KLANG DER STILLE | Copying Beethoven
Filmische Qualität:   
Regie: Agnieszka Holland
Darsteller: Ed Harris, Diane Kruger, Matthew Goode, Ralph Riach, Joe Anderson, Nicholas Jones
Land, Jahr: USA/Deutschland 2006
Laufzeit: 104 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2007
Auf DVD: 8/2007


José García
Foto: Concorde

Milos Formans mit 8 Oscars ausgezeichneter Spielfilm „Amadeus“ (1984) bewirkte eine Neuinterpretation des Musikgenies: Das Bild Wolfgang Amadeus Mozarts erfuhr eine grundlegende Umwertung. Im Gegensatz zum traditionellen Mozart-Bild eines zwischen Ehealltag und künstlerischer Leidenschaft hin- und hergerissenen Kleinbürgers wird Mozart heute in weiten Kreisen als unangepasster Popkünstler angesehen.

Eine ähnliche Neuinterpretation von Ludwig van Beethoven hat die polnische Drehbuchautorin und Regisseurin Agnieszka Holland mit ihrer Filmbiografie „Klang der Stille“ sicher nicht angestrebt. Soviel sei bereits jetzt vorweggenommen.

„Klang der Stille“ schildert die letzten Jahre von Ludwig van Beethoven. Nach einer kurzen Einführung, die den Tod des großen Meisters (26. März 1827) antizipiert, macht der Film einen Sprung ins Jahr 1824, als Ludwig van Beethoven mit den Vorbereitungen für die Uraufführung seiner 9. Symphonie (7. Mai) beschäftigt ist. Über die Arbeit an der Symphonie, die er hauptsächlich seit Herbst 1822 komponiert und im Februar 1824 vollendet hatte, erzählt Hollands Film indes nichts. Auch nicht etwa, warum Ludwig van Beethoven Schillers Ode „An die Freude“ für den Schlusschor seiner letzten Symphonie wählte.

Getreu seinem Originaltitel „Copying Beethoven“ konzentriert sich Agnieszka Hollands Spielfilm vielmehr auf ein Problem, das in der Beethoven-Forschung eine zentrale Rolle einnimmt: das Kopieren der Partitur für das Orchester. So schildert das Forschungszentrum Beethoven-Archiv: „Die Überlieferung von Beethovens Werken ist voller Fehler, die bis in die neuesten Ausgaben übernommen werden. Im Beethoven-Archiv wird ein zuverlässiger Notentext für die Neue Beethoven-Gesamtausgabe erarbeitet.“

In den Wochen vor der Uraufführung, die nicht wie ursprünglich geplant in London, sondern in Wien stattfinden sollte, sucht Beethoven also nach einem Kopisten. So engagiert sein Verleger Wenzel Schlemmer (Ralph Riach) die (fiktive) junge Konservatoriums-Studentin Anna Holtz (Diane Kruger), damit sie die Noten zu Papier bringt.

Zu diesem Zeitpunkt ist der 54-jährige Ludwig van Beethoven (Ed Harris) gesundheitlich schwer angeschlagen. Vor allem leidet er am Verlust seines Gehörs. Nur widerwillig lässt er sich auf die Zusammenarbeit mit der jungen Frau ein. Im Laufe der Zeit entwickelt sich jedoch zwischen den so unterschiedlichen Menschen ein intellektuelles Einverständnis, das an die Beziehung zwischen dem Maler Vermeer und seiner Muse in „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ erinnert.

Obwohl „Klang der Stille“ ein akkurates Produktionsdesign vorweisen kann, wirkt der Film über weite Strecken wie „gefilmtes Theater“, sei es weil die Regisseurin weitestgehend auf Außenaufnahmen verzichtet, sei es, weil er sich fast ausschließlich auf das Spiel der zwei Personen konzentriert.

Dabei kann allerdings Ed Harris an seine Darstellung von Jackson Pollock („Pollock, 2000, siehe Filmarchiv) mühelos anknüpfen, schließlich steht bei Agnieszka Holland Ludwig van Beethoven und vor allem seine Musik im Mittelpunkt. Wie in der Rolle des exzentrischen Malers hat sich der Schauspieler die Eigenarten des Komponisten angeeignet.

Das Herzstück von „Klang der Stille“ stellt indes die Aufführung der Neunten Symphonie dar. Weil der so gut wie vollständig gehörlose Beethoven selbst nicht mehr dirigieren kann, übernimmt seine Kopistin die Aufgabe, bei der Uraufführung ihm die Bewegungen vorzugeben, die der Komponist wiederum nur „kopieren“ muss. Der Film setzt diesen Prozess in eine Schnitt-Gegenschnitt-Sequenz um. Obwohl die Bewegungen von Diane Kruger als Anna Holtz kaum überzeugend wirken, berühren diese Augenblicke den Zuschauer, der Beethovens großen Triumph „hautnah“ erleben kann.

Wie so manches Künstlerporträt macht auch „Klang der Stille“ einen großen Bogen um die entscheidende Frage des künstlerischen Prozesses. Auch deshalb liefert der weitgehend konventionell inszenierte Spielfilm keine Neuinterpretation Beethovens. Dennoch: Vielen Zuschauern kann er einen Zugang zu einem der größten Komponisten der Musikgeschichte eröffnen.
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