HOUWELANDT - EIN ROMAN ENTSTEHT | Houwelandt - Ein Roman entsteht
Filmische Qualität:   
Regie: Jörg Adolph
Darsteller: John von Düffel, Gottfried Honnefelder, Christian Döring, Dirk Wittenborn
Land, Jahr: Deutschland 2005
Laufzeit: 107 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2006


José García
Foto: Filmkinotext

In seinem Spielfilm „Capote“ (siehe Filmarchiv) schildert Regisseur Bennett Miller die Entstehung des Tatsachen-Romans „Kaltblütig“ („In Cold Blood“, 1966), der aus Truman Capote einen der bekanntesten Schriftsteller der Vereinigten Staaten machte. Der Spielfilm, der vorwiegend ein Psychogramm Truman Capotes entwirft, konzentriert sich auf die Recherchearbeit des Schriftstellers, was sich verhältnismäßig leicht bebildern lässt.

Die unterschiedlichen Arbeitsprozesse bei der Entstehung eines Romans lassen sich offenkundig in einem Spielfilm nicht besonders spannend abbilden. Anders in einem Dokumentarfilm. So begleitete Dokumentarfilmer Jörg Adolph 17 Monate lang den Schriftsteller John von Düffel bei der Entwicklung seines neuen Romans „Houwelandt“. Daraus wurde „Houwelandt – Ein Roman entsteht“, eine überaus spannende Dokumentation über die Arbeit an einem Roman und dessen Vermarktung, vom Niederschreiben des Textes bis zu der Entwicklung der Werbestrategie seitens des Verlags.

„Dabei sein, wie ein Roman entsteht. So etwas hat es noch nicht gegeben“, so verdeutlicht Regisseur Jörg Adolph die Ausgangssituation. Autor John von Düffel konnte sich zunächst allerdings kaum vorstellen, „dass sich der eigentliche Kampf um die Figuren in irgendeiner Weise fassen ließ, außer in dem Geschriebenen selbst.“

Um diesen Weg in Bilder umzusetzen, wendet Adolph eine doppelte Strategie ein: Einerseits fährt er mit dem Autor zu seinen Gesprächen in den Kölner Verlag mit Verleger Gottfried Honnefelder und Lektor Christian Döring, der im Laufe der Dokumentation zu einer Art zweiter Hauptdarsteller wird. Jörg Adolph ist mit seiner Kamera auch bei den Gesprächen des Autors mit seinem Vater, bei der Korrektur der Rechtschreibfehler sowie bei der Umschlaggestaltung. Er richtet sogar seine Kamera auf den Laptop des Autors. Dadurch erlebt der Zuschauer, wie John von Düffel Sätze und Alternativformulierungen in die Tastatur schreibt, wie er Sätze umschreibt, löscht, Alternativen verwirft, Passagen neu formuliert. Näher an der Entstehung eines Textes kann ein Film kaum sein.

Der zweite Weg bestand in einer Art „elektronisches Tagebuch“: Adolph überließ dem Romanautor eine kleine Digitalkamera, die er auf dem Bügelbrett neben seinem Schreibtisch aufstellte. Diese Kamera wurde laut John von Düffel „ein Kummerkasten, eine elektronische Klagemauer“. Sie hielt die Höhen und Tiefen des Schreibens fest. Die amateurhafte Qualität dieser Aufnahmen tut dem Gesamteindruck von „Houwelandt – Ein Roman entsteht“ keinen Abbruch. Diese ergänzen vielmehr die von Jörg Adolph aufgenommenen Bilder.

„Houwelandt – Ein Roman entsteht“ gewährt vor allem einen Einblick in den Literaturbetrieb: Parallel zum eigentlichen Schreiben des Romans setzt der Verlag seinen ganzen Arbeitsablauf in Bewegung, um das „fertige Produkt“ zu bewerben. Dies reicht von der endgültigen Titelfindung über die Umschlaggestaltung bis zu den Vermarktungsstrategien einschließlich Herumfeilen an dem werbewirksamen Zitat aus dem Urteil Elke Heidenreichs über den Roman in ihrer Sendung „Lesen!“ Die Kamera hält sowohl die Sitzung der Marketingexperten als auch die Gespräche der Verkäufer mit mehr oder minder überzeugten Buchhändlern sowie die Bemühungen der Presseabteilung fest.

Dies trägt zur „Entstehung“ des Romans oder wenigstens seines Erfolges genauso bei wie die eigentliche Arbeit des Schriftstellers. Über sein Leben erteilt „Houwelandt – Ein Roman entsteht“ ebenfalls Auskunft: Kein Leben im Elfenbeinturm, sondern mit vielen Reisen verbunden, muss der Autor doch zwischen seinem Wohnort Bremen, dem Thalia Theater, wo er als Dramaturg tätig ist, und Köln, dem Sitz des Verlages, hin- und herpendeln. Dazu kommen die vielen Lesereisen quer durch Deutschland und sogar bis nach New York, wo er ebenfalls an einer Lesung teilnimmt, sowie die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse.

Der ständige Ortswechsel verhilft dem Film, die Spannung zu halten. Allerdings hätte sich mancher Zuschauer gewiss gewünscht, mehr von der eigentlichen „Entstehung“ des Romans im Kopf des Autors zu erfahren. Weil jedoch John von Düffel bereits vor Beginn seiner gemeinsamen Reise mit Jörg Adolph wusste, „wie ich die Geschichte der zu einem Phantom gewordenen Familie de Houwelandt erzählen muss“, bleibt dieser Aspekt – vielleicht gar der interessanteste – der Entstehung eines literarischen Werkes in der Dokumentation verborgen.
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