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José GarcÃa Foto: Schwarz-Weiss In ihrem Spielfilmdebüt âDas Wunderkind Tateâ (1991) erzählt Jodie Foster vom sieben Jahre alten Fred Tate, der nicht nur hochkomplizierte Rechenaufgaben löst, sondern auch meisterlich Klavier spielt. Weil ihm aber in der Schule weder Lehrer noch Schüler gewachsen sind, wird er zum AuÃenseiter. âDas Wunderkind Tateâ handelt vom Kampf eines Hochbegabten um einen angemessenen Platz im Leben. Fünfzehn Jahre später nimmt sich dieses Sujets der 66-jährige Schweizer Regisseur Fredi M. Murer in âVitusâ an. Schon im Kindergartenalter liest Vitus im Brockhaus. Komplizierte Mathematikaufgaben löst er im Vorbeigehen, und Klavier spielt er ebenfalls wie ein Wunderkind. Nur, dass Vitus nicht allzu gerne als Wunderknabe vorgeführt wird: Als der Junge für die Partygäste seiner Eltern ein Stück von Schumann spielen soll, weigert er sich. Vitus möchte lieber ein normaler Junge sein. Dabei verläuft sein Leben zunächst einmal bestens: Er wohnt bei seinen liebevollen Eltern in einer schönen Wohnung in Zürich. Zwar geht sein Vater (Urs Jucker) im Beruf vollends auf, aber dafür gibt seine Mutter (Julika Jenkins) ihre Berufstätigkeit auf, um sich einer ehrgeizigen Karriere zu widmen: Vitus soll Pianist werden. Ein ânormales Lebenâ bietet dem kleinen Wunderkind indes sein kauziger GroÃvater (Bruno Ganz) in seiner Schreinerei. Ist diese erste Hälfte von âVitusâ mit beinahe dokumentarischer Strenge inszeniert, so kommt durch einen Drehbucheinfall von Regisseur Fredi M. Murer und seinen Mit-Drehbuchautoren Peter Luisi und Lukas B. Suter eine märchenhafte Komponente ins Spiel. Im Gespräch mit dem Autor dieser Besprechung erläutert Fredi M. Murer, diese Drehbuchwendung besitze durchaus autobiografische Züge: âAls Kind bin ich einmal auf den Kopf gefallen. Ich habe diese Situation schamlos ausgenutzt, um nicht in die Schule zu müssen.â Auch Vitus stürzt sich in seinem âBatmanâ-Kostüm vom Balkon. Danach scheint er seine besonderen Begabungen verloren zu haben. Die Mischung aus Fast-Dokumentarischem und Traumhaftem geht in âVitusâ auf, insbesondere dank der Schauspielleistung der zwei Hauptakteure: Bruno Ganz genieÃt sichtlich seine Rolle als liebenswerter GroÃvater, der die Fantasie seines Enkels beflügelt, und dabei von ihr angesteckt wird. Als wahrer Glücksfall erweist sich aber Teo Gheorghiu, der Darsteller des zwölfjährigen Vitus: Nach langer Suche nach einem hochbegabten Klavierspieler fand Murer den Jungen in London, wo Teo Gheorghiu die Purcell-School für musikalisch hochbegabte Kinder besucht. âDas Dokumentarische zeigt sich etwa in der Schlussszene, wo der jetzt 14-Jährige mit dem Zürcher Kammerorchester vor 1400 Zuhörern im groÃen Saal der Züricher Tonhalle selbst das Schumanns Klavierkonzert spieltâ, erläutert dazu der Regisseur. In âVitusâ zeigt Teo Gheorghiu auÃerdem schauspielerische Begabung. Durch den ganzen Film hindurch behält er eine Mischung aus Verträumtheit und Unbeirrbarkeit bei, die ihn als den erfahrenen, erwachsenen Darstellern ebenbürtig erscheinen lässt. Aber auch Fabrizio Borsani, der den sechsjährigen Vitus verkörpert, zieht mit seinen groÃen Augen und seiner Natürlichkeit den Zuschauer in seinen Bann. Von genretypischen Filmen, etwa von Jodie Fosters âDas Wunderkind Tateâ, unterscheidet âVitusâ allerdings die Poesie, die vor allem in den Szenen der Freundschaft zwischen dem Jungen und seinem GroÃvater liegt. Dadurch wird âVitusâ zu einem berührenden Familienfilm, ohne in Sentimentalitäten abzugleiten. Darüber hinaus ist âVitusâ laut Regisseur Murer âin erster Linie eine Liebeserklärung an die inspirierende und versöhnliche Kraft der Musik. Aber ebenso auch eine Liebeserklärung an die âSehnsucht des Lebens nach sich selbstâ, die sich in der Kindheit und Jugend am reinsten, vitalsten und vor allem am eigenwilligsten manifestiert.â Für diese âSehnsucht des Lebens nach sich selbstâ setzt Murer die Metapher des Fliegens ein: Der GroÃvater träumt sein ganzes Leben vom Fliegen und überträgt diesen Traum auf seinen Enkel. In der Schweiz wurde âVitusâ zu einem solch durchschlagenden Publikumserfolg, dass ihn die Schweiz offiziell für die Nominierungen des âOscar als bester nicht-englischsprachiger Filmâ vorgeschlagen hat. |
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