PERLMUTTERFARBE, DIE | Die Perlmutterfarbe
Filmische Qualität:   
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Darsteller: Markus Krojer, Zoé Mannhardt, Dominik Nowak, Benedikt Hösl, Paul Beck, Brigitte Hobmeier, Josef Hader, Johannes Silberschneider
Land, Jahr: Deutschland 2008
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 1/2009
Auf DVD: 6/2009


José García
Foto: Constantin

Mit seinem Abschlussfilm für die Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) „Wer früher stirbt, ist länger tot“ (2006) gelang Marcus H. Rosenmüller ein bemerkenswerter Erfolg, der sich in mehr als 1,8 Millionen Zuschauern niederschlug. Darüber hinaus wurde der Film mit dem Bayerischen Preis für den besten Film und die beste Regie (Nachwuchs) ausgezeichnet. Rosenmüller schaffte es insbesondere, auch Erwachsenen die Sicht eines 11-Jährigen auf die Welt plausibel zu machen. „Wer früher stirbt, ist länger tot“ wurde komplett auf bayrisch gedreht, was freilich nördlich der Weißwurstgrenze für gewisse Verständnisschwierigkeiten sorgte.

Der neue Spielfilm von Marcus H. Rosenmüller „Die Perlmutterfarbe“ hat mit seinem Filmdebüt diese zwei Aspekte gemeinsam: Die Protagonisten sind zwar Kinder (der Hauptdarsteller ist sogar derselbe: Markus Krojer), aber der Film spricht gleichermaßen Erwachsene an. Darüber hinaus wird in „Die Perlmutterfarbe“ ebenfalls bayrischer Dialekt gesprochen.

Das von Marcus H. Rosenmüller und Christian Lerch gemeinsam verfasste Drehbuch adaptiert den gleichnamigen Roman von Anna Maria Jokl, der selbst eine wechselvolle Geschichte hat. Die in Wien geborene Jüdin musste Berlin 1933 verlassen. Sie schrieb den „Kinderroman für fast alle Leute“ zwischen 1937 und 1939 in Prag, musste aber das Manuskript zurücklassen, als die deutschen Truppen 1939 den noch nicht annektierten Teil der Tschechoslowakei besetzen, und sie nach Polen flüchtete. Derselbe Schlepper, der sie über die Grenze schmuggelte, brachte ihr jedoch das Manuskript einige Wochen später ins polnische Flüchtlingslager. Der Roman wurde 1948 vom Berliner Dietz Verlag erstmals gedruckt. Obwohl es schnell zum Bestseller wurde, sorgte zwei Jahre später die DDR-Regierung dafür, dass es wieder verschwand. Das Projekt einer Verfilmung zerschlug sich ebenso im Jahre 1950.

Marcus H. Rosenmüller überträgt die Geschichte von Anna Maria Jokls „Die Perlmutterfarbe“ nicht in unsere Zeit, sondern siedelt sie in derselben Epoche an, in der Jokls Roman spielt, Anfang der dreißiger Jahre, und zwar in einem kleinen Ort in Bayern. Der Schüler Alexander (Markus Krojer) will den Malwettbewerb seiner Schule gewinnen, um seiner Mitschülerin Lotte (Zoe Mannhardt), in die er ein bisschen verliebt ist, zu imponieren. Dabei könnte ihm die neueste Erfindung seines besten Freundes Maulwurf (Dominik Nowak) helfen: Die Perlmutterfarbe, die Papier lichtdurchlässig werden und in den schönsten Farben erstrahlen lässt. Durch einen Zufall gerät das Fläschchen mit der Perlmutterfarbe in Alexanders Schulranzen. Ein ähnlicher Zufall lässt später den Inhalt über ein Buch fließen, das sich Alexander von einem Jungen aus der Parallelklasse, dem B-Karli, ausgeliehen hatte. Just in dem Moment taucht denn auch B-Karli bei Alexander auf, um das Buch zurückzufordern. Alexander bricht in Panik aus, und verbrennt das Buch.

Weil sich Alexander nicht traut, in seiner Klasse die Wahrheit zu sagen, wird ein Junge aus der Parallelklasse des Diebstahls verdächtigt. Alexander verstrickt sich immer mehr in Ausreden und ein Lügengeflecht. Die Situation nutzt der neue Klassenkamerad Gruber (Benedikt Hösl), um gegen die B-Klasse eine Hetzkampagne zu starten. Gruber macht aus seinen Klassenkameraden eine straff organisierte Gruppe, deren Mitglieder dem Anführer blind gehorchen. Obwohl keine Hitlergrüße, Hakenkreuzfahnen oder SA-Uniformen zu sehen sind, ist der Bezug zum Dritten Reich doch eindeutig. Ähnlich Dennis Gansels „Die Welle“ (DT vom 18.03.2008) kann „Die Perlmutterfarbe“ als Experiment angesehen werden, wie leicht eine normale Gesellschaft faschistoide Züge annehmen kann.

Ein interessantes Nebenthema liefert darüber hinaus der Umstand, dass Alexander vaterlos aufwächst, worauf die Unsicherheit in seinem Wertesystem zurückzuführen ist. Dies stimmt mit der „Moral der Geschichte“ überein: Alles wendet sich zum Guten, wenn man endlich die Wahrheit sagt. Mit „Wer früher stirbt, ist länger tot“ hat „Die Perlmutterfarbe“ auch die Traumszenen und „magische“ Momente gemeinsam, die dramaturgisch dazu eingesetzt werden, die inneren Monologe der Romanvorlage ins Visuelle zu übersetzen. Die an sich sehr ernsthafte Parabel wird allerdings mit einem für Kinderfilme typischen Humor verknüpft, etwa in der karikaturhaften Art, wie die Lehrer und sonstige Erwachsene gezeichnet werden.

Marcus H. Rosenmüller stellt erneut unter Beweis, dass gute Kinderfilme „für fast alle Leute“ sind, und stets Erwachsene ansprechen.
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