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José GarcÃa Foto: Schwarz-Weiss Film Späte Vergangenheitsbewältigung gibt es nicht nur im realen Leben, etwa eines Literaturnobelpreisträgers. Auch im Kino spielt die Aufarbeitung einer jahrzehntelang verdrängten Wahrheit eine bedeutende Rolle. So machte sich etwa in âThe Straight Story â Eine wahre Geschichteâ (David Lynch, 1999, siehe Filmarchiv) der 74-jährige Alvin Straight auf eine 560 km lange Reise auf einer uralten Mähmaschine auf, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen, mit dem er sich viele Jahre zuvor entzweit hatte. Ãhnlich begab sich der plötzlich in den Ruhestand entlassene Warren Schmidt in âAbout Schmidtâ (Alexander Payne, 2003, siehe Filmarchiv) auf eine Reise, deren Höhepunkt in der Vergebung eines Jahrzehnte zurückliegenden Fehltritts seiner verstorbenen Frau bestand. In seinem Spielfilmdebüt âDer Hals der Giraffeâ (âLe cou de la girafeâ) erzählt Regisseur Safy Nebbou ebenfalls von einer Reise auf der Suche nach der Vergangenheit. Der Auslöser der Reise ist in diesem kleinen groÃen französischen Film die aufgeweckte neunjährige Mathilde (Louisa Pili), die mit ihrer alleinerziehenden Mutter Hélène (Sandrine Bonnaire) zusammen lebt. Beim Spielen hatte sie zufälligerweise einen Packen ungeöffneter Briefe von ihrer GroÃmutter an den GroÃvater Paul (Claude Rich) entdeckt. Bei einem Besuch im Altersheim erfährt sie nun, warum Paul die Briefe nie geöffnet hat: Seine Frau verlieà ihn und ihre Tochter Hélène vor dreiÃig Jahren wegen eines anderen Mannes. Auf diese Weise wollte er die späteren Versuche von Mathildes GroÃmutter unterbinden, wieder Kontakt zur Familie zu knüpfen. Mathilde, die von ihrer Mutter immer gehört hatte, ihre GroÃmutter sei gestorben, weià nun, dass die Oma lebt. Kurz entschlossen ergreift die Neunjährige die Initiative: Sie holt mitten in der Nacht ihren GroÃvater aus dem Altersheim. Beide fahren im TGV nach Biarritz, wohin die GroÃmutter vor drei Jahrzehnten mit ihrem Liebhaber floh. Als sie von Hélène eingeholt werden, sehen sich Vater und Tochter mit der Aufarbeitung einer Lebenslüge konfrontiert, die über die Frage der Vergebung führt. Zwar spielt in dieser Geschichte der GroÃvater die entscheidende Rolle, aber Regisseur Safy Nebbou inszeniert sie konsequent aus der Perspektive der kleinen Mathilde, auf deren Augenhöhe sich die Kamera bewegt. Eine folgerichtige Entscheidung, denn die Aufarbeitung des so lange Zeit Verdrängten geht auf ihr resolutes Handeln zurück. âDer Hals der Giraffeâ überzeugt nicht nur wegen der drei Hauptdarsteller. Darüber hinaus ist der Film bis in die Nebenrollen gut besetzt, wie etwa eine kleine Nebenhandlung zeigt, als im Altersheim ein Bewohner und ehemaliger Polizist seine ganzen Künste aufbietet, um Pauls Flucht so lange wie möglich gegenüber der Heimleitung zu verschleiern. Mit scheinbarer Leichtigkeit inszeniert Safy Nebbou in angenehm ruhigem Erzählrhythmus eine Mischung aus komischen und melancholischen Elementen. Dazu erläutert der Regisseur: âMeine Inszenierung sollte eigentlich unsichtbar sein. Sie erlaubt, direkt ins Universum der Figuren einzudringen. Das Theater hat mir den Blickwinkel der Schauspieler gegeben, meine gröÃten Emotionen als Zuschauer sind oft mit den Schauspielern verbundenâ. Dieser Rhythmus wird auch von der Musik Pascal Caignes unterstrichen. Laut Regisseur âmusste die richtige Klangfarbe gefunden werden, indem man vermied, den Film zu sehr ins Kühle oder zu sehr ins Pathetische zu ziehen. Pascal hat ein gutes Universum geschaffen, etwas melancholisch, aber sehr zurückhaltend.â Darüber hinaus trägt auch die raue, schöne Landschaft der Atlantikküste und der Pyrenäen dazu bei, die Aufarbeitung der Vergangenheit durch Paul authentisch darzustellen. |
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