INGLOURIOUS BASTERDS | Inglourious Basterds
Filmische Qualität:   
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Brad Pitt, Christoph Waltz, Mélanie Laurent, Diane Kruger, Eli Roth, Daniel Brühl, Samm Levine, Eli Roth, B.J. Novak, Til Schweiger, Mike Myers, Martin Wuttke
Land, Jahr: USA / Deutschland 2009
Laufzeit: 154 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +++, X
im Kino: 8/2009
Auf DVD: 12/2009


José García
Foto: Universal

Der 1963 geborene Drehbuchautor und Regisseur Quentin Tarantino wurde mit „Pulp Fiction“ (1994) einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Wenn auch sein erfindungsreicher Umgang mit den filmischen Erzählstrukturen bereits in seinem Spielfilmdebüt „Reservoir Dogs“ (1991/92) offenkundig wurde, gilt sein Erstlingswerk eher als Fingerübung für die Revolution filmischer Erzählmuster, die „Pulp Fiction“ entfachte.

Die nichtlineare Erzählweise, die Quentin Tarantino in „Pulp Fiction“ anwandte, wurde mehrfach nachgeahmt – auch von ihm selbst, etwa im zweiteiligen Film „Kill Bill“ (2003 und 2004), in dem sich die Zeit ständig vor- und zurückzudrehen scheint. Die durch weiße und gelbe Zwischentitel erfolgte Kapitelunterteilung suggeriert, dass „Kill Bill“ eine ausgefallene Dramaturgie besitzt. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich diese jedoch als reines Spiel mit den Sehgewohnheiten des Kinozuschauers.

Die Vorliebe Tarantinos, Spielfilme in Kapitel einzuteilen, behält der Regisseur in seinem aktuellen Film „Inglourious Basterds“ bei. In fünf Kapiteln erzählt Tarantinos neuer Spielfilm zwei Geschichten, die zunächst parallel verlaufen, und erst im Schlusskapitel dramaturgisch überzeugend miteinander verschmelzen.

Es ist einerseits die Geschichte der Shosanna Dreyfus (Mélanie Laurent), die im Jahre 1941 im von den Nazis besetzten Frankreich miterleben muss, wie ihre Familie vom „Judenjäger“ SS- Oberst Hans Landa (Christoph Waltz) ausgelöscht wird. Im zweiten Erzählstrang stellt Leutnant Aldo Raine (Brad Pitt) eine Gruppe jüdisch-amerikanischer Soldaten zusammen, die hinter den feindlichen Linien auf deutsche Soldaten Jagd machen und sie skalpieren sollen. Die deutsche Schauspielerin und Geheimagentin Bridget von Hammersmark (Diane Kruger) soll die titelgebenden „ e“ in die Filmpremiere des neuen Nazi-Propagandafilms, „Der Stolz der Nation“ einschleusen, die 1944 in Anwesenheit aller Nazi-Größen einschließlich Joseph Goebbels (Sylvester Groth) und Adolf Hitler (Martin Wuttke) in einem Pariser Kino stattfinden wird. Das für die Nazi-Propagandaveranstaltung ausgesuchte Lichtspieltheater wird von der inzwischen in Paris unter falschem Namen lebenden Shosanna betrieben, was ihr ebenfalls die Gelegenheit liefert, ihren Rachefeldzug in die Tat umzusetzen.

Dass es sich bei „Inglourious Basterds“ nicht um einen landläufigen Kriegsfilm handelt, wird bereits zu Beginn bei der Einblendung „Es war einmal im besetzten Frankreich 1941“ deutlich. Der neue Tarantino-Film ist eine reine Märchenphantasie, die zu dem „Was wäre, wenn“-Genre gehört – wie etwa Steven Frys Roman „Geschichte machen“(1997), in dem durch eine Zeitreise die Geburt Adolf Hitlers verhindert wird. „Inglourious Basterds“ ist jedoch in erster Linie ein in einen Kriegsfilm verkleideter Italo-Western. Dies verdeutlichen nicht nur etliche Bildeinstellungen, angefangen bei der Eingangssequenz, sondern insbesondere auch der mit mehreren Ennio Morricone-Titeln gespickte Soundtrack, der wie in allen Tarantino-Filmen eine zentrale Rolle spielt. Sogar der erwähnte „Es war einmal...“ liest sich ebenfalls als Hommage an Sergio Leones „C’era una volta il West“ („Spiel mir das Lied vom Tod“, 1968).

„Inglourious Basterds“ ist jedoch vor allem eins: eine Liebeserklärung an das Kino. War Quentin Tarantino bislang bereits für seine Anspielungen auf zahlreiche Filmgenres, für seine Aneignung von Versatzstücken und Zitaten aus der Filmgeschichte bekannt, so erweitert er in seinem aktuellen Film den Zitatenschatz mit dem deutschen Film der zwanziger Jahre weiter. Im Subtext von „Inglourious Basterds“ spielt nicht nur „Die weiße Hölle von Piz Palü“ (Arnold Fanck und Georg Wilhlem Pabst, 1929) eine herausragende Rolle. Hier tritt nicht nur Emil Jannings kurz auf und wird etwa auch Pola Negri zitiert. Darüber hinaus ist die Liebe des Regisseurs zum klassischen Kino auch in Details, etwa im Kleben eines Filmes, im Vorführen mit den guten, alten Projektoren, im Exkurs über den Nitrofilm, und nicht zuletzt in dem Gedanken zu erkennen, dass sein fiktiver Sieg über die Nazis über das Kino errungen wird: „Mir gefällt, dass es die Macht des Kinos ist, die hier die Nazis bekämpft. Aber nicht als eine Metapher, sondern eine buchstäbliche Realität“ (Quentin Tarantino).

Was hat dies alles mit der historischen Wahrheit zu tun? Auf den ersten Blick wenig. Wahrscheinlich werden viele Zuschauer sowohl an der übermäßigen, expliziten Gewalt des Filmes als auch an der respektlosen Art Anstoß nehmen, mit der Quentin Tarantino mit Geschichte umgeht. Dennoch: Das gehässige Lachen des Martin Wuttke-Adolf Hitlers beim Betrachten, und sei es nur im Film, wie amerikanische Soldaten erschossen werden, oder auch der mit den besten Manieren des Bildungsbürgers und einer akkuraten Ordnungsliebe gepaarte Sadismus des SS-Obersts erzählen künstlerisch frei ebenfalls eine historische Wahrheit.
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