THE GOOD GERMAN | The Good German
Filmische Qualität:   
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: George Clooney, Cate Blanchett, Tobey Maguire, Beau Bridges, Tony Curran, Leland Orser, Jack Thompson, Robin Weigert, Ravil Isyanov
Land, Jahr: USA 2006
Laufzeit: 108 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: S, X
im Kino: 3/2007


José García
Foto: Warner Bros.

Die „Stunde Null“ fand ihren filmischen Niederschlag in zwei klassischen Filmwerken. So verhalf Roberto Rossellini mit seinem „Rom, offene Stadt“ (1945) dem so genannten italienischen Neorealismus zum Durchbruch. Carol Reeds „Der dritte Mann“ (1949) setzte wiederum das Nachkriegs-Wien derart in Szene, dass die Stadt zu einem oder gar zum Hauptdarsteller schlechthin wurde. Die Geschichte um Betrug, Korruption und Mord stellte einen Gegenpol zu „Casablanca“ (1942) dar: „Wenn ‚Casablanca’ den Optimismus in Kriegszeiten einfängt, dann fängt ‚Der dritte Mann’ den Pessimismus einer Welt ein, in der Auschwitz und Hiroschima erst drei Jahre zurücklagen.“ (Frederick Baker)

Berlin hatte indes noch keinen Film über die „Stunde Null“. Den möchte nun der amerikanische Regisseur Steven Soderbergh mit „The Good German“ mehr als sechzig Jahre danach liefern. Dabei greift er als Vorlage auf den im Jahre 2001 veröffentlichen Roman „The Good German“ („In den Ruinen von Berlin“) von Joseph Kanon zurück.

Bereits das dem Film vorangehende, an die 40er Jahre erinnernde „Warner Brothers“-Logo kündigt den bewusst altmodischen Stil von „The Good German“ an. Dem folgen zunächst Dokumentaraufnahmen aus der „Stunde Null“, die in ebenso grobkörnige Schwarzweiß-Filmbilder übergehen. Der ganze Film ist in einem hart ausgeleuchteten, effektvollen Schwarz-Weiß gefilmt, das vor allem die Gesichter im Halbdunkel lässt. Soderbergh übernimmt weitere Stilmittel wie Off-Kommentare, Rückprojektionen und selbst die „Wischer-Blenden“ aus der Zeit des „film noir“. Die Protagonisten bewegen sich zwischen den Kulissen genauso wie in den 40er Jahren – die Kulissenhaftigkeit der Trümmer Berlins bleibt (bewusst?) stets erhalten.

„The Good German“ imitiert den italienischen Neorealismus, zitiert sowohl die Kanalisationsbilder aus dem „Dritten Mann“ als auch die Abschiedsszene mit breitkrempigem Hut und Propellerflugzeug im Hintergrund aus „Casablanca“. Dies tut allerdings Steven Soderbergh im Gegensatz etwa zu Woody Allens „Mach’s noch einmal Sam“ (1972) ohne jede ironische Brechung.

Bei so viel Aufmerksamkeit, die der Regisseur dem Erscheinungsbild seines Filmes widmet, bleibt dessen Handlung auf der Strecke. Im Mittelpunkt von „The Good German“ steht der amerikanische Kriegskorrespondent Jake Geismer (George Clooney), der nach dem Sieg der Alliierten 1945 nach Berlin zurückkehrt, um über die Potsdamer Konferenz zu berichten.

Geismer kennt Berlin aus besseren Zeiten, als er dort vor dem Krieg als Journalist arbeitete. Damals hatte er eine deutsche Geliebte, Lena Brandt (Cate Blanchett). Nun erfährt Geismer, dass sie die Freundin eines amerikanischen Corporals geworden ist. Als eben dieser Corporal Tully (Tobey Maguire) tot aufgefunden wird, kommt Geismer einem Komplott auf die Spur.

„The Good German“ erzählt wie „Der Dritte Mann“ von einem Schwarzmarkt, auf dem nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit Waffen, Dokumenten und „Persilscheinen“ gehandelt wird. Im Gegensatz aber zu der kürzlich im Goldmann-Verlag neu aufgelegten Romanvorlage verschenken Regisseur Steven Soderbergh und Drehbuchautor Paul Attanasio jegliche Spannung, weil Beziehungen, die in Joseph Kanons Roman lange im Dunklen bleiben, im Film sofort ans Tagelicht gezerrt werden.

Dass ein mehr als 600 Seiten starker Roman auf dem Weg zur Drehbuchfassung vereinfacht werden, dass manche Figur verschwinden muss, liegt auf der Hand. Warum aber das Gespann Soderbergh/Attanasio die Romanfiguren, allen voran Lena, bis zur Unkenntlichkeit verbiegen, bleibt ihr Geheimnis. Auf diese Weise vermögen, im Gegensatz zu den nuanciert gezeichneten Charakteren im Roman, die Figuren der Filmfassung den Zuschauer nicht für sich einzunehmen.

Steven Soderbergh wollte einen ähnlichen Film wie die Klassiker aus den 40er Jahren schaffen. Im Gegensatz aber etwa zu Clint Eastwood in „Letters from Iwo Jima“ (siehe Filmarchiv) tut er es auf der Oberfläche der reinen Attrappe. „Letters from Iwo Jima“ wurde ebenfalls in ausgebleichten Farben gedreht. Bei Clint Eastwood sind die entsättigten Farbtöne jedoch kein ästhetisches Konzept und schon gar nicht billige Imitation. Regisseur Eastwood gelingt der Bogen zu den klassischen Hollywoodfilmen, weil er weniger auf Nachahmung als auf die Schaffung eines eigenständigen Filmwerkes zielt. Dies kann jedoch von Steven Soderberghs „The Good German“ leider nicht behauptet werden.
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