VOLVER – ZURÜCKKEHREN | Volver
Filmische Qualität:   
Regie: Pedro Almodóvar
Darsteller: Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Dueñas, Blanca Portillo, Yohana Cobo, Chus Lampreave, Antonio De La Torre, Carlos Blanco, Isabel Díaz
Land, Jahr: Spanien 2006
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S
im Kino: 8/2006
Auf DVD: 2/2007


JOSÉ GARCÍA
Foto: Tobis

Nach zwei Spielfilmen mit Männern als Protagonisten („Sprich mit ihr“, 2002 und „Schlechte Erziehung“, 2004, siehe Filmarchiv) kehrt Pedro Almodóvar zu seiner angestammten Welt zurück, in der die Frauen im Mittelpunkt stehen. Der Filmtitel „Volver“ („Zurückkehren“) ist allerdings nicht allein aus diesem Grund Programm. Im neuen Film kehren in die Umgebung des spanischen Regisseurs ebenfalls zwei Schauspielerinnen zurück, die in Almodóvars früheren Werken wichtige Rollen spielten: Carmen Maura war Almodóvars Muse in so gut wie allen seinen Melodramen von 1978 bis 1988, Penélope Cruz spielte in seinen Filmen aus den Jahren 1997 und 1999 („Alles über meine Mutter“).

„Volver“ stellt darüber hinaus eine Rückkehr zu den Wurzeln von Pedro Almodóvar selbst dar: Sind seine bekannten Filme in der Großstadt angesiedelt, so kehrt er hier in ein Dorf zurück, das offenkundig viel Ähnlichkeit mit dem Dorf in Don Quixotes Heimat La Mancha besitzt, in dem Almodóvar seine Kindheit verbrachte.

Und mit einer Rückkehr beginnt „Volver“: Gemeinsam mit ihrer Schwester Sole (Lola Dueñas) und ihrer pubertierenden Tochter Paula (Yohanna Cobo) ist Raimunda (Penélope Cruz) in ihr Heimatdorf zurückgekommen, um das Grab ihrer Eltern zu pflegen. In einer langen Plansequenz, begleitet von einem Volkslied, das von der schweren Arbeit des Sich-immer-wieder-Bückens erzählt, zeigt die Kamera eine Reihe Frauen aus dem Dorf, die sich immer wieder bücken, um Grabplatten auf Hochglanz zu bringen.

Auf dem Friedhof treffen die drei auf Agustina (Blanca Portillo), die sich im Gegensatz zu ihnen der Landflucht verschlossen hat. Agustina lebt im Nachbarhaus und betreut die alte Tante von Raimunda und Sole, die Schwester ihrer verstorbenen Mutter Irene. Tante Paulas (Chus Lampreave) Haus sieht trotz der fast vollständigen Blindheit der alten Frau ebenso blitzblank wie auf den Grabplatten aus. Sogar Kringelgebäck hat sie für ihre Nichten gebacken. Wie sie das alles wohl schaffen mag, fragen sie sich – und mit ihnen natürlich auch der Zuschauer. Ihre Schwester hilft ihr, antwortet Tante Paula. Allerdings ist Raimundas und Soles Mutter zusammen mit ihrem Mann bei einem Feuer ums Leben gekommen. Sie waren ja gerade an ihrem Grab. Als jedoch Irene (Carmen Maura) auf einmal in Madrid auftaucht, wohin ihre beiden Töchter wieder gezogen sind, macht sie nicht unbedingt den Eindruck, der Geist zu sein, für den sie die abergläubischen Dorfbewohner halten. „Volver“ handelt eben auch von der Rückkehr einer verstorbenen Mutter.

Obwohl das unvermeidliche Handy anzeigt, dass die komplexe Handlung – zu der etwa auch die „Entsorgung“ eines Leichnams gehört – in der Gegenwart angesiedelt ist, und auf der Grabplatte von Raimundas Eltern das Datum 2002 steht, erinnert das ganze Produktionsdesign, insbesondere auch die schrillen Rottöne, eher an die siebziger Jahre.

Tauchen hier und da ebenfalls für Almodóvar typische, „schrille“ Obsessionen auf – die herzensgute Prostituierte, die permissive Sicht von Drogen, Männer mit pädophilen Tendenzen –, so nimmt sich der spanische Regisseur in „Volver“ merklich zurück. Das Provokante ist in seinem aktuellen Film eher in den Hintergrund getreten.

Nichtsdestoweniger ist „Volver“ mit Elementen gespickt, die in der Welt Almodóvars immer wieder kehren. Von der ausladenden Handlung über die Zitate aus der Filmgeschichte – hier Anna Magnani in Viscontis „Bellissima“ als „Film im Film“ –, die bissige Kritik am „Trash-Fernsehen“ bis zur zentralen Rolle der Mutter („Es ist sehr schmerzhaft, dass eine Tochter ihre Mutter nicht liebt“, sagt etwa Irene zu ihrer Enkelin Paula) in einer Welt, in der die Männer untreue, versoffene Taugenichtse sind.

Zur hervorragenden Kameraarbeit, die das Licht und die Farben als Gestaltungselemente einsetzt, gesellt sich die Filmmusik Alberto Iglesias’, die komödiantische wie melodramatische Elemente in „Volver“ unterstützt.

Der Filmtitel spielt zwar auf eine vielschichtige Rückkehr an, einen unmittelbaren Bezug nimmt er jedoch auf den gleichnamigen Tango von Carlos Gardel „Volver“ aus dem Jahre 1934, den der Film in seiner Mitte auch ausdrücklich zitiert. Warum aber dieses wunderbar melancholische Lied des Tango-Königs hier als Flamenco-Song interpretiert wird, bleibt das einzig Rätselhafte in einem Film, der im Gegensatz zu früheren Almodóvar-Werken kaum etwas offen lässt.
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