WIR SIND PAPST | WIR sind Papst
Filmische Qualität:   
Regie: Mickel Rentsch
Darsteller: (Mitwirkende): Marianne Reichl, Eva Zeberer, Herbert Zeberer, Stephan Semmelmayr
Land, Jahr: Deutschland 2008
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 5/2009


José García
Foto: Rentsch Film

In Zeiten auffällig medialer Aufgeregtheiten über die Pilgerfahrt des Papstes ins Heilige Land fällt es nicht leicht, sich die Begeisterung in Erinnerung zu rufen, welche die Wahl Benedikts XVI. vor vier Jahren hervorrief. In Erinnerung geblieben ist freilich die Titelzeile in der „Bildzeitung“ vom 20. April 2005: „Wir sind Papst“. Dieser berühmt gewordenen Schlagzeile entlehnt Mickel Rentsch den Titel für seinen Dokumentarfilm „WIR sind Papst“, wobei die Hervorhebung offenkundig darauf spielt, dass diese Aussage für das 2700 Seelen-Nest Marktl am Inn, den Geburtsort des Papstes, ganz besonders zutrifft. Denn auf einmal stand das bayerische Dorf im Landkreis Altötting im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Bald kamen Besucher in Strömen, um Benedikts Geburtsort zu besichtigen.

Auch Rentsch kam nach Marktl am Inn: „Ich dachte mir – das ist ein Wahnsinn, was in dem Ort passiert, das schau ich mir mal an. Und als ich dann hinkam, wusste ich: Hier musst Du mit der Kamera sein.“ So kehrte der Absolvent der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) mit einem kleinen Kamerateam am 29. April 2005 dorthin zurück, um die Dankmesse mit dem Bischof von Passau, Wilhelm Schraml, aufzunehmen. Die Freude der Marktler drückt etwa Sepp Westerkirchner aus: „I hob gwoant wia a kloaner Bua“ (ich habe geweint, wie ein kleiner Bub), erinnert er sich an die Wahl.

Allerdings begann schon damals in Marktl das, was Kritiker „Vermarktelung“ nannten: Findige Bewohner bringen „Papstbier“, „Vatikanbrot“ und weitere Produkte wie die „Ratzinger-Bratwurst“ auf den Markt. Bereits am 28. Mai, vierzig Tage nach der Papstwahl, kann Rentsch bei seinem zweiten Besuch feststellen, wie sich im verschlafenen Dorf der Kommerz breit macht.

Mickel Rentsch kommt in unregelmäßigen Abständen immer wieder nach Marktl zurück, ab dem dritten Besuch ganz allein mit der Kamera. Dies verhalf dem Dokumentarfilmer zu einer großen Bewegungsfreiheit und einer unauffälligen Arbeitsweise: „Weil ich so unscheinbar daherkam, haben viele gar nicht begriffen, dass da ein Filmemacher mit Profikamera vor ihnen steht“ (Rentsch). Der in Fürstenfeldbruck/Oberbayern geborene Regisseur kommt immer wieder ins Gespräch mit den Geschäftsleuten, so etwa mit der Besitzerin von „Eva’s Teehaferl“, die das ganze Treiben mit den Worten kommentiert: „Es gibt Kitsch und es gibt Überkitsch“. Im Mittelpunkt von Rentschs Beobachtung steht aber auch der Tourismus-Manager, der in sehr professioneller Art Marktl am Inn als Touristenattraktion vermarktet.

Gerät auf diese Art und Weise gegen die Geschäftsmacherei die Religion in den Hintergrund, so zeigt „WIR sind Papst“ an zwei Stellen die echte Gläubigkeit der Marktler: Da ist zunächst einmal der 21. August 2005, als der Papst auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Köln Marktl überfliegt. Am Abend versammeln sich etwa 2000 Menschen auf dem Marktplatz, um dem Heiligen Vater zuzuwinken. Das Flugzeug beschreibt eine besondere Flugroute über Bayern, die es Benedikt XVI. erlaubt, seine früheren Wirkungsstätten zu überfliegen. Als das Flugzeug am Himmel erscheint, meldet sich Pilot Martin Ott per Funk. Dann ergreift der Papst das Wort und die Menschen hören gebannt zu. Daraufhin beten sie gemeinsam ein Ave Maria und der Heilige Vater erteilt seinen Segen.

Ein Wiedersehen mit Martin Ott gibt es dann am „Tag der Tage“: Am 11. September 2006 kommt Benedikt XVI. im Rahmen seines Bayernbesuchs für ein paar Stunden nach Marktl am Inn. Dort findet sich auch der Lufthansa-Pilot ein, der den Papst im August 2005 von Köln über Marktl nach Rom flog. Mit diesen einschneidenden Ereignissen kommt auch die Dramaturgie des Filmes, der sich nach einer guten Stunde zu wiederholen drohte, erneut in Schwung.

Zu den Beweggründen, um „WIR sind Papst“ zu drehen, führt Regisseur Mickel Rentsch aus: „Die Skurrilität ist das, was mich zunächst angezogen hat. Dieser Erfindungsgeist der Leute hat mich fasziniert und auch erheitert. Dann ist ein wesentlicher Punkt sicher, dass ich einen Film in Bayern auf dem Lande machen konnte. So bin ich auch aufgewachsen – zwar als Sohn von ‚Zuogroasten’, aber ich liebe meine Heimat. Die ‚ausländischen’ Wurzeln der Eltern lassen mich vieles aber auch anders hinterfragen. Am wichtigsten ist mir aber wohl das Thema ‚Glaube’ selbst. Ich bin zwar kein Katholik und stehe der Institution Kirche nicht sehr nahe. Aber ich hinterfrage die Dinge gern und bin eigentlich immer und gerne auf Sinnsuche.“

Eine respektvolle Distanz ist dem Film immer anzumerken. Ohne Off-Kommentar beobachtet die Kamera, wie sich ein Ort in diesem anderthalb Jahren wandelt. Distanziert, aber mit deutlicher Sympathie für die Menschen, die sich einfach mit ihrem berühmten Landsmann freuen.
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