PROJEKT GOLD - EINE DEUTSCHE HANDBALL-WM | Projekt Gold - Eine deutsche Handball-WM
Filmische Qualität:   
Regie: Winfried Oelsner
Darsteller: (Mitwirkende): Heiner Brand, Mimi Kraus, Henning Fritz, Christian Schwarzer, Oliver Roggisch, Torsten Jansen, Andrej Klimovets, Lars Kaufmann
Land, Jahr: Deutschland 2007
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 7/2007
Auf DVD: 10/2007


José García
Foto: Kinowelt

Mit seiner Dokumentation „Deutschland. Ein Sommermärchen“ (siehe Filmarchiv) setzte Sönke Wortmann 2006 der Fußball- Nationalmannschaft ein Denkmal. Einziger Wermutstropfen: Deutschland wurde zwar „Weltmeister der Herzen“, weil den meisten Fans der dritte Platz wie der Titelgewinn vorkam, den Pokal gewann aber Italien.

Diesen Kunstfehler hat Winfried Oelsners Handball-WM-Dokumentation nicht zu befürchten: Am 4. Februar 2007 wurde die deutsche Handball-Nationalmannschaft entgegen aller anfänglichen Erwartungen tatsächlich Weltmeister.

Der Erfolg machte nicht nur eine Sportart, die stets im Schatten des Fußballs gestanden hat, immer populärer. Er kam auch der Dramaturgie des Oelsner-Filmes außerordentlich zugute. Denn obwohl „Projekt Gold“ nicht mit dem Stimmungstief nach einer Niederlage beginnt, reihen sich die Bilder nach der 25:27-Schlappe gegen Polen in der Vorrunde doch in den Spannungsbogen hervorragend ein: Deutschland beginnt als Außenseiter, ist nach der Vorrunden-Niederlage so am Boden zerstört wie die Fußballer in der Eingangssequenz des „Sommermärchens“ nach dem Halbfinale-Verlust, kann sich aber wieder fangen.

Die Mannschaft steigert sich von Spiel zu Spiel, und erreicht das Finale gegen Polen. Womit das „Projekt Gold“ in seiner Dramaturgie einem weiteren Sönke Wortmann-Film gleicht. Spielte doch im „Wunder von Bern“ die deutsche Nationalauswahl im Endspiel gegen den einzigen Gegner, der sie in einem Gruppenspiel besiegt hatte: Ungarn. Schlug 1954 der Außenseiter den Favoriten, so schafft auch 2007 die deutsche Handball-Nationalmannschaft das Unglaubliche: Weltmeister zu werden. Damit gelang Heiner Brand das Kunststück, als Spieler (1978) und als Trainer Weltmeister zu werden. Zum Vergleich: Im Fußball konnten diese „Doppelkrone“ bislang lediglich der Brasilianer Zagalo sowie Franz Beckenbauer erringen.

Als großer Pluspunkt für die Stimmung in der Mannschaft, aber auch für die Inszenierung erweist sich der „reaktivierte“ Christian Schwarzer, der mit seinen 37 Jahren mitten im Turnier zu der Mannschaft stieß. Nach der Polen-Niederlage sitzt er in der Kabine und isst seelenruhig Salzstangen, während er seinen Mitspielern Mut macht: „Wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken“.

Ähnlich im „Sommermärchen“ begleiten in „Projekt Gold“ der Regisseur und die Kameramänner Frederik Walker und Mark Liedtke die Spieler bereits bei den Vorbereitungen. Die Kamera ist ebenfalls bei den Mannschafts-Besprechungen oder auch bei den Motivations-Sitzungen dabei. Stets auf Augenhöhe mit den Spielern, ohne jedoch zu stören oder ins Geschehen einzugreifen. Wie in „Sommermärchen“ folgt der Regisseur den Akteuren ins Hotelzimmer. Nur dass statt „Poldi & Schweini“-Clownerien die Handballspieler Ernstes von sich geben, etwa wenn sie schildern, wie sie zu dieser Sportart gekommen sind. Oder wenn sie eindrucksvoll von den Verletzungen erzählen, die ein Profi in dieser extrem harten Sportdisziplin im Laufe seiner Karriere erleidet.

Diese Augenblicke, in denen der Zuschauer Näheres vom Handballer erfährt, gehören zu den stärksten Momenten von „Projekt Gold“. Viel über die Sportart sagen allerdings auch die Bilder aus, die Bundestrainer Heiner Brand und seine Mannen am Hauptbahnhof Berlin und dann im Zug zeigen: Sie stehen etwas verloren da, ohne dass jemand von ihnen Notiz nimmt. Sie müssen sogar um ihre reservierten Plätze kämpfen. Vom Bekanntheitsgrad des Fußballs ist Handball noch ganz weit entfernt.

Da die beiden Dokumentarfilme nach dem gleichen Grundkonzept arbeiten, versucht
Regisseur Oelsner an einigen Stellen, sich von Sönke Wortmanns „Sommermärchen“ abzusetzen. So konzentriert er sich im Gegensatz zur Fußballdokumentation in der zweiten Filmhälfte vorwiegend auf den Verlauf der Spiele. Die Spielzusammenfassungen aus Fernsehbildern, die er immer wieder ins Bild rückt, stellen allerdings keinen Zugewinn dar, weil sie für die große Leinwand kaum taugen. Trotzdem: „Projekt Gold“ kann dem Handball zu einer größeren Bekanntschaft verhelfen.
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