INTERVIEW | Interview
Filmische Qualität:   
Regie: Steve Buscemi
Darsteller: Steve Buscemi, Sienna Miller, Michael Buscemi, Tara Elders, David Schecter, Molly Griffith, Elizabeth Bracco, Danny Schechter, Donna Hanover
Land, Jahr: USA 2007
Laufzeit: 84 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 5/2008
Auf DVD: 10/2008


José García
Foto: Kinowelt

Der „Starkult“ ist beinahe so alt wie das Medium Film selbst. Das Hollywood-Studiosystem beruhte bekanntermaßen darauf, dass die jeweilige Filmproduktionsfirma mindestens einen Star unter Vertrag nahm. Auch in der Weimarer Republik erlebte das Kino eine ähnliche Entwicklung. Schon damals standen Fotografen und (Sensations-)Reporter Schlange, um etwa Pola Negri, Asta Nielsen, Greta Garbo, Emil Jannings und Heinrich George Privates zu entlocken.

Das explosionsartige Wachstum von Informationsangebot und -nachfrage durch das Internet und der Fernsehendungen, die irgendeinen „Superstar“ suchen, setzt die Boulevardpresse unter immer stärkeren Zugzwang. Immer schneller soll sie immer mehr Details aus dem Privatleben der Stars und Starlets enthüllen.

Was geschieht aber, wenn nicht ein „Revolverpresse“-Journalist, sondern etwa ein Außenpolitik-Experte einem „Sternchen“ Privatgeheimnisse entlocken soll? Wird er gelangweilt-angewidert das Interview führen? Oder bereitet er sich genauso professionell auf das Gespräch vor, als würde er einen Regierungschef befragen?

Von dieser Position geht Steve Buscemi im Spielfilm „Interview“ aus, den er als Remake des gleichnamigen Films von Theo van Gogh aus dem Jahre 2003 inszeniert hat. Nachdem „Interview“ sowohl am „Sundance“-Filmfestival als auch an der „Panorama“-Sektion der Berlinale 2007 teilnahm, startet er nun im regulären Kinoprogramm.

Der Außenpolitik-Journalist Pierre Peders (Steve Buscemi) empfindet es als Demütigung, dass ihn sein Chefredakteur nicht nach Washington schickt, wo es sich offenbar eine große Regierungskrise abzeichnet, sondern nach New York. Dort soll er keine Persönlichkeit aus der Politik, sondern die (Möchtegern-)Schauspielerin Katya interviewen, die durch ihre Rollen in belanglosen Seifenopern die Klatschspalten füllt.

Dass ihn Katya (Sienna Miller) eine geschlagene Stunde im feinen Restaurant warten lässt, obwohl sie um die Ecke wohnt, lässt die Laune des Interviewers auf den Tiefpunkt sinken. Pierre Peders macht keinen Hehl daraus, dass er keine einzige Folge von Katyas Sendungen kennt, ja es für unter seiner Würde fand, einen Blick in die von Katyas Agentur verschickten Unterlagen samt DVD zu werfen. Der Mangel an Professionalität und an Interesse für ihre Person macht sie wiederum wütend. Das Interview ist zu Ende, ehe es begonnen hat.

Ein dummer Zufall bringt die beiden Streithähne doch noch wieder zusammen. Nach einem Auffahrunfall trägt der Journalist eine Schramme davon, das Starlet bietet sich an, in ihrem Loft die Wunde zu versorgen. So beginnt ein Spiel aus Anziehung und Abstoßung in Wortgefechten, in denen sich Katya erstaunlich gut schlägt.

Mehr oder minder freiwillig– sie nutzt etwa aus, dass er unter ergiebigem Alkoholkonsum immer gesprächiger wird, er macht sich an ihren PC heran, während sie ein längeres Telefonat führt, und entdeckt eine Datei, die Katyas Tagebuch zu enthalten scheint – offenbaren sie sich gegenseitig, so dass immer unklarer wird, wer wen interviewt.

Mit diesem Rollenspiel stellt Regisseur Buscemi die Frage nach dem Konflikt, in dem sich Prominente befinden: Sie haben zwar ein verständliches Interesse daran, ihre Privatsphäre zu schützen. Sie sind jedoch auch für die Enthüllungsgeschichten der Sensationspresse offensichtlich dankbar, denn sie gehören zu den Werbemaßnahmen, die ihren Bekanntheitsgrad erhöhen. Dass es auch ohne freiwillige Bloßstellung des Privatlebens geht, stellen freilich wahre Filmgrößen wie Meryl Streep oder Jodie Foster unter Beweis. Ohne einen solchen Tribut zahlen zu müssen, gehören sie seit Jahrzehnten zu den gefragtesten Schauspielerinnen des Weltkinos.

Buscemi inszeniert „Interview“ als Kammerspiel an einem (fast) einzigen Drehort. Die drei Videokameras, mit denen der Film aufgenommen wurde – je eine für die Schauspieler plus eine für die allgemeine Einstellungen – bringt das hervorragende Spiel von Steve Buscemi und Sienna Miller richtig zur Geltung.

Dennoch: „Interview“ lässt den Zuschauer eher ratlos zurück. Mehrmals scheint der Regisseur anzusetzen, tiefgründigen Fragen nachzugehen. Etwa: Was bleibt, wenn die von den jeweiligen Rollen auferlegten Masken fallen. Oder aber, ob es möglich ist, einen Menschen über diese Rollenklischees hinaus wirklich kennen zu lernen.

Statt dessen nimmt der Film immer neue, immer unglaubwürdigere Wendungen, die auf ein Katz- und Mausspiel hinauslaufen. Am Ende scheint sich alles nur noch darum zu drehen, wer wen hinters Licht führt. Dadurch, dass der Regisseur schlussendlich an genau der Oberfläche haften bleibt, die er vorgeblich anprangen wollte, verspielt er das große Potential, das dieses Sujet hatte.
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