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José GarcÃa Foto: Salzgeber 19. April 1942. Die Berliner Philharmoniker geben aus Anlass von Hitlers Geburtstag ein Festkonzert, bei dem Wilhelm Furtwängler Beethovens 9. Sinfonie dirigiert. Festredner ist der für die Kultur zuständige Propagandaminister Joseph Goebbels. Mit diesen Bildern, die eine Nähe des einzigen in Deutschland bis zum Kriegsende tätigen Orchesters zu den nationalsozialistischen Machthabern suggerieren, eröffnet Regisseur Enrique Sánchez Lansch seine Dokumentation zum 125-jährigen Bestehen der weltberühmten Berliner Philharmoniker âDas Reichsorchesterâ. So führt der Regisseur unmittelbar in das Thema des Dokumentarfilms ein: Die Geschichte der Berliner Philharmoniker in den Jahren 1933 bis 1945. Bis 1934 war das Berliner Philharmonische Orchester eine private Gesellschaft, bei der die Philharmoniker selbst als Kommanditisten fungierten. Durch die Weltwirtschaftskrise stand jedoch das Orchester vor dem finanziellen Ruin. Chefdirigent Wilhelm Furtwängler wandte sich hilfesuchend an Goebbels, der das Propagandapotenzial der Berliner Philharmoniker erkannte. Er unterstellte das Orchester der direkten Aufsicht seines Propagandaministeriums. Aus der selbstverwalteten Institution wurde âDas Reichsorchesterâ. Wie wichtig das Berliner Philharmonische Orchester dem Propagandaminister war, zeigt sich etwa darin, dass Goebbels nach Kriegsbeginn für die Musiker einen Unabkömmlichkeitsvermerk ausstellte, der die Philharmoniker vor dem Einzug zum Kriegsdienst und sogar zum Volkssturm bewahrte. Dafür spannte Goebbels das Orchester für seine Propagandazwecke ein: Es wurde zu einem kulturellen Botschafter der Nazis. Dafür konnte es im Krieg unter idealen Bedingungen arbeiten â ähnlich Leni Riefenstahl im Film. Regisseur Sánchez Lansch befragt noch lebende Orchester-Mitglieder insbesondere den heute 96-jährigen Johannes Bastiaan, der 1934 als 23-Jähriger zum Orchester kam, und Erich Hartmann, Philharmoniker ab 1943. Neben diesen letzten noch lebenden Philharmonikern, die vor 1945 im Orchester spielten, kommen auch Kinder von einstigen Mitgliedern zu Wort. âEchteâ Nazis gab es wohl unter den Philharmonikern kaum, gibt Johannes Bastiaan zu bedenken. âHöchstens eine Handvollâ. Ein âNazi-Orchesterâ waren die Berliner Philharmoniker ganz gewiss nicht. Aber sich etwa dagegen aufzulehnen, dass im Jahre 1934 die wenigen jüdischen Kollegen das Orchester verlassen mussten, das haben sie auch nicht gewagt. Dafür hätten sie selbst austreten müssen. âMan hing zu sehr am Orchester und am Musikmachenâ, fasst Bastiaan die Haltung zusammen. âWir waren wie Kinder, die sich um Politik keine Gedanken machten.â Hin und wieder hätten sie sich trotzdem die Frage gestellt, ob sie benutzt würden, etwa bei Auslandsreisen ins âbefreundete Auslandâ, etwa nach Spanien und Portugal. Bei einer andern Gelegenheit, auf die Bastiaan vor der Kamera zu sprechen kommt, kamen ihm freilich zu dem Zeitpunkt keine Bedenken: Anfang des Krieges erhielt Bastiaan die Gelegenheit, sich im Tresorraum einer Bank eine wertvolle Geige auszusuchen. Woher diese Bestände kamen â das fragte sich Johannes Bastiaan erst Jahrzehnte später. Gerne genossen die Philharmoniker die Privilegien von Goebbels Schirmherrschaft. Erstaunlich auch die Kontinuität über das Kriegsende und die âStunde Nullâ hinweg: Am 16. April 1945 findet das letzte Konzert während des Krieges statt. Am 26. Mai gaben sie ihr erstes Konzert nach Kriegsende. Bewusst wurde ein unter den Nazis verbotener Komponist dafür ausgewählt. Gespielt wurde u.a. Mendelssohns Ouvertüre âEin Sommernachtstraumâ. Zum Schluss schildert âDas Reichsorchesterâ zwei unterschiedliche Schicksale von jüdischen Mitgliedern, die von den Nazis entfernt wurden: Kehrte der eine 1961 nach Deutschland zurück, um wieder ins Orchester aufgenommen zu werden, so betrat der andere nie wieder deutschen Boden. |
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