MOONLIGHT MILE | Moonlight Mile
Filmische Qualität:   
Regie: Brad Silberling
Darsteller: Dustin Hofmann, Susan Sarandon, Jake Gyllenhaal, Holly Hunter
Land, Jahr: USA 2002
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X -


JOSÉ GARCÍA
Foto: Solo Film

Zu den immer wiederkehrenden Sujets des Kinos gehört die Auseinandersetzung mit dem Tod eines geliebten Menschen. In den vergangenen Jahren ragten zwei Filme heraus, die sich mit der Trauer beim Sterben des eigenen Kindes beschäftigten: der mit der Goldenen Palme in Cannes 2001 ausgezeichnete „Das Zimmer meines Sohnes” des italienischen Regisseurs Nanni Moretti sowie das Regiedebüt des US-Amerikaners Todd Field „In the Bedroom”. In beiden droht der Verlust des Kindes die Eltern gegenseitig zu entfremden, ihre Ehe auseinander zu brechen.

„Moonlight Mile”, der bei der diesjährigen Berlinale in der Sektion Panorama gezeigt wurde – da er bereits im Filmfestival von Toronto gestartet war, durfte er nicht am Wettbewerb teilnehmen – und nun im regulären Kinoprogramm zu sehen ist, behandelt erneut den Schmerz von Eltern, die plötzlich ein Kind verloren haben: In einem kleinen Städtchen in Massachusetts wird im Jahre 1973 kurz vor ihrer Hochzeit die junge Diana Opfer eines Amokläufers. Mit einem durch ständiges Telefonklingen symbolisierten Aktionismus im Beruf und Privatleben versucht Dianas Vater Ben Floss seine Trauer zu verbergen. Derweil verdrängt ihre Mutter JoJo den Schmerz durch Sarkasmus und angestrengte Komik. Mit dem Verlust werden sie freilich ebenso wenig fertig wie etwa die Eltern des bei einem Unfall umgekommenen Andrea in „Das Zimmer meines Sohnes”, wahrscheinlich deshalb, weil für sie der Tod das endgültig Letzte ist. Während sich der italienische Regisseur immerhin fragte, ob gläubige Menschen mit dem Verlust eines Angehörigen anders umgehen, verschließen sich Ben und JoJo Floss der Frage, was nach dem Tod geschieht: „Ich weiß nicht, wo unsere Tochter ist. Alle sagen, sie wissen es nicht”. Mit dieser Begründung wird der Rabbiner von der Beerdigung ausgeladen.

Neu am „Moonlight Mile” ist, dass er das Geschehen aus dem Blickwinkel des „Schwiegersohnes” schildert, den die „Schwiegereltern” als eine Brücke zwischen beiden, als eine Art Ersatzkind ansehen: Dianas Verlobter Joe soll im Haus ihrer Eltern wohnen bleiben und bei Ben ins bescheidene Immobiliengeschäft als Juniorpartner einsteigen. Joe fühlt sich verpflichtet, auf die Erwartungen seiner Beinahe-Schwiegereltern einzugehen, wohl auch aus schlechtem Gewissen, hatte er mit Diana kurz vor deren Tod eigentlich Schluss gemacht. Wie kann er es freilich Dianas Eltern sagen? Die Ereignisse überstürzen sich, als Joe die attraktive Postangestellte Bertie kennen lernt, mit der er sich durch ein gemeinsames Schicksal verbunden fühlt. Denn ihr Verlobter gilt seit Jahren in Vietnam als vermisst – möglicherweise gehörte der Bezug auf den Vietnam-Krieg zu den Gründen, warum die Story im Jahre 1973 angesiedelt ist.

Joes Perspektive vermischt die dramatische Geschichte mit einer Story über das Erwachsenwerden und den damit verbundenen Entscheidungen, nötigenfalls auch gegen die Erwartungen der anderen. Um das extrem instabile Gleichgewicht zwischen einer Erwachsenwerden-Komödie und einem Drama über Trauer und Verlust zu halten, zählt Regisseur Brad Silberling vor allem auf hervorragende Darsteller: Neben einem seit „Rain Man” (1988) nicht mehr so inspiriert spielenden Dustin Hoffman und einer Susan Sarandon, die an ihre Mutterrollen in „Lorenzos Öl” (1992) und „Betty und ihre Schwestern” (1994) wieder anknüpft, brillieren die jungen Schauspieler Jake Gyllenhaal als Joe und Ellen Pompeo als Bertie. Während Schauspielerin-Entdeckung Ellen Pompeo ihre Bertie in klassisch zu nennender Weise als burschikos und dabei doch extrem verletzlich gestaltet, drückt Gyllenhaals Joe die innere Zerrissenheit zwischen dem Treuegefühl gegenüber den Ersatz-Eltern und dem Wunsch, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen, mit schlafwandlerischer Sicherheit aus.

Schade nur, dass das erfolgreiche Umschiffen von Klischees nicht ganz bis zum Ende durchhält – der Feigling, der sich vor Gericht doch noch ein Herz fasst und in letzter Minute endlich mit der Wahrheit herausrückt, während die Musik immer pathetischer wird, zählt zum festen Figurenrepertoire des Hollywood-Films. Das doch noch zuletzt einsetzende „Schnell alle Konflikte lösen, damit es zum Happy End kommen kann” ist darüber hinaus der Ironie, ja der feinen Komik, die den Film sonst durchzieht, kaum adäquat. Um wie viel nuancierter und leiser nahm sich doch das Ende von Nanni Morettis „Das Zimmer meines Sohnes” aus, als sich die Kamera von den sich wieder näher aneinander kommenden Familienangehörigen langsam entfernte – vielleicht liegt darin der große Unterschied zwischen Hollywood- und europäischen Filmen, gerade in der Behandlung dieses immer wiederkehrenden Themas von Trauer und Schmerz.

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