ABBITTE | Atonement
Filmische Qualität:   
Regie: Joe Wright
Darsteller: Keira Knightley, James McAvoy, Romola Garai, Vanessa Redgrave, Patrick Kennedy, Benedict Cumberbatch
Land, Jahr: Großbritannien 2007
Laufzeit: 123 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S, X
im Kino: 11/2007
Auf DVD: 3/2008


José García
Foto: Universal

Lebenslange Belastung durch längst vergangene Schuld stellt einen der beliebten Stoffe sowohl der Literatur als auch des Filmes dar. Späte Reue für eine weit in die Vergangenheit zurückreichende moralische Verfehlung, die Jahrzehnte später dazu führt, Abbitte zu leisten, steht denn auch im Mittelpunkt des Spielfilmes „Abbitte“ („Atonement“) von Joe Wright.

„Abbitte“, der die Internationalen Filmfestspiele Venedig im vergangenen August eröffnete und nun im regulären Kinoprogramm startet, basiert auf dem gleichnamigen, für den Booker Prize nominierten Roman (2001) des britischen Schriftstellers Ian McEwan. Über den Roman schrieb Karin Alles: „‚Abbitte’ ist ein Bildungsroman, aber auch ein Roman über das Schreiben eines Romans, über die Macht von Sprache und Fantasie … Ian McEwan treibt ein überaus kunstvolles Spiel zwischen Wirklichkeit und Einbildungskraft, mit Schuld und Sühne.“

England Sommer 1935. Die 13-jährige Briony Tallis (Saoirse Ronan) beobachtet verunsichert den Flirt zwischen ihrer älteren Schwester Cecilia (Keira Knightley) und dem Gärtnersohn Robbie (James McAvoy). Dass Briony ein Talent zum Geschichtenerzählen sowie lebhafte Fantasie besitzt, hat der Film schon dadurch gezeigt, dass die 13-Jährige ein Theaterstück verfasst hat, das sie nun aufführen will.

Brionys lebhafte Vorstellungskraft wird durch einen erotischen Brief von Robbie an Cecilia angestachelt, den sie überbringen soll und heimlich gelesen hat. Als ein Mädchen im Park vergewaltigt wird, beschuldigt Briony Robbie: „Ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen“. Robbie wird von der Polizei abgeführt, und wandert ins Gefängnis. Die Schuldzuweisung zerstört Cecilias und Robbies aufkeimende Liebe und verändert den Lebensweg der drei Beteiligten.

Joe Wright erzählt diesen ersten Filmteil durchaus nicht linear. Der Regisseur setzt nicht nur Rückblenden, sondern auch ein weiteres Stilmittel ein, das mit der subjektiven Beobachtung durch das 13-jährige Mädchen visuell korrespondiert: Einige einschneidende Ereignisse werden aus unterschiedlichen Perspektiven  aus der Sicht von Briony und des Liebespaares  je zweimal geschildert. Ein weiteres filmisches Mittel spielt sich auf der Tonspur: Immer wieder ist das Klappern einer Schreibmaschine zu hören.

Mittels des Schreibmaschinen-Schnatterns verknüpft Regisseur Wright darüber hinaus die unterschiedlichen Zeitebenen. Denn der zweite Teil des Films spielt mitten im Zweiten Weltkrieg am Strand von Dünkirchen, wo Robbie zusammen mit den britischen Truppen auf seine Evakuierung wartet. Cecilia und Briony (als 18-Jährige durch Romola Garai dargestellt) arbeiten währenddessen in London als Krankenschwestern. Schließlich gesteht Briony ihren Meineid, der fünf Jahre zuvor Robbie und Cecilia ins Unglück stürzte. Sie fasst sich ein Herz und sucht Cecilia und Robbie auf, um Abbitte zu leisten.

Schwelgt die Kamera im ersten Teil des Filmes in der prachtvollen, lichtdurchfluteten Ausstattung auf dem Landsitz der britischen High Society, so zeigt der Film in diesem zweiten Teil mittels langer Plansequenzen das Grauen des Krieges, von der reihenweise Erschießung von Pferden über die schwankenden Verwundeten bis hin zu den Zuflucht suchenden Soldaten. Aber auch die Inszenierung fällt deutlich konventioneller als in der ersten Filmhälfte aus.

Die Geschichte erhält durch diese neue Erzählstruktur allerdings einen epischen Gestus, der sich erst im Epilog erschließt. Darin findet das symbolische Schreibmaschinen-Geräusch eine Erklärung: Die alternde Schriftstellerin Briony (nun von Vanessa Redgrave verkörpert) stellt vor laufender TV-Kamera ihr letztes Buch vor, das gewissermaßen ihr erstes ist: einen Roman, in dem sie die Ereignisse im Sommer 1935 sowie während des Zweiten Weltkrieges fiktionalisiert hat.

Die Titel gebende Abbitte wird also symbolisch, durch die literarische Brechung und die Vermischung von Wunsch und Wirklichkeit geleistet. Dadurch wird endlich eine Schuld gesühnt, die Briony ein Leben lang mit sich getragen hatte.
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