BERLINALE 2007 | Generation 14 plus
Filmische Qualität:   
Regie: Verschiedene
Darsteller:
Land, Jahr: Verschiedene 2007
Laufzeit: 0 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen:
im Kino: 2/2007


José García
Foto: Berlinale

Wie jedes Jahr seit mehr als einem halben Jahrhundert blickte die Filmwelt erneut vom 8.- 18. Februar nach Berlin. Obwohl die Öffentlichkeit am „Wettbewerb“ der Internationalen Filmfestspiele Berlin mit seinen „Stars“ sowie dem „Goldenen“ und den „Silbernen Bären“ besonderen Anteil nimmt, gehört zur Berlinale weit mehr als das so genannte große internationale Kino, das in dieser Hauptreihe gezeigt wird. So gliedert sich das offizielle, im Jahre 2007 aus 373 Filmwerken bestehende Filmprogramm der Berlinale in insgesamt sechs Sektionen.

Die jüngste von ihnen heißt seit diesem Jahr „Generation 14plus“. Ins Leben gerufen wurde die Reihe „14plus“ 2004 als spezifische Sektion für 14- bis 18-jährige Zuschauer, weil sich die Beiträge des seit 1978 stattfindenden Kinderfilmfestes (seit diesem Jahr „Generation Kplus“ genannt) an Kinder bis 14 Jahren wenden, die weiteren Reihen der Berlinale jedoch einem Publikum ab 18 Jahren vorbehalten sind. Nach Sektionsleiter Thomas Hailer „thematisieren sie auf verschiedenste Weise den Weg ins Erwachsenwerden“. Hailer eröffnete am 9. Februar im hoffnungslos überfüllten Zoo-Palast 4 die Sektion zusammen mit Schauspieler Constantin von Jascheroff, der im Jahre 2004 mit „Jargo“ am ersten „Generation 14plus“-Wettbewerb teilnahm.

Eröffnungsfilm dieser insgesamt elf Spielfilme umfassenden Reihe war die brasilianische Produktion „Antonia“ über vier junge Sängerinnen in einem Armenviertel von São Paulo, die durch die Musik dem grauen Alltag entfliehen. Die wohltuende Botschaft von Freundschaft und Vergebung wird leider nicht immer atmosphärisch dicht genug umgesetzt, um den Zuschauer über die 90 Minuten zu fesseln. Allerdings entschädigt die schöne Musik für manch dramaturgische Holprigkeit. Die ernsten Untertöne, die sich in diese „Erwachsenwerden“-Geschichte mischen, zeigen indes einen die „Generation 14plus“ kennzeichnenden Zug: Die Realität wird nicht verschönert.

Dieses Prinzip, das sich die für die „Generation 14plus“ Verantwortlichen auf ihre Fahnen geschrieben haben, kommt insbesondere auch in zwei weiteren Beiträgen zum Vorschein: In der britischen Produktion „This is England“ gerät der 12-jährige Shaun in eine Skinhead-Gruppe, die ihm die Geborgenheit anbietet, die der Junge nach dem Tod seines Vaters vermisst.

Die sozialrealistische Inszenierung von „This is England“ mit ihren ausgewaschenen Farben kontrastiert zwar mit den farbenfrohen Tableaus des indischen Spielfilmes „Vanaja“. Hinter der „Bollywood“-Fassade dieser indischen Produktion lauert jedoch ebenfalls eine Tragödie, die den Schritt ins Erwachsenwerden der titelgebenden Vanaja prägt. „Vanaja“ wurde mit dem „Preis für den Besten Erstlingsfilm“ der Berlinale ausgezeichnet.


