KOMMISSAR BELLAMY | Bellamy
Filmische Qualität:   
Regie: Claude Chabrol
Darsteller: Gérard Depardieu, Clovis Cornillac, Jacques Gamblin, Marie Bunel, Vahina Giocante, Marie Matheron, Adrienne Pauly, Yves Verhoeven
Land, Jahr: Frankreich 2009
Laufzeit: 110 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S +, D
im Kino: 7/2009


José García
Foto: Concorde

Sir Alec Guinness hält wahrscheinlich den Rekord darin, in einem einzigen Film die meisten Rollen gespielt zu haben: In Robert Hamers „Adel verpflichtet“ aus dem Jahre 1949 verkörperte er die acht Angehörigen der Familie D’Ascoyne. In nicht ganz so vielen, aber immerhin in drei Rollen ist im nun anlaufenden Film von Claude Chabrol „Kommissar Bellamy“ der französische Schauspieler Jacques Gamblin zu sehen, der zuletzt in „C’est la vie – So sind wir, so ist das Leben“ (siehe Filmarchiv) das Oberhaupt einer fünfköpfigen Familie darstellte.

Die Hauptrolle des Kommissars wurde allerdings Gérard Depardieu auf den Leib geschrieben: Der gewichtige französische Mime verkörpert den Ermittler Paul Bellamy, der während seiner Ferien im südfranzösischen Nîmes, im Haus der Familie seiner Frau Françoise (Marie Bunel) eigentlich seine Ruhe sucht.

Die Zeit der Kreuzworträtsel auf dem bequemen Sessel wird durch einen aufdringlichen unbekannten Besucher jäh unterbrochen. Nachdem dieser von Bellamys Frau weggeschickt wurde, ruft er von einem Hotel aus zu einer ziemlich „unchristlichen Zeit“ an, wie der Kommissar bemerkt. Trotzdem erklärt sich Paul Bellamy bereit, zur vorgerückten Stunde das Haus zu verlassen, und im Hotel den Verzweifelten aufzusuchen.

Der Unbekannte, der Bellamys Hilfe sucht, nennt sich Noël Gentil (Jacques Gamblin). Ein Name, der freilich frei erfunden ist. Denn eigentlich handelt es sich bei ihm um einen Vermissten namens Emil Leullet, der wegen Mordes gesucht wird. Denn Leullet hatte einen Obdachlosen an seiner Stelle in einem Auto die Klippen hinabstürzen lassen, um mit der völlig verkohlten Leiche seinen eigenen Tod vorzutäuschen, und mit dem Geld der Lebensversicherung seine Schulden zu bezahlen. Leullet selbst ließ sein Aussehen durch plastische Chirurgie verändern, um mit seiner Geliebten ein neues Leben anzufangen. Weil Gamblin nicht nur Emil Leullet und Noël Gentil, sondern auch den Obdachlosen spielt, kommt er in „Kommissar Bellamy“ zu einer dreifachen Rolle.

Als Mord will Leullet/Gentil die Tat indes nicht bezeichnen, habe der Obdachlose doch eigentlich Selbstmord begehen wollen. Die verworrene Geschichte, die Gentil dem Kommissar erzählt, hört sich zunächst plausibel an. Der auf dem Papier perfekte Versicherungsbetrug sei allerdings daran gescheitert, dass sich die Geliebte mittlerweile einem anderen Liebhaber zugewandt habe. Die Erfahrung lehrt Kommissar Bellamy jedoch, dass in diesem komplizierten Fall die Wahrheit auch ganz anders liegen könnte.

Alt-Regisseur Chabrol konzentriert sich in seinem 58. Spielfilm in 50 Jahren allerdings nicht nur auf den Kriminalfall. Obwohl der Stand der Dinge immer wieder rekapituliert wird und der Regisseur mit kleineren Überraschungen aufwartet, scheint er zwischendurch sogar das Interesse dafür zu verlieren.

„Kommissar Bellamy“ verknüpft die Krimi-Handlung mit einer dramatischen Familiengeschichte. Denn unvermittelt taucht Bellamys jüngerer Halbbruder Jacques (Clovic Cornillac) auf. Als Alkoholiker und Glückspieler, der nicht einmal davor zurückschreckt, Freunde des Kommissars bei einem gemeinsamen Abendessen zu bestehlen, bringt Jacques das geordnete Leben im Hause Bellamy gehörig durcheinander.

Der insgesamt sehr klassisch inszenierte Spielfilm setzt zwar Rückblenden ein, um die unterschiedlichen Identitäten des Versicherungsbetrügers zu beleuchten. Eher surreal gerät dabei eine Szene, bei der in einer Gerichtsverhandlung der Strafverteidiger ein Chanson von George Brassens singt, um den Richter von der Unschuld des Angeklagten zu überzeugen.

Chabrols Film lässt indes vor allem die Schauspieler und insbesondere Gérard Depardieu im Mittelpunkt stehen, der nicht nur wegen seines Körperumfangs die Leinwand dominiert.

Die Verzahnung der zwei Handlungsstränge gelingt dem französischen Regisseur jedoch nicht vollends. Die Verknüpfung der Kriminalgeschichte mit dem Familiendrama ergibt kein stimmiges Ganzes. Außerdem schleicht sich in die Erzählung immer wieder ein theatralischer Zug ein, und diese wird darüber hinaus von wortlastigen Dialogen unterbrochen. Ein aufdringlicher Zug zur ungezügelten Sinnlichkeit in der Beziehung Bellamys zu seiner Frau und die Konzession an den Zeitgeist in dem homosexuellen Paar, das mit den Bellamys befreundet ist, schmälern darüber hinaus den Gesamteindruck von „Kommissar Bellamy“.
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