ZUSAMMEN IST MAN WENIGER ALLEIN | Ensemble, c'est tout
Filmische Qualität:   
Regie: Claude Berri
Darsteller: Audrey Tautou, Guillaume Canet, Laurent Stocker, Françoise Bertin, Alain Sachs, Firmine Richard, Béatrice Michel
Land, Jahr: Frankreich 2007
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 8/2007
Auf DVD: 2/2008


José García
Foto: Prokino

In einer immer individualistischer werdenden Gesellschaft leben viele Menschen, zumal in der Großstadt, eher neben- als miteinander. Paris bildet die Kulisse für ein Einsamkeitsdrama in etlichen französischen Filmen, ob sie nun die Sehnsucht nach einem einfachen Leben auf dem Land („Eine Schwalbe macht den Sommer“, Christian Carion 2001, siehe Filmarchiv) oder das Liebesbedürfnis des Menschen („Schau mich an!“, Agnès Jaoui 2004, siehe Filmarchiv) als Zugang zu einer Zustandbeschreibung des Lebens in der Metropole wählen.

Der nun anlaufende Spielfilm von Claude Berri „Zusammen ist man weniger allein“ („Ensemble c’est tout“) verdichtet die Sehnsucht nach Geborgenheit in der anonymen Stadt auf eine Pariser Wohngemeinschaft, in der drei, später vier sehr unterschiedliche Menschen eher zufällig zusammengekommen sind. Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Erfolgsroman der 37-jährigen französischen Autorin Anna Gavalda.

Der Film übernimmt die Sicht der 26-jährigen Camille (Audrey Tautou), die sich als Mitglied einer nächtlichen Putzkolonne ihren Lebensunterhalt verdient. Eigentlich wollte Camille Zeichnerin werden, weil sie wirklich künstlerisches Talent besitzt, aber um sich den hohen Erwartungen ihrer dominanten Mutter zu entziehen, hat sie sich für den Beruf „Fachfrau für Oberflächen“ entschieden. Camille lebt zurückgezogen in einer kleinen Dachwohnung in einem großen Mietshaus in Paris.

In demselben Miethaus, allerdings in der Beletage, wohnt Philibert (Laurent Stocker), ein verarmter Adliger, der stets altmodische Anzüge und Fliege trägt. Eigentlich ist er Historiker, arbeitet aber im Postkartenkiosk eines Museums. Am liebsten wäre er Schauspieler geworden, vorher müsste Philibert freilich das Stottern überwinden.

Als Philibert Camille krank in ihrem Kabäuschen findet, holt er sie gentlemanlike in diese luxuriöse Wohnung, die Philibert bis zu deren Verkauf bewohnen darf. Allerdings hat Philibert bereits einen Untermieter: Franck (Guillaume Canet), der als Koch in einem Feinschmeckerlokal arbeitet. Franck verbringt seine knapp bemessene Freiheit mit kurzen Liebesaffären, seinem Motorrad und seiner Großmutter Paulette (Françoise Bertin), die nach einem Schlaganfall im Altersheim wohnt – was ihr nicht sonderlich behagt. Vom Einzug Camilles in die Männer-WG zeigt sich Franck nicht besonders angetan, zumal er die magere und scheue Frau ziemlich androgyn findet.

Vier einsame, unzufriedene Menschen, die zusammen nicht nur weniger alleine sind, sondern sich darüber hinaus gegenseitig aufrichten wie „ein umgekehrter Domino-Effekt“ (Anna Gavalda über ihren Roman). Bei einer solchen Konstellation weiß spätestens jetzt der geübte Kinogänger, wie sich die Geschichte entwickeln wird, zumal Philiberts Liebeswunsch auch anderweitig in Erfüllung geht.

Diese Vorsehbarkeit tut indes der frischen Inszenierung keinen Abbruch. Denn Claude Berri folgt der Tradition des französischen Kinos, und sieht offenbar die erste Aufgabe eines Filmregisseurs darin, seine Schauspieler so zu führen, dass sie vor allem natürlich wirken. Weil der Roman in Anlehnung an „Die fabelhafte Welt der Amélie“ schon einmal „Die fabelhafte Welt der Camille“ genannt wurde, erweist es sich als gekonnter Schachzug, die Rolle der Camille mit Audrey Tautou zu besetzen, bleibt sie doch dem Zuschauer noch immer insbesondere als „Amélie“ in Erinnerung.

Zwar wurde es dem Roman attestiert, „formal etwas von einem Drehbuch“ zu haben (Barbara Villiger Heilig in der Neuen Zürcher Zeitung, 16.02.2005). Die Adaption eines 550 Seiten starken Buches auf Spielfilmlänge ist jedoch nur mit Abstrichen und insbesondere mit einem elliptischen Erzählen möglich. Der Zuschauer ahnt mehr als dass es ihm plausibel gemacht wird, dass alle Figuren mit biographischen Verletzungen belastet sind. Dass der Regisseur manchmal auf mit Musik untermalte Bilderfolgen ohne Zusammenhang zurückgreift, mutet ebenfalls merkwürdig an.

Dennoch: Zu der Natürlichkeit der Darstellung, die sich etwa in den ungekünstelt wirkenden Dialogen ausdrückt, gesellt sich die genaue Beobachtung von alltäglichen Vorgängen, die „Zusammen ist man weniger allein“ zu einem alles andere als bedeutungsschweren Stück Kino über die Sehnsucht nach Freundschaft, Geborgenheit und Liebe macht.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren