STERN DES SOLDATEN, DER | L'étoile du soldat
Filmische Qualität:   
Regie: Christophe de Ponfilly
Darsteller: Sacha Bourdo, Patrick Chauvel, Mohammad Amin, Ahmad Shah Alefsourat, Gol Goutey, Igor Naryshkin
Land, Jahr: Frankreich / Deutschland / Afghanistan 2006
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 6/2008


José García
Foto: Stardust

Unlängst erzählte Mike Nichols’ „Der Krieg des Charlie Wilson“ (siehe Filmarchiv) vom Engagement eines US-Abgeordneten in Afghanistan, der die Mudschaheddin mit Waffen versorgt, mit denen sie die verheerenden sowjetischen Hubschrauber abschießen können. Bleibt in „Krieg des Charlie Wilson“ der Blick auf die sowjetische Invasion stets eine Außenansicht, so liefert Christophe de Ponfillys „Der Stern des Soldaten“ („L'étoile du soldat“) eine Innenansicht mitten aus der Region.

„Der Stern des Soldaten“, dessen Drehbuch nach einer wahren Geschichte ebenfalls von Christophe de Ponfilly stammt, setzt am 11. September 2001 ein. Während die ganze Welt die Augen auf New York richtet, erinnert sich der französische Kriegsreporter und -fotograf Vergos (Patrick Chauvel) in den Bergen Afghanistans an den jungen Russen Nikolai.

Ein Zeitsprung ins Jahre 1984: Der junge Musiker Nikolai (Sacha Bourdo) wird in die sowjetische Armee eingezogen. Wie so viele andere landet auch er in Afghanistan, wo seit fünf Jahren ein unerbittlicher Guerilla-Krieg tobt.

Von Anfang an zeichnet Regisseur de Ponfilly den Musiker Nikolai als Außenseiter innerhalb der eigenen Landsleute. Nur kurz, als er einen Soldaten aus seiner Heimatstadt trifft, entwickelt er das Gefühl, dazuzugehören. Dieses verfliegt aber genauso schnell, als der Freund schwer verletzt und ausgeflogen wird. Nikolais innere Distanz zur eigenen Armee wächst mit jedem Vergehen der sowjetischen Soldaten an der wehrlosen afghanischen Zivilbevölkerung.

Ausgerechnet dieser Nikolai wird während eines Einsatzes von den Widerstandskämpfern der Mudschaheddin gefangen genommen und in die Berge verschleppt. Trotz der Stimmen, die ihn hinrichten wollen, entscheidet sich der charismatische Anführer Massoud, den jungen Soldaten am Leben zu lassen.

Nach und nach gewinnt Nikolai das Vertrauen der Mudschaheddin, wobei sich die Musik als ausgezeichnete Möglichkeit für die Völkerverständigung erweist. Bald kleidet sich Nikolai wie die Afghanen, einschließlich langen Barts. Denn allmählich lernt er „die andere Seite“ kennen, und versteht, dass er sich in einem Land von überwältigender landschaftlicher Schönheit mit einer uralten Kultur befindet. Ein Jahr später wird Nikolai von den Mudschaheddin Massouds freigelassen und überquert zu Fuß das gewaltige Gebirge des Hindukusch bis nach Pakistan: in die Freiheit.

„Der Stern des Soldaten“ verarbeitet zwar die Erlebnisse Nikolais. Der Film enthält indes darüber hinaus viel Autobiografisches. Denn Regisseur Christophe de Ponfillys Arbeit als Dokumentarfilmer ist mit Afghanistan untrennbar verbunden: Der französische Filmemacher kam erstmals 1981 als 31-Jähriger illegal nach Afghanistan, um den Widerstand gegen den sowjetischen Besatzer zu filmen. Seine Dokumentation wurde weltweit von mehreren Fernsehsendern ausgestrahlt.

Über den Anführer der Panschiri-Widerstandskämpfer Ahmed Shah Massoud drehte der französische Dokumentarfilmautor später zwei Filme, 1987 und 1997 („Massoud l’Afghan“). Insofern erscheint es folgerichtig, dass sein erster und einziger Spielfilm (de Ponfilly nahm sich vor der Premiere von „Der Stern des Soldaten“ bei den Filmfestspielen von Venedig 2006 das Leben) im Panschir-Tal spielt und Massoud als eine der Hauptfiguren zeichnet. De Ponfillys „Der Stern des Soldaten“ ist der erste große Spielfilm, der in Afghanistan nach dem Sturz der Taliban im Herbst 2001 produziert wurde.

Viel Dokumentarisches haftet ebenfalls dem Film an, nicht nur weil die Schauspieler im Westen so gut wie unbekannt sind. Obwohl sich die Inszenierung und die Führung der Laiendarsteller durchaus solide ausnehmen, überwiegt eine gewisse Naivität in der Kameraführung etwa in den wunderbaren Landschaftsaufnahmen.

Dazu kommt die ausschnittartige Inszenierung: Außer dem Panschir-Tal bekommt der Zuschauer, von den Anfangsszenen in Nikolais Dorf einmal abgesehen, wenig zu sehen. Die große Politik bleibt außen vor. Eine Schwäche von „Der Stern des Soldaten“ hängt offensichtlich auch mit der dokumentarischen Anmutung des Filmes zusammen: Die Einführung einer Off-Stimme, die eigentlich nur kommentiert, was die Bilder bereits zeigen.

Dennoch: An manchen Stellen gelingt es dem Regisseur, nicht nur die sowjetische Invasion in Afghanistan anzuprangern. Dann gerät „Der Stern des Soldaten“ zu einem regelrechten Antikriegsfilm.

Übrigens: Den Sinn des Filmtitels geht auf die Erzählung eines Widerstandskämpfers zurück: Zu den vielen Sternen am Himmel käme immer dann einer dazu, wenn einer von ihnen stürbe. Und bald gäbe es am Nachthimmel so viel davon, dass es immer Tag bliebe.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren