C’EST LA VIE – SO SIND WIR, SO IST DAS LEBEN | Le premier jour du reste de ta vie
Filmische Qualität:   
Regie: Rémi Bezançon
Darsteller: Jacques Gamblin, Zabou Breitman, Déborah François, Marc-André Grondin, Pio Marmaï, Cécile Cassel, Sarah Cohen-Hadria
Land, Jahr: Frankreich 2008
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 4/2009
Auf DVD: 8/2009


José García
Foto: Kinowelt

Die Darstellung der Familie im Kino hat in den letzten Jahren einen durchgreifenden Wandel erfahren. Im deutschen Film überwiegt zwar der alleinerziehende Elternteil mit Einzelkind („Vorstadtkrokodile“, siehe Filmarchiv), oder die auseinanderbrechende Familie („Im Winter ein Jahr“, siehe Filmarchiv), ganz zu schweigen von den Spielfilmen, in denen die Enge der Familie als Quelle allen Übels denunziert wird („Neandertal“, siehe Filmarchiv).

Dieses Familienbild steht jedoch in greifbarem Gegensatz zu einer Entwicklung, die vorwiegend im US-amerikanischen „Independentfilm“ oder auch im europäischen Kino bereits vor Jahren begann. Solche Filme – „Pieces of April – Ein Tag mit April Burns“ (2003), „Little Miss Sunshine“ (2006) oder zuletzt „Die Geschwister Savage“ und „Mein Bruder ist ein Einzelkind“ (beide 2008) – verknüpfen einen mit bissigem Humor gepaarten groben Erzählton mit einer überaus positiven Sicht der Familie.

Der nun im deutschen Kino anlaufende französische Spielfilm „C’est la vie – So sind wir, so ist das Leben“ („Le premier jour du reste de ta vie“) des Drehbuchautors und Regisseurs Rémi Bezançon beschreibt „eine ganz normale Familie“ (Eigenwerbung des Verleihs): Vater, Mutter und drei Kinder. Schon dass Marie-Jeanne (Zabou Breitman) und Robert Duval (Jacques Gamblin) drei Kinder haben, zeigt den Unterschied. Eine Familie mit drei Kindern stand in einem deutschen Film zuletzt in Neele Leana Vollmars „Friedliche Zeiten“ (siehe Filmarchiv) im Mittelpunkt –Vollmars Film siedelt seine Handlung freilich bezeichnenderweise im Jahre 1968 an.

Anders „C’est la vie – So sind wir, so ist das Leben“, der in der „Jetzt“-Zeit spielt. Denn Bezançon zeichnet das Porträt der französischen Familie Duval von 1988 bis 2000. Dabei bedient sich Rémi Bezançon im seinen zweiten Spielfilm einer auf den ersten Blick einfachen, aber auffallend durchdachten Erzählstruktur. Denn der Film greift fünf Tage aus diesem Zeitraum heraus, die er jeweils einem anderen Familienmitglied zuordnet.

Die erste Episode erzählt vom Auszug des ältesten Sohnes Albert (Pio Marmaï) aus dem Elternhaus im August 1988: Mit 20 Jahren hält der Medizinstudent den Zeitpunkt für gekommen, sich abzunabeln. Was allerdings in der Familie für ein kleines Erdbeben sorgt. Sechs Jahre später wird das Nesthäkchen Fleur (Déborah François) 16 Jahre alt. Sie hat beschlossen, an diesem 3. Dezember 1993, ihre „Unschuld“ zu verlieren – was in einer enttäuschenden Katastrophe enden wird. An einem Tag im Juni 1996 steht Raphaël (Marc-André Grondin) im Mittelpunkt: Der Träumer, der stets im Schatten des großen Bruders stand, schwärmt weiterhin von einem Mädchen, das er zehn Jahre zuvor für gerade einmal fünf Minuten traf. Das Kunststudium interessiert ihn nicht besonders. Dafür genießt er die Nachmittage beim Großvater Pierre (Roger Dumas), der ihn in die Wein-Kunst einführt.

Die letzten zwei Episoden sind dann den Eltern gewidmet: Im September 1998 steht Marie-Jeanne kurz davor, einen gravierenden Fehler zu begehen. Sie, die sich weigert, ihre Jugend aufzugeben, möchte noch einmal das prickelnde Gefühl erfahren, begehrt zu werden. Aber Marie-Jeanne setzt doch nicht wegen einer „Affäre“ ihr Ehe- und Familienglück aufs Spiel. Etwa zwei Jahre später, im Mai 2000, erhält Robert eine niederschmetternde Nachricht, die sein Leben und das der Familie für immer verändert.

Obwohl jede Episode einen eigenständigen Charakter besitzt, um die jeweilige individuelle Perspektive zu unterstreichen – so ist die Fleur-Episode von der Handkamera, das Albert-Kapitel von Totalen, die letzten Episoden eher von Großaufnahmen bestimmt –, gelingt es Regisseur Rémi Bezançon, sie zu einer Einheit zu verschmelzen. Denn die Ereignisse aus unterschiedlichen Zeiten werden hervorragend miteinander verknüpft und mit Rückblenden ergänzt. Nicht umsonst wurde der Film in der Kategorie „Schnitt“ mit dem französischen Filmpreis „César“ ausgezeichnet.

Zwei weitere „César“ gewann der Film für schauspielerische Leistungen (Déborah François als Beste Nachwuchsdarstellerin, Marc-André Grondin als Bester Nachwuchsdarsteller). Denn „C’est la vie – So sind wir, so ist das Leben“ überzeugt mit einem intensiv spielenden Schauspieler-Ensemble. Die Inszenierung lebt indes auch von aussagekräftigen Bildern und Kameraeinstellungen, die selten der Erklärung durch Dialoge bedürfen, weil sie eine zauberhaft poetische Wirkung entfalten, auch und gerade in eher beiläufigen Momenten.

Bezançons Film beschreibt Höhen und Tiefen, komische und tragische Augenblicke in zwei Jahrzehnten einer Durchschnittsfamilie. Bei allen Krisen und Enttäuschungen bleibt am Ende ein Plädoyer für die Geborgenheit in der Familie, für das Glück, das „C’est la vie – So sind wir, so ist das Leben“ zu einer schnellgeschnittenen Montage von Familienfotos und -videos verdichtet, und das Vater Robert in den Worten zusammenfasst: „Das größte Geschenk in meinem Leben war es, Euch aufwachsen zu sehen“

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