HARRY POTTER UND DIE KAMMER DES SCHRECKENS | Harry Potter and the Chamber of Secrets
Filmische Qualität:   
Regie: Chris Columbus
Darsteller: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Kenneth Branagh, Richard Harris, Maggie Smith, Jason Isaacs, Alan Rickman
Land, Jahr: USA 2002
Laufzeit: 158 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: -


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner Bros.

Die langen Ferien sind zu Ende. Ein Jahr nach dem Kinostart der Verfilmung von „Harry Potter und der Stein der Weisen“, dem ersten Band mit den Abenteuern des von Erfolgsautorin J.K. Rowling erfundenen Zauberlehrlings, beginnt nun für Harry und seine Freunde Ron und Hermine das zweite Schuljahr in der Zaubereischule Hogwarts.

Die Verfilmung des ersten Bandes litt – trotz der alles in allem geglückten Umsetzung des Romans – daran, dass der Film vom Höhepunkt zum Höhepunkt sprang, ohne eine durchgängige Story aufzubauen. Dies lag daran, dass in diesem ersten Film zunächst einmal die Welt des Harry Potter und die Schule Hogwarts mit ihren unterschiedlichen Figuren vorgestellt werden musste. Im zweiten Film „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ ist dies nun nicht mehr erforderlich; der Film kann sich seiner eigentlichen Story widmen: Jene Gefahr zu bannen, die von der wieder geöffneten Kammer des Schreckens für die Schüler in Hogwarts ausgeht. Auch wenn er sich noch immer zu viel Zeit lässt, um in die eigentliche Geschichte einzuführen – die ersten dreißig bis vierzig Minuten nehmen sich wie eine Art Remake der Exposition im ersten Film aus –, besitzt „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ eine einheitliche Handlung, weshalb er runder wirkt als die letztjährige Verfilmung.

„Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ fällt atmosphärisch düsterer aus als die erste Filmadaption. Obwohl einige Szenen, etwa der Angriff der Spinnen in der so genannten Netzkuppel oder Harrys Kampf gegen den Basilisken, nach der Rüge der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ (FSK) entschärft wurden, sind sie nach wie vor so gruselig, dass die nun doch erfolgte FSK-Altersfreigabe ab 6 Jahren fragwürdig erscheint. Zum dunklen Ambiente kontrastieren allerdings die farbenfrohen Kostüme des neuen Professors für „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ Gilderoy Lockhart. Wie Kenneth Branagh die Figur des extravaganten und narzisstischen Lockhart mit Leben füllt, darf als der größte Gewinn von „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ angesehen werden. Branagh, bekannt durch seine mit vielen Preisen überschütteten Shakespeare-Verfilmungen „Heinrich V.“, „Viel Lärm um nichts“, „Hamlet“ und „Verlorene Liebesmüh’“, stiehlt allen anderen Darstellern die Schau. Wunderbar komisch wirkt etwa die Szene, als Professor Lockhart den Klassenraum betritt, in dem ein lebensgroßes Ölbild hängt: Das Gemälde stellt ihn selbst dar, wie er ein Selbstporträt malt, wodurch er also gleichzeitig dreimal auf der Leinwand zu sehen ist. Kenneth Branagh setzt die Eitelkeit des Hochstaplers glaubwürdig um.

Wie schon im ersten Harry-Potter-Film trägt auch in der zweiten Adaption die unaufdringliche Musik John Williams, die das Harry-Potter-Thema aus dem ersten Film aufgreift und weiterentwickelt, wesentlich zum Gesamteindruck bei. Aber auch der Soundtrack wirkt düsterer als die Filmmusik des ersten Teils. Im Zusammenhang mit dem ebenfalls von John Williams für den letzten Steven-Spielberg-Film „Minority Report“ komponierten Soundtrack wurde von „Schwarzweiß-Musik“ gesprochen – diese Bezeichnung trifft ebenfalls für „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ zu.

Die Filmadaption des zweiten Harry-Potter-Bandes entwickelt die Themen fort, die im ersten Buch beziehungsweise Film im Vordergrund standen: Freundschaft und Selbstfindung. Wie schon in „Harry Potter und der Stein der Weisen“ steht über der zweiten Filmadaption ein Spruch des betagten Schulleiters Albus Dumbledore, dargestellt vom Ende Oktober verstorbenen Schauspieler Richard Harris: „Wir definieren uns nicht durch unsere Fähigkeiten, sondern durch unsere Entscheidungen.“ Bis in die Diktion hinein erinnert diese Aussage an den großen Zauberer Gandalf aus „Der Herr der Ringe“, der auf die Frage Frodos „Warum wurde ich erwählt?“ antwortet: „Du kannst gewiss sein, dass es nicht wegen irgendwelcher Vorzüge war, die andere nicht besitzen.“

Noch ein weiteres Element scheint dem Epos Tolkiens entnommen worden zu sein: In „Der Herr der Ringe“ zögert Aragorn, sich seiner Königswürde zu stellen, weil er die Befürchtung hegt, wie sein Vorfahre König Isildur zu scheitern. In „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ lähmt Harry die Befürchtung, ein Nachfahre des bösen Zauberers Salazar Slytherin zu sein.

Bedenklich könnte die brutale Art und Weise erscheinen, wie Harry seinen Feind Tom Riddle erledigt. Doch hier handelt es sich, wie auch in „Der Herr der Ringe“, um den Sieg des Guten über das Böse. Auch in der zweiten Harry-Potter-Filmadaption bleibt die Trennung zwischen Gut und Böse stets sichtbar. Mit Tolkiens Epos verbindet „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ ebenfalls, dass der Kampf zwischen Gut und Böse keine Schwarzweißmalerei darstellt. Die Guten sind keine über alles Üble erhabenen Helden. Christen wissen, dass die auf die Erbsünde zurückzuführenden schlechten Neigungen den Menschen trotz seiner Gottebenbildlichkeit ein ambivalentes Wesen sein lässt. Im Märchen wird dies symbolhaft ausgedrückt – so auch im zweiten Potter-Film, als Übervater Dumbledore Harry erklärt, dass in die Narbe, die der Junge auf der Stirn trägt, der Widersacher Lord Voldemort einen Teil seiner Kräfte einfließen ließ.

Nachdem nun das zweiter Schuljahr in Hogwarts zu Ende gegangen ist, beginnt erneut das Warten auf die nächste Episode, bei der allerdings Chris Columbus, der in den zwei bisherigen Potter-Verfilmungen Regie geführt hat, nur noch Mitproduzent sein wird. Die Adaption des dritten Harry-Potter-Buches wird frühestens im kommenden November in die Kinos kommen. Wieder haben die langen Ferien begonnen.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren