ITALIENER, DER | Il caimano
Filmische Qualität:   
Regie: Nanni Moretti
Darsteller: Silvio Orlando, Margherita Buy, Jasmine Trinca, Michele Placido, Guiliano Montald, Antonio Luigi Grimaldi, Paolo Sorrentino, Elio De Capitani
Land, Jahr: Italien 2006
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S
im Kino: 7/2007


José García
Foto: Alamode Film

Filme über Regisseure, die seit Jahren keinen Film mehr gedreht haben, das schien bislang die Spezialität von Woody Allen zu sein. So spielt der New Yorker Altmeister selbst in „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1989) einen idealistischen Dokumentarfilmer, der Jahre nach einer lobenden Erwähnung bei einem eher unbekannten Filmfestival noch immer auf die nächste Arbeit wartet. In „Hollywood Ending“ (2002) mimt Woody Allen wieder selbst einen Filmregisseur, dessen beste Tage längst vergangen sind.

Nun nimmt sich der einst als „der europäische Woody Allen“ gefeierte italienische Regisseur Nanni Moretti dieses Themas an, um fünf Jahre nach seinem letzten, mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichneten Spielfilm „Das Zimmer meines Sohnes“ (siehe Filmarchiv) auf die Leinwand zurückzukehren.

So erzählt Morettis nun im deutschen Kino anlaufender Film „Der Italiener“ („Il caimano“) vom leidenschaftlichen Filmemacher Bruno Bonomo (Silvio Orlando), der seit vielen Jahren nichts mehr produziert hat. Bonomos Firma steht vor dem Konkurs, nachdem sich für sein Superproduktions-Projekt „Die Rückkehr des Christoph Kolumbus“ keine Geldgeber finden lassen. Aber auch seine Ehe mit der einstigen Hauptdarstellerin seiner Filme Paola (Margherita Buy) steht kurz vor dem Aus. Nur wegen der Kinder lässt sich Paola von ihm nicht scheiden, wenigstens vorerst.

In dieser aussichtslosen Situation fängt Bonomo an, das Drehbuch zu lesen, das ihm die junge Teresa (Jasmine Trinca) nach einer Veranstaltung gesteckt hatte. Der Zuschauer hat zwar die sich in der Fantasie des lesenden Bruno Bonomo entwickelnde Hauptfigur nicht zuletzt wegen der frappierenden Ähnlichkeit des Schauspielers, der diese Film-im-Film-Rolle spielt, längst mit Silvio Berlusconi identifiziert. Der Produzent von billigen B-Movies glaubt nach einem flüchtigen Lesen hingegen, dass sich daraus ein Actionfilm machen lässt. Erst im Vorfeld einer Besprechung mit dem Fernsehsender Rai dämmert es ihm, um wen es sich bei Teresas Drehbuch eigentlich handelt.

Insgesamt viermal ist Silvio Berlusconi in Morettis Film zu sehen: als dem italienischen Medienmogul zum Verwechseln ähnlich aussehender Schauspieler in Bonomos Fantasie und in den authentischen Aufnahmen der berühmten Rede im EU-Parlament, als der damalige Ratspräsident Silvio Berlusconi einem deutschen EU-Abgeordneten nahe legte, in einem Film als KZ-Kapo aufzutreten, sowie in der Darstellung durch zwei Schauspieler bei den Proben beziehungsweise der Verfilmung von Teresas Drehbuch.

Für die Hauptrolle in „Il Caimano“ gewinnt Produzent Bonomo zunächst den selbstsüchtigen Leinwandstar Marco Pulici (Michele Placido). Als dieser später unter einem fadenscheinigen Vorwand vom Projekt abspringt, übernimmt die Berlusconi-Rolle ein Schauspielerfreund Bonomos (der von Nanni Moretti selbst gespielt wird), der zunächst den Part abgelehnt hatte: „Über Berlusconi weiß man schon alles – wenn man es wissen will“.

Was sich auf dem Papier als äußerst komplex liest, wird von Nanni Moretti mit leichter Hand inszeniert, so dass die unterschiedlichen Ebenen in „Der Italiener“ stets eindeutig voneinander unterschieden werden können.

Dass Nanni Moretti mit seinem gewohnten Vollbart selbst als letzter Berlusconi-Darsteller im Film-im-Film auftritt, macht deutlich, dass es dem italienischen Regisseur gar nicht um äußere Ähnlichkeit geht, sondern um die politische Botschaft, die der erklärte Berlusconi-Gegner auch im letzten Akt des Filmes in einen aus Berlusconi-Zitaten zusammengesetzten Monolog kleiden kann.

Die durch die vierfache Brechung Berlusconis erreichte Verfremdung verdeutlicht freilich auch, dass es sich bei „Il caimano“ um keinen bloßen Agitationsfilm handelt, zumal Moretti die wütendste Abrechnung mit Berlusconi seiner Figur, der jungen Drehbuchautorin Teresa, überlässt. „Der Italiener“ handelt eher von der Komplexität, sich mit dem „Phänomen Berlusconi“ filmisch auseinander zu setzen.

„Der Italiener“ als einen Film über Berlusconi zu bezeichnen, griffe allerdings zu kurz. Denn mit der Berlusconi-Schelte verknüpft Nanni Moretti Themen, die ihn persönlich angehen, so das Familiendrama und die Hommage an das klassische Kino.
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