SCHACHSPIELERIN, DIE | Joueuse
Filmische Qualität:   
Regie: Caroline Bottaro
Darsteller: Sandrine Bonnaire, Kevin Kline, Francis Renaud, Jennifer Beals, Valérie Lagrange, Alexandra Gentil
Land, Jahr: Frankreich/Deutschland 2009
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 1/2010
Auf DVD: 6/2010


José García
Foto: Concorde

Der französische Regisseur Martin Provost zeichnete kürzlich in „Séraphine“ (siehe Filmarchiv) das Porträt einer Frau aus der untersten Gesellschaftsschicht, deren zunächst verkanntes Talent von einem deutschen Kunstsammler gefördert wurde.
Die Parallelen zu dem nun anlaufenden Langfilm-Regiedebüt von Caroline Bottaro „Die Schauspielerin“ („Joueuse“) sind verblüffend, obwohl „Séraphine“ auf einer wahren Geschichte, „Die Schauspielerin“ jedoch auf dem gleichnamigen Roman von Bertina Henrichs basiert. Denn im Mittelpunkt von Bottaros Film steht ebenfalls eine Frau aus einfachen Verhältnissen, die mit Hilfe eines deutschen Schöngeistes ihre Begabung für das Schachspiel entdeckt.

Hélène (Sandrine Bonnaire) lebt zusammen mit ihrem Mann Ange (Francis Renaud) und der fünfzehnjährigen Tochter Lisa (Alexandra Gentil) in einem kleinen idyllischen Dorf auf Korsika. Sie arbeitet als Zimmermädchen in einem Hotel sowie als Putzfrau beim sehr zurückgezogen lebenden deutschen Dr. Kröger (Kevin Kline). Die ersten Szenen des klassisch inszenierten Filmes zeigen eine Frau, die mit ihrem bescheidenen, in gewohnten Bahnen verlaufenden Leben zufrieden ist.

Das ändert sich schlagartig, als Hélène im Hotel ein ausländisches Paar beim Schachspiel auf der Terrasse beobachtet. Die in ein warmes, goldenes Licht getauchte romantische Szene bringt in der nicht mehr ganz jungen Frau eine unbekannte oder längst vergessene Saite zum Schwingen. Hélène setzt sich in den Kopf, dieses ihr fremde Spiel zu erlernen. Deshalb schenkt sie ihrem Mann zum Geburtstag ein Computer-Schachspiel, mit dem er allerdings nichts anfangen kann. Sie aber beginnt, damit nächtelang zu üben. In Dr. Krögers Haus entdeckt sie darüber hinaus ein Schachbrett. Nach anfänglichem Zögern erklärt sich der pensionierte Arzt bereit, Hélène das Königsspiel beizubringen. Bald erkennt er ihre Begabung und unterstützt sie in ihrem Vorhaben, an einem Amateurwettbewerb teilzunehmen.

Regisseurin Caroline Bottaro setzt das Schachspiel als Katalysator für Hélènes Wandeln ein. Denn sie findet im Spiel eine neue Leidenschaft, die bislang in ihrem Leben offenbar fehlte. Die Kehrseite der Medaille besteht aber darin, dass sie ihre häuslichen Pflichten vernachlässigt. So vergisst Hélène einmal, ihre Tochter vom Schulausflug abzuholen. Das so arbeitsame und fügsame Zimmermädchen schlägt sogar einem Angebot der Hotelbesitzerin aus, Überstunden zu machen.

Schwerwiegender als etwa das Gerede im Dorf nimmt sich aber die Entfremdung von ihrem Mann aus. Denn Ange sieht machtlos zu, wie er den Zugang zu seiner Frau nach und nach verliert, weil er ihr erneuertes Selbstwertgefühl gar nicht einordnen kann. Dass sich Hélène von Dr. Kröger angezogen fühlt, weil sie sich bei ihm verstanden fühlt, macht die Lage nicht gerade einfacher. Aber natürlich bleibt sie ihrem Mann treu, dessentwegen sie vor Jahren auf die Insel zog. Erst nachdem sich Ange für die Leidenschaft ihrer Frau einfach interessiert, kann die Ehe wieder ins Lot kommen.

Sowohl eine Kameraführung, die den Film in ein helles Licht taucht, als auch die Filmmusik von Nicola Piovani mit ihren Anklängen an dessen Kompositionen für Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ (1997) bringen eine Art magischen Realismus in die Inszenierung, wodurch der Film einen märchenhaften Charakter annimmt.

Dies hilft über gewisse Unglaubwürdigkeiten des Drehbuchs hinweg. Denn obwohl Sandrine Bonnaire stets überzeugend agiert und Kevin Klines zurückgenommenes Spiel die Konzentration auf die Hauptdarstellerin lenkt, kann „Die Schachspielerin“ wohl kaum als realistische Story angesehen werden. Denn im Gegensatz zum künstlerischen Talent einer „Séraphine“ ist die Meisterschaft im Schachspiel, die Hélène in kürzester Zeit erlangt, kaum vorstellbar. Obwohl gegen Ende das im ruhigen Rhythmus beschriebene Psychogramm einer schnell inszenierten und eher einfachen Erfolgsgeschichte Platz macht, verstärkt dies die märchenhafte Anmutung von Caroline Bottaros Spielfilmdebüt.
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