VATERSPIEL, DAS | Das Vaterspiel
Filmische Qualität:   
Regie: Michael Glawogger
Darsteller: Helmut Köpping, Sabine Timoteo, Ulrich Tukur, Christian Tramitz, Itzhak Finzi, Samuel Finzi, Michou Friesz, Otto Tausig
Land, Jahr: Deutschland / Österreich / Frankreich 2008
Laufzeit: 117 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: D, X
im Kino: 11/2009


José García
Foto: Alamode Film

Literaturverfilmungen gehören zu den angestammten Kino-Genres. Dass viele Kino-Adaptionen bekannter Romane bei der bloßen Bebilderung der Vorlage bleiben, ohne einen künstlerischen Mehrwert erkennen zu lassen, ist ein offenes Geheimnis – als letztes Beispiel dafür sei Sönke Wortmanns „Die Päpstin“ (siehe Filmarchiv) genannt. Bei der Verfilmung eines zeitgenössischen Romans kommt eine besondere Schwierigkeit hinzu: Die verschiedenen Erzählebenen, aus denen oft zeitgenössische Literatur besteht, auf der Leinwand stringent miteinander zu verknüpfen. Dem muss sich auch der österreichische Drehbuchautor und Regisseur Michael Glawogger in seinem neu anlaufenden Spielfilm „Das Vaterspiel“ stellen, der auf dem gleichnamigen Roman von Josef Haslinger basiert.

„Das Vaterspiel“ erzählt auf zwei Zeitebenen: Im Mittelpunkt einer im Jahre 1999 angesiedelten Handlung steht der 35-jährige Rupert „Ratz“ Kramer (Helmut Köpping), Sohn eines sozialdemokratischen österreichischen Ministers (Christian Tramitz). Als ewiger Student verbringt Ratz die Nächte vor dem Computer bei der Entwicklung eines Gewalt-Videospiels namens „Das Vaterspiel“, bei dem es um die Tötung des eigenen Vaters geht.

In einer anderen Handlung, die im 1959 spielt, gibt der eigens aus den Vereinigten Staaten angereisten Jonas Shtrom (Ulrich Tukur) in einem schmucklosen (Polizei- oder Gerichts-)Büro in Ludwigsburg die Geschichte seines in Litauen ermordeten jüdischen Vaters zu Protokoll. In nüchternen Monologen erzählt Shtrom von seiner Kindheit in den dreißiger Jahren, insbesondere von seinem Klassenkameraden Algis Munkaitis, der während der Nazi-Besetzung an der Vertreibung und Tötung der litauischen Juden mitwirkte, und auch Jonas Shtroms Vater zu Tode schlug.

Wie die beiden Erzählstränge miteinander verknüpft sein sollen, bleibt dem Zuschauer zunächst verborgen. Eine erste Ahnung bekommt er aber, als Ratz von seiner Ex-Freundin Mimi (Sabine Timoteo) einen Anruf aus New York erhält. Die junge Frau bittet ihn, unverzüglich nach Long Island zu kommen. Weil er ihr keine Bitte abschlagen kann, macht sich Ratz sofort auf den Weg. Im Gepäck hat er auch sein Computerspiel dabei, in der Hoffnung, es in New York verkaufen zu können. Erst nach der Ankunft erfährt der orientierungslose Mann den wahren Grund für Mimis Anruf: Er soll einen Keller renovieren, in dem sich Mimis Großvater (Itzhak Finzi) seit 32 Jahren versteckt. Denn er steht im Verdacht, während des Krieges in Litauen am Judenmassenmord beteiligt gewesen zu sein.

„Das Vaterspiel“ ist ein ungemein komplexer Film, denn zu den zwei Hauptsträngen gesellen sich noch jeweils Rückblenden, die noch weitere Zeitebenen in den Film hineinfügen. Michael Glawogger erzählt in einer jeweils anderen Bildsprache parallel von drei auf den ersten Blick voneinander getrennten Familien. Darin offenbart sich eine zwei-, gar dreifache Vater-Sohn-Beziehung, ein zweifacher Generationenkonflikt. Denn Mimi und Ratz vertreten die Enkel-Generation: Ist sie die Enkelin eines Massenmörders, so wurde Ratz’ Großvater (Otto Tausig) im KZ Dachau interniert.

In seinem Film setzt sich Glawogger nicht nur mit der Nazi-Vergangenheit auseinander. Ohne einfache Antworten liefern zu wollen, fragt er nach der angemessenen Reaktion: „Auf der einen Seite empört man sich bei dem Gedanken, wie viele Menschen dieser Kriegsverbrecher umgebracht hat?“, führt der Regisseur dazu aus. „Was heißt es, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen? In welcher Form soll man einen Menschen zur Rechenschaft ziehen, der Hunderte von Menschen umgebracht haben? Ist es nicht eine Illusion, zu glauben, dass es irgendeine Instanz gibt, die so eine Sache noch in irgendeine Form von Gerechtigkeit überführen kann?“ – mit diesen Fragen drückt Michael Glawogger die Ambivalenz aus, die seine Annäherung an dieses Sujet kennzeichnet.

Obwohl die Verknüpfung der unterschiedlichen Handlungsstränge wegen nicht immer nachvollziehbarer Sprünge nicht ganz glückt, beeindruckt„Das Vaterspiel“ deshalb, weil Glawoggers Film moralische Fragen nach Reue und Verstocktheit, nach Schuld und Sühne, aber auch nach dem Umgang zwischen den Generationen sowie über zerrüttete Familienverhältnisse und über Gewalt verherrlichende Computerspiele stellt.
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