Freundschaft über Generationen hinweg

Prägten bereits letztes Jahr die Beziehungen zwischen Jung und Alt einen großen Teil der Filmbeiträge, so setzte sich dieser Trend in der diesjährigen „Generation 14plus“ fort. Dazu bemerkt die Co-Direktorin der Sektion Maryanne Redpath: „Weiterhin auffällig ist, dass wir in diesem Jahr viele Generationenfilme bekommen haben, also Filme, die sich explizit mit dem Verhältnis von alten und jungen Menschen und ihren jeweiligen Lebenswelten auseinandersetzen.“

So erzählt Michael Schroeders „Man in the Chair“ die Geschichte des 17-jährigen Cameron, der auf der Suche nach einem Stoff für seinen Abschlussfilm an der High School über das letzte noch lebende Mitglied des „Citizen Kane“-Kamerateams Flash (Christopher Plummer) an eine Reihe in die Jahre gekommener Filmleute gerät, die mit ihm zusammen den Film realisieren wollen – und dadurch eine neue Aufgabe in ihrem Leben finden. „The Fall“, ein in 27 Ländern gedrehter, opulenter Film im Bollywood-Stil mit vielen schönen Postkartenbildern aus der halben Welt, handelt von einem Stuntman aus der Stummfilmzeit, der nach einem Arbeitsunfall die Beine nicht mehr bewegen kann. Im Krankenhaus erzählt er der 5-jährigen Alexandria eine märchenhafte Geschichte mit Helden und Bösewichten, in die immer mehr Elemente aus dem Leben der beiden einfließen.

Wenn auch die Handlung und der Stil dieser zwei Spielfilme sehr unterschiedlich sind (Hollywood versus Bollywood), so besitzen sie eine Reihe von Gemeinsamkeiten. „Man in the Chair“ und „The Fall“ sind „große internationale“ Filme, die genauso gut in einer „Erwachsenen“-Reihe der Berlinale, etwa in Panorama, hätten vorgeführt werden können. Darüber hinaus werden sie dem neuen Namen der Reihe „Generation“ dadurch ganz besonders gerecht, dass sie von wunderbaren Freundschaften über Generationen hinweg erzählen.

„The Fall“ wurde von der siebenköpfigen Jugendjury mit einer „Lobenden Erwähnung“ bedacht. Die Jugendlichen würdigten „die beeindruckenden Bilder, welche die traumhafte Märchenwelt mit der harten Realität verbinden“. Sie hoben insbesondere auch die „wundervolle Hauptdarstellerin“, die zum Drehzeitpunkt erst siebenjährige Catinca Untaru, hervor: Sie „hat es geschafft, uns zu bezaubern und für 110 Minuten in ihren Bann zu ziehen.“

Der „Gläserne Bär“ für den besten Spielfilm ging jedoch an die internationale Koproduktion „Adama Meshuga’at“ („Sweet Mud“) des israelischen Regisseurs Dror Shaul. Basierend auf seinen eigenen Erinnerungen an das Leben in einem Kibbuz, erzählt Dror Shaul in „Adama Meshuga’at“ die Geschichte des 12-jährigen Dvir (Tomer Steinhof). Nach dem Selbstmord des Vaters leidet die Mutter Miri an Depressionen. Miris Versuch, ihren nichtjüdischen älteren Freund Stephan aus der Schweiz zu heiraten, scheitert daran, dass sich Stephan nicht den rigiden Strukturen eines Kibbuz aus den 70er Jahren anpassen will. Was allerdings die Jury nicht zu stören scheint: Dvirs Entschluss, aus dem Kibbuz auszubrechen, ist mit der schwerwiegenden Entscheidung verbunden, seiner Mutter die Tabletten zu besorgen, mit denen sie Selbstmord begehen kann. Ein Schluss, der die durchaus vorhandenen Qualitäten von „Adama Meshuga’at“ entscheidend mindert.

„Adama Meshuga’at“ wurde mit Unterstützung des von Robert Redford im Jahre 1981 gegründeten Sundance-Instituts entwickelt. Zusammen mit „Man in the Chair“ und „The Fall“ steht der Film für einen Trend in der Reihe „Generation 14plus“ hin zu großem internationalem Kino, das die Sektion zu einem regelrechten „Insider-Tipp“ werden lässt. Was sich im Zuschauerraum bemerkbar macht: Über die eigentliche Zielgruppe der Reihe hinaus bestand augenfällig dieses Jahr die Mehrheit der Besucher aus Erwachsenen.
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