ICH HABE SIE GELIEBT | Je l’aimais
Filmische Qualität:   
Regie: Zabou Breitman
Darsteller: Daniel Auteuil, Marie-Josée Croze, Florence Loiret Caille, Christine Millet, Geneviève Mnich, Winston Ong, Woon Ling Hau, Olivia Ross, Ysée Dumay Duteil
Land, Jahr: Frankreich 2009
Laufzeit: 115 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 7/2009
Auf DVD: 2/2010


José García
Foto: Concorde

Nach der Verfilmung von Anna Gavaldas Erfolgroman „Zusammen ist man weniger allein“ („Ensemble, c’est tout“, siehe Filmarchiv) wird nun ihr erster, 2002 erschienener Roman „Je l’aimais“ (deutsch „Ich habe sie geliebt“, 2003) für die große Leinwand adaptiert. Auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen erzählt der Spielfilm „Ich habe sie geliebt“ von einer doppelten unglücklichen Liebe in zwei verschiedenen Generationen.

Der etwa 60-jährige Pierre (Daniel Auteuil) handelt sofort. Als sein Sohn Adrien dessen Frau Chloé (Florence Loiret Caille) verlässt, nimmt der Unternehmer aus Paris kurzerhand seine Schwiegertochter zusammen mit deren beiden kleinen Töchtern in sein Landhaus in den Bergen mit. Das Wetter ist frostig, die Tage und vor allem die Abende lang. Chloé sitzt apathisch in der Hütte, Pierre besorgt den Haushalt und kümmert sich um seine Enkelinnen. Die Kommunikation zwischen Schwiegervater und Schwiegertochter beschränkt sich mangels Gesprächsthemen auf das Allernötigste.

Erst die Kochversuche Pierres, vor allem aber Chloés Wutausbruch schaffen eine Vertrauensatmosphäre, bei der es der 60-Jährige endlich fertig bringt, über ein gut behütetes Geheimnis zu sprechen. Um seine Schwiegertochter zu trösten, gesteht ihr Pierre seine längst vergangene, unerfüllte Liebe zur jüngeren Mathilde (Marie-Josée Croze).

In Rückblenden erzählt nun Regisseurin Zabou Breitman nach einem von ihr selbst gemeinsam mit Agnès de Sacy verfassten Drehbuch von dieser „amour fou“: Irgendwann einmal in den neunziger Jahren führte ein Geschäftstermin Pierre nach Hongkong, wo er auf die Dolmetscherin Mathilde traf. Obwohl sie sich auf den ersten Blick verliebten, blieb es zunächst bei einem flüchtigen Kuss. Erst als Monate später Mathilde in Pierres Pariser Büro erscheint, beginnen sie eine leidenschaftliche Affäre.

Über mehrere Jahre hinweg führt nun Pierre ein Doppelleben. Denn er lebt weiterhin in Paris zusammen mit seiner Frau Suzanne (Christiane Millet) und seinen beiden Kindern, während sich Mathilde in London niederlässt. Sie legt Spielregeln für ihr Verhältnis fest: Pierre soll spontan Treffpunkte vorschlagen, die allerdings möglichst weit entfernt von deren Wohnsitzen liegen sollen. Wenn sie sich frei machen kann, fährt sie dorthin. Dann verbringen sie ein paar Tage zusammen, ehe das normale Leben sie wieder trennt.

Wie lange Pierre und Mathilde dieses besondere „Abkommen“ durchhalten, bleibt in Zabou Breitmans Film offen. Irgendwann einmal kommt es indes zu einem Scheidepunkt: Pierres Frau Suzanne will sich von ihm scheiden lassen. Mathilde wird schwanger. Doch Pierre ist zu keiner Entscheidung fähig. Er wird einfach krank, und wird von seiner Frau fürsorglich gepflegt. Pierre bringt es nicht über sich, seine Frau und sein in ruhigen Bahnen verlaufendes Leben zu verlassen – was er viele Jahre später bereuen wird.

Dass eine in der Gegenwart angesiedelte Handlung lediglich den Rahmen für eine in der Vergangenheit stattgefundene Story darstellt, ist im Kino keine Seltenheit, so etwa zuletzt David Finchers „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ (siehe Filmarchiv). Zabou Breitman geht jedoch dadurch ein größeres Wagnis ein, dass ihre vermeintliche Hauptfigur Chloé in den Hintergrund tritt, und sich nun die Nebenfigur Pierre als die Hauptperson herausstellt. Dazu führt die Regisseurin selbst aus: „Normalerweise kann man sich so etwas als Regisseur nicht erlauben, aber genau daher wollte ich es machen. Anfangs ist Chloé die Hauptfigur, aber langsam rückt Pierre durch seine erzählerische und körperliche Präsenz in den Vordergrund.“ Mehr als unter diesem Perspektivwechsel leidet jedoch die Dramaturgie darunter, dass Pierres Charakter kaum eine Entwicklung durchmacht. Darüber hinaus bleibt die Erzählperspektive so sehr auf Pierre fixiert, dass der Zuschauer über Mathilde so gut wie nichts erfährt.

Schwerer als die dramaturgische Schwäche wiegt es jedoch, dass die Protagonisten in ihrem Handeln keine moralischen Maßstäbe zu kennen scheinen. Obwohl der Film einfach die Situation beschreibt, ohne irgend eine Wertung vorzuschlagen, wird es allerdings deutlich, dass die Lage zu keiner befriedigenden Lösung führt: Pierres Ehefrau leidet unter der Distanz und der Untreue ihres Mannes, aber auch die Geliebte gibt sich irgendwann einmal nicht mehr mit dem „Spezialabkommen“ zufrieden. Und Pierre steckt in einer Sackgasse, aus der er aus eigener Kraft nicht mehr herauskommt. Die Dreiecksgeschichte lässt lediglich Verwundungen zurück.
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