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José GarcÃa Foto: pandastorm Fast ein halbes Jahrhundert stand âKatynâ für eine beispielslose Geschichtsfälschung. In den Wäldern von Katyn, etwa 20 Kilometer westlich vom russischen Smolensk, wurden im April 1940 mehr als 22 000 polnische Offiziere und Intellektuelle von der Roten Armee ermordet und in Massengräbern verscharrt. Als 1943 deutsche Soldaten die Massengräber entdeckten, nutzte zwar kurzfristig die NS-Propaganda den Massenmord für ihre Zwecke aus, aber nach der Rückeroberung Polens durch die Rote Armee wurde das Massaker den Deutschen angelastet. Während des Kalten Krieges wurde die Wahrheit unterdrückt, erst 1990 gestand Michail Gorbatschow die Alleinschuld der Sowjetunion am âMassaker von Katynâ ein. Im Juli 2000 weihten Russen und Polen gemeinsam in dem weiÃrussischen Dorf Katyn eine Gedenkstätte ein. Unter den Opfern des Massakers befand sich auch der Vater des 1926 geborenen Regisseurs Andrzej Wajda, der zu den bedeutendsten polnischen Filmemachern der letzten fünfzig Jahre zählt und im Jahr 2000 mit einem Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Andrzej Wajda hat nun das Drama verfilmt. Wajdas âDas Massaker von Katynâ wurde bei der Berlinale 2008 auÃer Konkurrenz gezeigt. Der Film, der in Polen im Jahre 2007 mehr als 3 Millionen Besucher anziehen konnte, und 2008 für den Oscar als bester nichtenglischsprachiger Film nominiert wurde, läuft nun im deutschen Kinoprogramm an. Bereits die erste Szene besitzt symbolischen Charakter. Auf einer Brücke treffen zwei Gruppen polnischer Flüchtlinge aufeinander: Die einen fliehen vor der im September 1939 einrückenden deutschen Wehrmacht, die anderen versuchen, der Roten Armee zu entkommen. Polen wird zwischen zwei Fronten aufgerieben. Unter den Flüchtenden befindet sich auch Anna (Maja Ostaszewska), die mit ihrer Tochter Nika aus Krakau angereist ist, um ihren Mann Andrzej zu suchen. Andrzej (Artur Zmijewski) wird zusammen mit anderen Offizieren, etwa seinem besten Freund Jerzy (Andrzej Chyra) mit Zustimmung der deutschen Soldaten von den Russen festhalten. Sie sollen nach Russland deportiert werden. Anna und Andrzej werden sich nicht wiedersehen. Andrzejs Vater (Wladyslaw Kowalski) ist Professor an der Krakauer Universität. Am 6. November 1939 macht er sich auf den Weg zur Universität auf, wo SS-Mann Dr. Müller vor versammelter Professorenschaft einen Vortrag halten soll. Kurzer Inhalt des zynischen âVortragsâ: Die Universität wird geschlossen, alle Professoren werden verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Nach einem Zeitsprung von drei Jahren meldet die deutsche Wochenschau im besetzten Polen im April 1943 die Entdeckung von Massengräbern mit Tausenden erschossenen polnischen Offizieren. Nach dem Ende des Krieges schreiben die Sowjets die Geschichte neu: Das Massaker soll erst 1941 stattgefunden haben, nachdem die Wehrmacht ganz Polen unterjocht hatte, so dass der Massenmord deutschen Soldaten in die Schuhe geschoben werden konnte. Mit zwei Nebenhandlungssträngen verdeutlicht Regisseur Wadja die Unterdrückung der Wahrheit in der Volksrepublik Polen: Agnieszka (Magdalena Cielecka), die Schwester eines Piloten, der zu den Opfern von Katyn gehörte, besteht darauf, dass auf dessen Grabstein das Datum âApril 1940â stehen soll. Sie wird verhaftet, der Grabstein zertrümmert. Annas Neffe Tadzio, der nach Jahren nach Krakau zurückgekehrt ist, stellt sich in der Hochschule vor. Die Einschreibung verläuft reibungslos, bis die akademischen Behörden in Tadzios Lebenslauf den Eintrag entdecken, sein Vater sei 1940 in Katyn von der Roten Armee ermordet worden. Die Immatrikulation könne nur stattfinden, wenn er dies ändere, wird Tadzio eröffnet. Andrzej Wadja setzt einen Kunstgriff ein, um den Massenmord im April 1940 zu rekonstruieren. Dies kommt der Dramaturgie zugute, die auf das zentrale Ereignis hin aufgebaut ist. Nicht so glücklich nimmt sich etwa die episodenhafte Handlung aus, die sich teilweise in Nebenhandlungen verliert, und der es an einer zentralen Figur mangelt. Dadurch macht allerdings Regisseur Wajda deutlich, dass es ihm vor allem auf das historische Ereignis, auf die Aufarbeitung einer langen unterdrückten geschichtlichen Wahrheit ankommt. Dass er dabei mit symbolisch überfrachteten Bildern oder auch mit der Untermalung des Massakers mit Krzysztof Pendereckis âPolnischem Requiemâ etwas über die Stränge schlägt, schmälert zwar die künstlerischen Qualitäten seines Filmes. Aber dies tut dem historischen Wert keinen Abbruch. âDas Massaker von Katynâ setzt den Opfern ein bewegendes filmisches Denkmal, das zum Nationalepos avancieren könnte. |
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