GOYAS GEISTER | Goya’s Ghosts
Filmische Qualität:   
Regie: Milos Forman
Darsteller: Natalie Portman, Javier Bardem, Stellan Skarsgård, Michael Lonsdale, Tomás Bilbatua, Mabel Rivera, Randy Quaid
Land, Jahr: Spanien / USA / Frankreich 2006
Laufzeit: 114 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: U, G, S
im Kino: 11/2006


José García
Foto: Tobis

Den Namen des tschechoslowakischen Regisseurs Milos Forman, der seit den siebziger Jahren in den Vereinigten Staaten lebt und arbeitet, verbindet ein Millionenpublikum mit dem gefeierten Film „Amadeus“, der 1985 mit acht Oscars – darunter für „Beste Regie“ und „Besten Film“ – ausgezeichnet wurde. Wer indes in „Goyas Geister“ einen würdigen Nachfolger auf Mozarts Filmbiografie erwartet, dies sei vorausgeschickt, wird maßlos enttäuscht.

Denn in „Goyas Geister“ spielt der Maler Francisco Goya (1746¬-1828), der als einer der Wegbereiter der Moderne gilt, eine untergeordnete Rolle. Was sich etwa in der Besetzung ausdrückt: Von Anfang an wollten Regisseur Milos Forman und Produzent Saul Zaentz den bekannten spanischen Schauspieler Javier Bardem für ihren Film gewinnen, den sie – wie das Presseheft schildert – „schon in der Rolle Goyas sahen“. In der endgültigen Drehbuchfassung war allerdings „der fiktionale Charakter des Pater Lorenzos zur zentralen Figur des Films geworden“.

Folglich stellt Javier Bardem den (fiktiven) fanatischen Mönch Lorenzo dar. Den Part Goyas sollte ein unbekannterer Schauspieler übernehmen, und so fiel die Wahl auf den Schweden Stellan Skarsgård. Die zwei Charaktere werden bereits in der Eingangssequenz als Gegensätze etabliert, als die Inquisition Goyas Druckgrafiken begutachtet. Bereits hier wird es deutlich: Milos Forman geht es gar nicht um ein Künstlerporträt, sondern darum, die Handlung nach den Gesetzen des Hollywood-Filmes dramatisch zu entwickeln.

Eine Zuspitzung erhält diese Handlung durch eine weitere fiktive Figur: Die junge Ines (Natalie Portman), die Goya als Muse dient und aus einer reichen Kaufmannsfamilie stammt, wird von Spitzeln der Inquisition beobachtet, wie sie eines Abends in einer Taverne es ablehnt, Schweinefleisch zu essen. Daraufhin wird sie verdächtigt, heimlich dem jüdischen Glauben anzuhangen. Unter Folter gesteht sie, heimlich an „jüdischen Ritualen“ teilzunehmen.

Das unschuldige Mädchen wird in den Kerker geworfen, aus dem sie erst nach dem Einmarsch der französischen Truppen in Spanien fünfzehn Jahre später herauskommt. Die im Gefängnis schwachsinnig gewordene Ines hat nach ihrer Befreiung nur eins im Sinn: Die Tochter zu finden, die sie in der Gefangenschaft gebar, und ihr sofort nach der Geburt weggenommen wurde. Deren Vater ist niemand anders als Lorenzo, der in der Zwischenzeit ein glühender Verfechter der Revolutionsideen geworden ist.

Bei aller detailgenauen Rekonstruktion der historischen Kulissen, die von Kameramann Javier Aguirresarobe in Farben eingefangen werden, die an die Palette Goyas erinnern, krankt der Film nicht so sehr an den Darstellern als vielmehr an der Handlung. Die groteske Darstellung der Inquisition findet ein Pendant in einer Parallelmontage der hehren Ideale der Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ mit den Gräueltaten der französischen Truppen, die im „befreiten“ Spanien Tod und Schrecken verbreiten.

Dass nicht Goya, der meistens unbeteiligt im Hintergrund bleibt, sondern Lorenzo im Mittelpunkt von „Goyas Geister“ steht, spricht dafür, dass Milos Forman in diesem Opportunisten nicht nur einen Vertreter der gesellschaftlichen Umbrüche an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert sehen möchte. Offenbar will Forman mit „Goyas Geister“ eine Parabel mit allgemeingültigem Charakter liefern – ähnlich Lion Feuchtwangers „Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis“ (1951), der nach Eugen Kogon „den Kern des Menschen“ treffe.

Dazu führt der Regisseur aus: „Dieser Zeitabschnitt faszinierte mich deshalb so stark, weil er mit all seinen Paradoxen und Veränderungen, die sich in ihm abspielten, jene Zeiten reflektierte, die ich selber durchlebt hatte.“ Die Einführung der Aufklärung in Spanien „erinnert mich an die Zeit in meinem Leben, als die Sowjets der Tschechoslowakei ‚Freiheit’ brachten. Anstatt den Spaniern wirklich Freiheit zu geben, installiert Napoléon seinen Bruder auf dem spanischen Thron, bis er und die Franzosen von Wellington und den Briten vertrieben wurden“.

Diese Lesart erschließt sich jedoch kaum aus dem Film selbst heraus. Die Diskrepanz zwischen Anspruch der Filmemacher und Umsetzung im Film offenbart sich etwa auch in der Darstellung der Inquisition: Obwohl das Presseheft die Spanische Inquisition als „Teil der spanischen Regierung“ bezeichnet, die „nichts mit der päpstlichen Inquisition zu tun“ hatte, sondern zum „Instrument staatlicher Verfolgung und Einschüchterung“ wurde, zeigt sie der Film als „Teil der Kirche“. Ihre Verhörmethoden unter Folter werden als „kirchliche Lehre“ geschildert.

Goyas Bilder, die Milos Forman in den Film hineinschneidet, helfen wenig, dieses Missverhältnis zu überwinden. Dass der Abspann mit den berühmten Gemälden zu den besten Szenen von „Goyas Geister“ gehört, spricht Bände über einen durchaus ambitionierten Spielfilm, der in der Umsetzung den schalen Nachgeschmack einer an Parodie grenzenden Groteske über die Inquisition hinterlässt.
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