LUCAS KINDERFILMFESTIVAL | Frankfurt am Main
Filmische Qualität:   
Regie:
Darsteller:
Land, Jahr: 0
Laufzeit: 0 Minuten
Genre:
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen:


José García
Foto: Lucas Filmfestival

Vom 7.- 14. September fand erneut in Frankfurt am Main das älteste Kinderfilmfestival Deutschlands LUCAS statt. Am Wettbewerb des 31. Internationalen Kinderfilmfestivals nahmen zehn Lang- und 19 Kurzfilme teil, die sich an Kinder von sechs bis zwölf Jahren richteten, und die aus 250 Einreichungen ausgewählt wurden. Etliche Filme feierten in Frankfurt ihre deutsche, Europa- oder gar Weltpremiere.

Durch die Lang- und Kurzspielfilme, die am LUCAS-Wettbewerb teilnahmen, zog sich laut Festivalleiterin Petra Kappler wie ein roter Faden, dass sie von den „filmischen Bildern“ leben. Im Gespräch mit dem Autor erläutert Petra Kappler, die im Jahre 2008 ihr erstes LUCAS-Filmfestival leitete, die Filme sollen durch die Bilder von alleine erzählen, ohne dass sie von einem überlauten Soundtrack überrollt oder von computergenerierten Bildern in den Hintergrund gedrängt werden. So wertete sie etwa bei der Preisverleihung als schönen Erfolg, dass während der Filmvorführung eines norwegischen Spielfilmes die Kinder einer Schulklasse die Kopfhörer, durch die sie die deutsche Einsprechung verfolgen konnten, ihrer Lehrerin mit der Begründung zurückgaben, sie brauchten diese Verständnishilfe nicht. Die Kinder hätten dem Film auch auf Norwegisch verfolgen können, weil die Bildsprache eines Filmes universell, allgemein verständlich sei.

Inhaltlich zeigen diese Filme den Lebenshorizont von Kindern aus der ganzen Welt, ohne ihn zu beschönigen. So handelt etwa der Kurzfilm „Pusling“ („Crybaby“, Dänemark 2008) von Christina Rosendahl, der den Preis für den besten Kurzfilm gewann, vom Mobbing unter Schülern. Der 25-minütige Film erzählt in teilweise erdrückenden Bildern von den ständigen Quälereien, denen sich die kleine Piv durch ihre Klassenkameradin Mia ausgesetzt sieht. „Bevor Piv und Mia Freundinnen werden können, bringen sie sich gegenseitig bis an den Rand der Lebensgefahr“, heißt es in der Begründung der Jury.

Als wohl einzige „gemischte“ Jury bei einem Kinderfilmfestival setzt sich die LUCAS-Jury aus sechs Schülerinnen und Schülern im Alter von zehn bis 14 Jahren sowie aus vier erwachsenen „Experten“ zusammen. Beim 31. Kinderfilmfestival waren es der Kameramann Kolja Raschke, der Schauspieler Heinrich Schafmeister, die Filmpädagogin Anja Schmid und die Regisseurin Manuela Stacke.

Die Familie im Focus

In der Kinderwelt nimmt naturgemäß die Familie eine bedeutende Rolle ein. Dabei fällt vor allem bei skandinavischen Filmen auf, dass der Alltag vieler Kinder durch das Leben in einer sogenannten „Patchwork-Familie“ geprägt ist. So steht im Mittelpunkt des Eröffnungsfilms „Karlas Kabale“ („Karlas Welt“, Dänemark 2007) die 10-jährige Karla, die darunter leidet, dass sie Weihnachten nicht mit Vater und Mutter feiern kann. Denn Karlas Mutter hat sich von ihrem alkoholabhängigen Mann getrennt und lebt nun mit Karlas Stiefvater Leif zusammen. Mit einem gewissen Neid schaut Karla auf die Nachbarsfamilie, die intakt zu sein scheint.

Am Ende kehrt der Film jedoch die Verhältnisse um, so dass in der vermeintlich einträchtigen Familie ein Streit ausbricht, während sich Karla mit ihrer zusammengewürfelten Familie aussöhnt. Durch diese eklatant künstliche Drehbuchwendung bringt Regisseurin Charlotte Sachs Bostrup ihren eigenen Standpunkt zum Ausdruck, dass alle Familien-„Modelle“ gleich seien.

In einer ähnlichen Situation wie Karla befindet sich auch Kalli im isländischen Spielfilm „Duggholufólkið“ („Spuk im Eis“) von Ari Kristinsson, der von der LUCAS-Jury mit einer „Lobenden Erwähnung“ bedacht wurde. In dem spannend, hervorragend gespielten und mit vielen Schauwerten inszenierten Film muss der etwa 10-jährige Kalli die Weihnachtsferien bei der „neuen Familie“ seines Vaters im Norden Islands verbringen, während seine Mutter allein in der Stadt bleibt. Insbesondere seine Stiefschwester Ellen findet der Junge recht absonderlich. Dazu erklärt Regisseur Ari Kristinsson: „In Island sind Patchwork-Familien nichts außergewöhnliches. Das Thema ist daher sehr aktuell und wert, sich darüber mit Kindern auseinanderzusetzen.“

Zwei unterschiedliche Familien stehen auch im Mittelpunkt des Gewinners beim diesjährigen LUCAS-Kinderfilmfestival „Un château en Espagne“ („Mein bester Freund“, Frankreich 2007). Der mit dem Preis für den besten Langfilm ausgezeichnete Langspielfilm der französischen Regisseurin Isabelle Doval handelt von den zwei unzertrennlichen Freunden Esteban und Maxime, die seit frühester Kindheit im selben Haus in Paris Tür an Tür wohnen.

Lebt Esteban mit seinen extrovertierten spanischen Eltern und seinen Geschwistern in einer fröhlichen Familie, in der es immer etwas zu feiern gibt, so verbringt Einzelkind Maxime viel Zeit allein. Denn seit Maximes Vater zehn Jahre zuvor starb, geht seine Mutter in ihrer Arbeit als Rechtsanwältin auf. Als aber Estebans Eltern beschließen, nach Spanien zurückzukehren, droht die Freundschaft zwischen den beiden Jungen zu zerbrechen.

Isabelle Doval ist ein außergewöhnlich komplexer Film gelungen, der mit feinem Humor und großem Einfühlungsvermögen sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht. Denn über das Hauptthema der schönen Freundschaft zwischen den ungleichen Jungen hinaus behandelt „Mein bester Freund“ auch die komplexe Situation von Kindern „mit Migrationshintergrund“ sowie ein schwieriges Mutter-Sohn-Verhältnis. In eindringlichen Bildern fängt der Film außerdem die Leere ein, die im Leben von Maximes Mutter seit dem Tod ihres Mannes herrscht.

Die geglückte Verknüpfung der Kinder- und der Erwachsenenhandlung macht „Un château en Espagne“ zum überragenden Gewinner des diesjährigen LUCAS-Filmfestivals.
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