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José GarcÃa Foto: Tobis In der Fortentwicklung der Filmsprache spielen zurzeit nicht nur technische Verfahren â insbesondere durch hochauflösende Kameras und die Digitalisierung â eine entscheidende Rolle. Auch die Durchbrechung linearer Erzählstrukturen etwa durch die Verknüpfung miteinander verwobener Episoden gehören zum jetzigen Trend im Kino. Ein beredtes Beispiel dafür lieferte die diesjährige Verleihung des Oscars für den âBesten Filmâ an das Episoden-Drama âL.A. Crashâ. Alejandro González Iñárritus Film âBabelâ, der beim Filmfestival Cannes 2006 mit dem Preis für die âBeste Regieâ ausgezeichnet wurde, besitzt eine solche Episodenstruktur, in der mehrere, auf drei Kontinenten angesiedelte Handlungsstränge miteinander verknüpft werden. Ein Schuss in der kargen marokkanischen Berglandschaft. Zwei halbwüchsige Hirtenjungen probieren ein soeben von ihrem Vater erworbenes Jagdgewehr aus, und treffen dabei einen Touristen-Reisebus, der unter ihnen eine StraÃe hinauffährt. Die Kugel verletzt die Amerikanerin Susan (Cate Blanchett) schwer, die in der Fremde nach einer Fehlgeburt und der darauffolgenden Ehekrise mit ihrem Mann Richard (Brad Pitt) einen neuen Anfang suchte. Die Versuche ihres verzweifelten Ehemanns, einen Krankenwagen herbeizurufen, stoÃen zunächst auf unerwartete Schwierigkeiten wegen diplomatischer Verwicklungen, denn hinter den Unglücksfall vermuten die US-amerikanischen Behörden einen terroristischen Anschlag. So weitreichende Konsequenzen wie der unüberlegte Schuss zieht eine weitere Entscheidung nach sich, die bei eben demselben amerikanischen Touristenpaar im fernen San Diego dessen mexikanisches Kindermädchen trifft. Durch die verspätete Rückkehr ihrer Arbeitgeber kann nun Amelia (Adriana Barraza) nicht mehr wie geplant zur Hochzeit ihres Sohnes nach Mexiko fahren. Oder doch? Ihr Neffe Santiago (Gael GarcÃa Bernal) überredet sie, die Kinder des Paares kurzerhand zur Feier mitzunehmen. Auf der Rückreise fühlt sich jedoch Santiago von den amerikanischen Grenzbeamten provoziert und dreht durch. Ein weiteres Drama nimmt seinen Lauf. Die dritte Episode spielt in Tokio: Das taubstumme Mädchen Chieko (Rinko Kikuchi) hat den Selbstmord ihrer Mutter psychisch nicht verkraftet. Chieko rebelliert gegen ihren Vater, trinkt, nimmt Drogen und provoziert sexuell ihre Umgebung, namentlich einen Polizisten, der überprüfen wollte, ob die in Marokko abgefeuerte Waffe ihrem Vater gehörte. Der im Titel âBabelâ angedeutete Verständnislosigkeit zieht sich durch alle Handlungsstränge des Filmes. Sprachverwirrung herrscht nicht nur, weil in âBabelâ neben Englisch auch Spanisch, Japanisch, die Berber- sowie die Gebärdensprache gebraucht werden. Kommunikationslosigkeit, Missverständnisse prägen âBabelâ insgesamt. Angesichts solcher Sprachlosigkeit setzt Regisseur González Iñárritu auf die Macht der Bilder. Rodrigo Prietos Kamera setzt die matten Farben im marokkanischen Bergland gegen die neongrellen Töne des japanischen Nachtlebens ebenso voneinander ab, wie er Nahaufnahmen mit Totalen, wackelige Handkamerabilder mit ruhigen Kamerafahrten abwechselt. Die visuelle Kraft von âBabelâ kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verknüpfung der Geschichten miteinander, insbesondere bezüglich der japanischen Episode, arg artifiziell wirkt: Chiekos Vater (Kôji Yakusho) schenkte anlässlich eines Safaris seinem marokkanischen Jagdführer als Erinnerung das Jagdgewehr, das sich später als die Tatwaffe entpuppen wird. Der auÃerdem formell deutlich von den zwei anderen Episoden verschiedene Handlungsstrang überzeugt im Gegensatz zu ihnen auch nicht in schauspielerischer Hinsicht. Eine Darstellerin, die eine pubertierende Schülerin verkörpern soll, aber bereits 25 Jahre alt ist, wirkt wenig überzeugend â ganz zu schweigen von ihrem krankhaften Hang zum Exhibitionismus. Naturgemäà kann ein Episodenfilm seinen Figuren weniger Aufmerksamkeit als ein einziger Handlungsstrang schenken. Ergeben die alternierend gezeigten Episoden, wie etwa in âL.A. Crashâ, einen stimmigen Gesamtzusammenhang, so fällt dies jedoch kaum ins Gewicht. In âBabelâ scheint die Verknüpfung vorwiegend der japanischen Episode indes beliebig â bezeichnenderweise wird der Zuschauer im Unklaren gelassen, ob die zahlreichen Parallelmontagen zeitgleich oder zeitversetzt stattfinden. âBabelâ schafft trotz der Kraft seiner Bilder keine erzählerische Einheit. |
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