LIEBE IN MIR, DIE | Reign Over Me
Filmische Qualität:   
Regie: Mike Binder
Darsteller: Adam Sandler, Don Cheadle, Jada Pinkett Smith, Liv Tyler, Safforn Burrows, Cicely Tyson, Robert Klein, Melinda Dillon, Mike Binder, Ted Raimi
Land, Jahr: USA 2007
Laufzeit: 125 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 8/2007
Auf DVD: 12/2007


José García
Foto: Sony

Der 11. September 2001 hat auch im Kino Spuren hinterlassen. Gerade weil sich die Fernsehbilder aus diesem Tag so sehr ins kollektive Gedächtnis eingeprägt hatten, bestanden die ersten Versuche einer filmischen Aufarbeitung der Terroranschläge zunächst in einer distanziert verfremdeten Bildersprache. So entstand etwa bereits im Jahre 2002 der Kompilationsfilm „11’09’’01“ (siehe Filmarchiv), in dem elf Regisseure aus verschiedenen Kulturkreisen den 11. September in den Kontext der globalen Gewalt zu stellen versuchten.

Erst Oliver Stones „World Trade Center“ (siehe Filmarchiv) machte den Versuch, die Ereignisse des 11. September unmittelbar auf die Leinwand zu bringen. „World Trade Center“ schildert die authentische Geschichte zweier Polizisten, die unter den letzten Überlebenden aus den Trümmern der Zwillingstürme gerettet werden konnten.

Einen neuen Zugang zu dem Trauma, das der 11. September in der amerikanischen Gesellschaft verursachte, bietet nun Mike Binders „Die Liebe in mir“ („Reign over me“) dadurch, dass der Spielfilm einen Angehörigen der Opfer des Attentates in den Mittelpunkt stellt: Charlie Fineman (Adam Sandler) verlor seine Frau und seine drei Töchter am 11. September 2001. Sie gehörten zu den Passagieren eines der beiden Flugzeuge, die in die Zwillingstürme hineinkrachten.

Charlie fährt auf einem motorbetriebenen Roller ziellos durch die Straßenschluchten New Yorks. Die überdimensionalen Kopfhörer isolieren ihn von seiner Umwelt, denn seit der Tragödie hat er mit seinem vorherigen Leben abgeschlossen. Dieses hält er in Kisten in einer halbeingerichteten Wohnung verpackt, deren Küche er immer wieder renoviert – eine Obsession, die mit dem letzten Telefonat mit seiner Frau kurz vor deren Tod zusammenhängt. In der Wohnung spielt er von allem abgeschottet immer wieder das Computerspiel „Shadow of the Colossus“, reagiert sich am Schlagzeug ab, oder hört Musik aus seinen glücklichen Jugendjahren, unter anderem auch den (Original-)titelgebenden Song „Love Reign Over Me“ von The Who. Der Rückzug in die Zeit vor der Familiengründung ist Charlies persönliche Therapie, um den durch den Verlust der Familie verursachten Schmerz auszublenden.

Eines Tages tritt ein Freund aus diesen unbeschwerten Studientagen eher zufällig erneut in Charlies Leben: Alan Johnson (Don Cheadle) trifft seinen einstmaligen College-Zimmergenossen an einer Straßenecke in Manhattan nach Jahren wieder. Obwohl Charlie Alan zunächst nicht einmal wiederzuerkennen scheint, gibt Alan nicht auf. Weil Alan aus Charlies längst vergangener Zeit stammt, ist er am ehesten in der Lage, ihm zu helfen.

Für Alan, der in einer gutgehenden Gemeinschaftspraxis mitten in Manhattan arbeitet sowie eine reizende Frau (Jada Pinkett Smith) und hinreißende Kinder hat, stellt sich die Aufgabe, seinem ehemaligen Freund ins Leben zurückzuholen, als eine Gelegenheit, selbst aus dem langweilig gewordenen Durchschnittsleben herauszutreten. Dass sich nicht nur Charlie, sondern auch Alan mitten in einer Sinnkrise befindet, wird in einer Schlüsselszene von „Die Liebe in mir“ deutlich, als seine Frau ihm vorwirft, eigentlich auf Charlies grenzenlose Freiheit neidisch zu sein.

So erweist sich „Die Liebe in mir“ als ein Film über Freundschaft, über das gegenseitige Sichaufrichten. Wenn sich Alan zusammen mit Charlie stundenlang mit dem Computerspiel beschäftigt, oder spontan zu einer Kinonacht aufbricht, tut es ihm wenigstens genauso gut wie Charlie. Alan verliert jedoch nicht aus den Augen, dass Charlies Trauerarbeit nicht im Verdrängen besteht, auch wenn der Prozess langwierig und nicht ohne Rückschläge zu vollziehen sein wird.

In langen Großaufnahmen schaut Russ Alsobrooks Kamera diesem Prozess zu, um dann in ebenso langen Kamerafahrten ein New York zu zeigen, das – ähnlich in Woody Allens Filmen aus den siebziger und achtziger Jahren – zu einem regelrechten Protagonisten wird. Obwohl sich der Film bisweilen in einigen Nebensträngen zu verlieren droht, hält er vortrefflich die Balance zwischen hochdramatischen und urkomischen Momenten.

Mit „Die Liebe in mir“ gelingt Drehbuchautor und Regisseur Mike Binder eine indirekte Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse des 11. Septembers. Darüber hinaus behandelt er das allgemein gültige Sujet des Umgangs mit Verlust und Trauer.
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