AUSNAHMESITUATION | Extraordinary Measures
Filmische Qualität:   
Regie: Tom Vaughan
Darsteller: Brendan Fraser, Harrison Ford, Keri Russell, Meredith Droeger, Diego Velazquez, Sam M. Hall
Land, Jahr: USA 2010
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Dramen
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 3/2010
Auf DVD: 7/2010


José García
Foto: Concorde

Im Jahre 1992 beschrieb der australische Regisseur George Miller in „Lorenzos Öl“ nach einer wahren Geschichte den Kampf der Eheleute Odone gegen die degenerative Krankheit, an der ihr Sohn Lorenzo mit sechs Jahren erkrankt war. Das zweifach für den Oscar nominierte, ergreifende Drama konzentrierte sich insbesondere auf den Kampf der Eltern gegen die Krankheit.

Der nun anlaufende Spielfilm „Ausnahmesituation“ („Extraordinary Measures“) von Tom Vaughan schildert einen ähnlich gelagerten, den authentischen Fall der Familie Crowley. Das Drehbuch verfasste Robert Nelson Jacobs nach der 2006 erschienen Sachbuchvorlage „The Cure“ von Geeta Anand. Darin beschrieb die Pulitzer-Preisträgerin die Lebensgeschichte von John Crowley, der im Jahre 1998 seine vielversprechende Arbeitsstelle aufgab, um sich dem Kampf gegen „Morbus Pompe“ zu verschreiben, nachdem bei zwei seiner Kinder diese neuromuskuläre Erbkrankheit diagnostiziert wurde.

„Ausnahmesituation“ zeigt in seiner Exposition den erfolgreichen Geschäftsmann John Crowley (Brendan Fraser), der große Fortschritte auf der Karriereleiter macht. Crowley liebt seine Frau Aileen (Keri Russell) und seine drei Kinder – eine amerikanische Familie wie aus dem Bilderbuch, die im überlangen Vorspann wortwörtlich in ein goldenes Licht gerückt wird. Die Idylle bekommt jedoch bald Risse, als die zwei jüngsten Kinder Megan und Patrick an Morbus Pompe erkranken. Nachdem sich Megans Zustand dramatisch verschlechtert, kündigt John seinen Job, um sich ausschließlich um die Erforschung eines neuen Medikaments zu kümmern. Zusammen mit seiner Frau Aileen konzentriert sich John auf die Suche nach Spendengeldern. Bei seinen Internetrecherchen stößt er auf Dr. Robert Stonehill (Harrison Ford), einen brillanten, aber unkonventionellen Wissenschaftler, den John zur Gründung einer Biotech-Firma zur Entwicklung eines Medikamentes gegen Morbus Pompe überreden kann.

Die fiktive Figur des Dr. Stonehill setzt sich aus den unterschiedlichen Wissenschaftlern zusammen, mit denen John Crowley im Laufe der Jahre in Berührung kam. Die Einführung einer fiktiven Figur hat nicht nur mit der notwendigen Vereinfachung in einem Filmdrehbuch zu tun. Sie erlaubt dem Regisseur darüber hinaus, im Konflikt zwischen den beiden, von verschiedenen Motiven getriebenen Männern die dramaturgische Mitte der Filmhandlung anzusiedeln. Denn der eine will seine Familie retten, der andere die Richtigkeit seiner Forschungen unter Beweis stellen.

Im Gegensatz etwa zu „Lorenzos Öl“ richtet „Ausnahmesituation“ sein besonderes Augenmerk denn auch auf die Beziehungen zwischen den zwei ungleichen Männern. Schon die äußere Erscheinung macht den Unterschied deutlich: Tritt John in Anzug und Krawatte auf, so ist der Wissenschaftler stets mit Jeans und offenem Kragen gekleidet. Und bei seinen Forschungen hört er am liebsten überlaute Musik aus seiner Stereoanlage. Ihre verschiedenen Auffassungen zeigen sich aber auch in den Verhandlungen mit Geldgebern. Geht John auf die Bitten der potentiellen Kreditgeber mit Geschäftsplänen ein, so fühlt sich der exzentrische Forscher in seiner Freiheit eingeschränkt.

„Ausnahmesituation“ unterscheidet sich von „Lorenzos Öl“ aber auch durch seine recht plakative Bildsprache, die an manchen Stellen sogar auf dick aufgetragenes Pathos zurückgreift, so etwa bei einer Versammlung der Betroffenen am Sitz des Pharmaunternehmens. Die Kritik an einer Pharmaindustrie, die nur an der Entwicklung von profitablen Arzneimitteln interessiert ist, wird hingegen kaum angedeutet. Tom Vaughans Film konzentriert sich freilich vielmehr auf zwei uramerikanische Themen: auf die Bedeutung der Familie und auf den Kampf von zwei Männern gegen ein ganzes System. „Ausnahmesituation“ – und darin stimmt er mit George Millers „Lorenzos Öl“ überein – verdeutlicht letztendlich die Kraft der Liebe und der Hoffnung.

Unerwähnt bleibt allerdings im Film, dass bei seinem Kampf gegen die Krankheit der Katholik John Crowley in seinem Glauben eine entscheidende Stütze fand. Auch der holländische Wissenschaftler Johannes C. Pompe (1901 bis 1945), der im Jahre 1936 über die später nach ihm benannte Erkrankung promovierte, war ein gläubiger Katholik.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren