CAPOTE | Capote
Filmische Qualität:   
Regie: Bennett Miller
Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Chris Cooper, Clifton Collins Jr., Bruce Greenwood, Amy Ryan, Bob Balaban, Mark Pellegrino, Marshall Bell, Allie Mickelson
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 114 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 6/2006
Auf DVD: 8/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: Sony Pictures

Truman Capote (1924 – 1984) wurde bereits mit seinem zweiten Roman „Die Grasharfe“ (1951) weltbekannt. Endgültigen Ruhm erlangte er mit dem Kurzroman „Frühstück bei Tiffany“ („Breakfast at Tiffany's“, 1958), der drei Jahre später von Blake Edwards mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle für die große Leinwand adaptiert wurde.

Bereits aber vor der Filmfassung von „Frühstück bei Tiffany“ reiste Truman Capote mit seiner Kindheitsfreundin Harper Lee (* 1926), der späteren Autorin des mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten und ebenfalls für das Kino adaptierten Romans „Wer die Nachtigall stört“ („To Kill a Mockingbird“, 1960), nach Kansas, um über einen Mordfall zu recherchieren. Aus seiner sechsjährigen Beschäftigung mit diesem Gegenstand entstand schließlich der dokumentarische oder Tatsachen-Roman „Kaltblütig“ („In Cold Blood“, 1966), der schnell zu einem Beststeller wurde und aus Truman Capote einen der bekanntesten Schriftsteller der Vereinigten Staaten machte.

Entgegen dem Filmtitel „Capote“ beschränkt sich Bennett Millers Spielfilmdebüt, das bei der Berlinale im Wettbewerb außer Konkurrenz lief und nun im regulären Kinoprogramm startet, auf die Entstehung von „Kaltblütig“. Der Film beginnt mit der Entdeckung der Mordtat an einer Farmerfamilie in Kansas im November 1959, um dann auf Truman Capote umzuschwenken, der sich nach „Frühstück bei Tiffany“ auf dem Höhepunkt seines Ruhmes befindet, und nun beschließt, über den Fall einen Artikel für den New Yorker zu verfassen.

Basierend auf der von Truman Capote autorisierten Biografie „Capote: A Biography“ (1988) von Gerald Clarke schildert Bennett Miller, wie Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) zusammen mit seiner Jugendfreundin Harper Lee (Catherine Keener) an den Ort des Verbrechens reist und die Festnahme der zwei Verdächtigen – Perry Smith (Clifton Collins Jr.) und Richard Hickock (Mark Pellegrino) – miterlebt. Durch Capotes detailversessene Recherchen und vor allem durch die langen Gespräche mit Perry Smith entwickelt sich daraus eine wahre Obsession. Seine Arbeit wächst zu einem Buch aus, das den Reportagestil des Tatsachenromans in seiner Verbindung von Journalismus und Literatur zu einem Glanzpunkt führen wird. Weil er ohne Ende – sprich Hinrichtung der Schuldigen – „Kaltblütig“ auch nicht abschließen kann, wird der Autor selbst an der langanhaltenden Aufgabe und an der Ambivalenz seiner Gefühle zerbrechen.

Die zurückgenommene Farbigkeit und die hinreißenden Landschaftsbilder von Kameramann Adam Kimmel, der ruhige Schnitt, das elegante Szenenbild und das intensive Spiel der unterstützenden Rollen – allen voran einer Catherine Keener in Höchstform – verstärken die Konzentration auf die Hauptfigur.

Philip Seymour Hoffman gestaltet den affektierten Homosexuellen mit Fistelstimme und manierierten Bewegungen auf einer Gratwanderung zwischen Genie und Selbstverliebtheit, wobei die ität Capotes erfreulich zurückhaltend behandelt wird. In Hoffmans bestechender Interpretation erscheint Capote als brillanter Redner und geistreicher Partylöwe, dessen Egozentrik mit zunehmender Nähe immer deutlicher zum Vorschein kommt. Ein egomanischer Künstler, der für seine eigenen Fans nur Verachtung übrig hat und seiner Vertrauten den Erfolg kaum gönnt. Ein Autor, der die Freundschaft zu Smith missbraucht, um für seinen Roman ein Psychogramm des Verurteilten entwerfen zu können. Dadurch ist „Capote“ nicht nur ein Film über die Arbeit eines Schriftstellers, sondern auch über den Antrieb bei dieser kreativen Tätigkeit, bei der sich künstlerische Ambitionen mit weniger hehren Absichten verknüpfen.

Capotes Bild des Mörders kann im (etwa bei Rowohlt neu herausgegebenen) Tatsachenroman „Kaltblütig“ nachgelesen werden. Bennett Millers Film bietet hingegen ein Psychogramm Truman Capotes. So unzutreffend ist also der Filmtitel nicht.

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