|
||||||||||||||||||||
José GarcÃa Foto: Constantin Der Schaffensdrang des mittlerweile 72-jährigen Woody Allen scheint ungebrochen. Seit Jahrzehnten liefert er Jahr für Jahr einen Spielfilm ab, den er zumeist auf den Filmfestivals von Venedig oder Cannes vorstellt. Präsentierte er Ende Mai in Cannes seinen neuen Spielfilm âVicky Christina Barcelonaâ auÃer Konkurrenz, so startet endlich im deutschen Kino der Film des vorigen Jahres âCassandras Traumâ, der in Venedig 2007 ebenfalls auÃer Konkurrenz lief. Nach âMatch Pointâ (siehe Filmarchiv) und âScoop â Der Knüllerâ (siehe Filmarchiv) ist âCassandras Traumâ der dritte und vorerst letzte Spielfilm aus Allens Londoner Zeit. âMatch Pointâ handelte von einem Kapitalverbrechen, das nur auf den ersten Blick aus Leidenschaft verübt wurde. Der aus einfachen Verhältnissen in eine gutbürgerliche Existenz aufgestiegene Chris Wilton handelte vielmehr aus bloÃer Berechnung, als er die Möchtegern-Schauspielerin Nola Rice ermordete. Obwohl Chris in einer Szene Dostojewskis âSchuld und Sühneâ las, blieben ihm Gewissenskonflikte offenbar erspart. In âCassandras Traumâ kehrt der Regisseur nach dem komödiantischen Ton von âScoopâ zur Tragödie zurück. Die Brüder Ian (Ewan McGregor) und Terry Blaine (Colin Farrell) kommen wie Chris Wilton aus âMatch Pointâ aus einfachen Verhältnissen: Terry arbeitet als Automechaniker, Ian im väterlichen Restaurant. Die beiden träumen indes vom groÃen Geld, an das Terry durchs Glückspiel, Ian durch Immobiliengeschäfte in Kalifornien zu kommen hoffen. Zunächst konzentrieren sich ihre Geldsorgen darauf, das filmtitelgebende Segelboot âCassandras Traumâ käuflich zu erwerben. Denn obwohl sie nur einen Bruchteil des Preises zahlen können, sind 6000 Pfund letztlich auch nicht so viel Geld. Bald gewinnt Terry denn auch beim Hunderennen genug, um das Boot zu bezahlen. Die Glückssträhne hält zunächst an: Terry gewinnt beim Pokern eine ansehnliche Summe, um sich zusammen mit seiner Freundin Kate (Sally Hawkins) ein eigenes Haus leisten zu können. Schlagartig wendet sich jedoch das Blatt. Terry verspielt nicht nur alles, sondern schuldet auf einmal Kredithaien einen gigantischen Betrag. Auch Ians Geldbedarf wächst sprunghaft, als er in einem geliehenen Luxuswagen die ehrgeizige Schauspielerin Angela (Hayley Atwell) kennen lernt. Als die Situation so gut wie aussichtslos wird, erscheint der âreiche Onkelâ auf der Bildfläche: Der von Terrys und Ians Mutter nur so angehimmelte Onkel Howard (Tom Wilkinson), der mit Schönheitskliniken in der halben Welt ein Vermögen angesammelt hat, kündigt seinen Besuch an. Der Onkel zeigt gröÃtes Verständnis für die Geldsorgen der Neffen. Gerne hilft er seinen Verwandten, denn âFamilie ist Familie. Und Blut ist Blutâ. Allerdings erbittet er von ihnen eine Gegenleistung: Sein Londoner Geschäftspartner Martin Burns steht kurz davor, vor einem Gericht auszusagen. Was sich für Onkel Howard als äuÃerst nachteilig auswirken würde. Es bleibe wohl nichts anderes übrig, als Mr. Burns zu âbeseitigenâ. Ian drängt seinen Bruder dazu, seinem Onkel den âGefallenâ zu tun. Nachdem ein erster Mordversuch misslingt, schaffen sie es beim zweiten Anlauf doch, Burns in einer dunklen Gasse zu töten, und es nach einem Ãberfall aussehen zu lassen. Von der Polizei bleiben sie deshalb unentdeckt. Kehrt Ian wie Chris in âMacht Pointâ schnell zum alten Leben zurück, so fällt sein Bruder Terry in eine tiefe Depression. Er kann nicht mehr schlafen, verfällt dem Alkohol und der Medikamentensucht. Auch die Gottesfrage stellt sich. Terry wird so von Gewissensbissen geplagt, dass er sich der Polizei stellen will. Erinnert vieles in âCassandras Traumâ an âMatch Pointâ, so fallen jedoch eher Parallelen zu einem früheren Film Woody Allens ins Auge: In âVerbrechen und andere Kleinigkeitenâ (1989) wurde auch eine lästig gewordene Person durch einen Mord unter Brüdern âbeseitigtâ. Dieser bereits zum Klassiker gewordene Film stellte ebenfalls die Gewissenskonflikte aus einer vergessen geglaubten Religiosität heraus in den Mittelpunkt. Siegte in âVerbrechen und andere Kleinigkeitenâ letztendlich die Verdrängung der Schuld, was allerdings negativ konnotiert wurde, so ist der Regisseur mit âCassandras Traumâ moralisch reifer geworden. Näher als in diesen früheren Spielfilmen lehnt sich Woody Allen in âCassandras Traumâ an Dostojewskis âSchuld und Sühneâ an. Obwohl sich der Schluss weniger dramaturgisch dicht als der Rest ausnimmt, leuchtet die geradlinige Inszenierung mit den gedämpften Farbtönen der Kamera von Vilmos Zsigmond und der unaufdringlichen Musik von Philip Glass sowie den guten Schauspielern ein. Vor allem aber überzeugt die trotz allem Fatalismus angemessene Herangehensweise, mit Schuld und Strafe umzugehen. |
||||||||||||||||||||
|