf die Verwüstung des Serapeums stellt sich als allzu schablonenhaft heraus. Die Zerstörung wurde von Kaiser Theodosius I. befohlen, nachdem sich dort heidnische Fanatiker verschanzt, Christen zum Opfern gezwungen und angeblich mehrere von ihnen ermordet hatten. Auch deswegen erweist sich die in „Agora“ verbreitete These, die Religionen im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen seien die Feinde der Vernunft und der Menschlichkeit, als schlichtweg tendenziös.
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