GEHEIME LEBEN DER WORTE, DAS | La vida secreta de las palabras
Filmische Qualität:   
Regie: Isabel Coixet
Darsteller: Sarah Polley, Tim Robbins, Javier Cámara, Julie Christie, Sverre Anker Ousdal, Steven Mackintosh, Eddie Marsan, Daniel Mays
Land, Jahr: Spanien 2005
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S
Auf DVD: 10/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: Tobis

In ihrem letzten Spielfilm „Mein Leben ohne mich“ (siehe Filmarchiv) schilderte Isabel Coixet die letzten Wochen im Leben einer an Krebs erkrankten jungen Frau. Der Film lebt größtenteils vom zurückgenommenen und trotzdem eindringlichen Mienespiel Sarah Polleys, die der Rolle Melancholie ohne Bitterkeit verleiht.

Der mit vier spanischen Filmpreisen „Goya“ (Drehbuch, Produktion, Regie und Bester Film) ausgezeichnete und nun im deutschen Kino startende Film „Das geheime Leben der Worte“, das wie „Mein Leben ohne mich“ von Almodóvars Firma „El Deseo“ produziert wurde, ist der zweite englischsprachige Langspielfilm von Isabel Coixet. Für „Das geheime Leben der Worte“ besetzte Coixet die Hauptrolle erneut mit Sarah Polley.

Die Kabelfabrikarbeiterin Hannah lebt von ihrer Umwelt so gut wie isoliert, was nicht nur an ihrer Taubheit liegt. Durch einen Zufall erhält sie die Möglichkeit, ihren eigentlichen Beruf auszuüben, indem sie auf einer Bohrplattform mitten auf dem Atlantik den zeitweilig blinden, durch Verbrennungen am ganzen Körper verletzten Ingenieur Josef (Tim Robbins) pflegen soll, bis dieser transportfähig ist. Den Menschen als einsame Insel (Hannah) auf der (Bohr-)Insel setzt Coixet als eine von mehreren Metaphern ein, etwa auch die Wellen auf den Weiten des Ozeans als Sinnbild für die Worte, die ein geheimes Leben führen, und hin und wieder an die Oberfläche dringen.

Mit einem betont langsamen Erzählrhythmus kommen sich Kranker und Krankenpflegerin näher. Spricht Hannah zunächst kaum ein Wort, so versucht ihr Patient immer wieder, wenigstens ihren Namen zu erfahren. Eine erste Annäherung zwischen der wortkargen Krankenschwester und dem redseligen Ingenieur geschieht nicht auf der Sprachebene, sondern auf Umwegen über kulinarische Vorlieben: „Hühnchen, weißer Reis und Apfel“, antwortet Hannah auf Josefs Frage nach ihrem Lieblingsessen. „Und weiter?“ – „Nichts weiter“. Später jedoch wird sie das Essen probieren, von dem Josef ihr vorgeschwärmt hat, und es wird ihr wider Erwarten ausgezeichnet schmecken.

Den Zugang zu ihrem Patienten findet die junge Frau indes endgültig, als sie eine aufgezeichnete Nachricht auf Josefs Mailbox abhört, in der eine Frauenstimme von der Gemeinsamkeit stiftenden Erfahrung der Wörter aus Maria Alcoforados „Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ spricht. Hannah hört sich diese Aufzeichnung immer wieder an. Indem sie dadurch vom Geheimnis Josefs erfährt, überwindet Hannah ihre Angst, ihre Narben zu offenbaren, das traumatische Ereignis aus ihrer Vergangenheit in Worte zu fassen.

„Das geheime Leben der Worte“ ist ein Film der kleinen Gesten, die von zwei grandiosen Darstellern vollführt werden: Sarah Polley brilliert abermals mit ihrem undurchdringlichen Mienenspiel, das sie bereits in „Mein Leben ohne mich“ auszeichnete. Tim Robbins liegt die meiste Filmzeit in seinem Krankenbett bewegungslos, so dass er ausschließlich die Mimik, die Augen und seine Stimme einsetzen kann. Diese Aufgabe löst er freilich auf eindrucksvolle Weise.

Diese beinahe kammerspielartige Inszenierung in Josefs Krankenzimmer, in der sich die seelischen Abgründe der beiden Protagonisten offenbaren, kontrastiert mit den wunderschön rauen Naturbildern, die Kameramann Jean Claude Larrieu einfängt. Larrieu, der für Coixet bereits „Mein Leben ohne mich“ fotografierte, findet teilweise surreale Einstellungen, konzentriert sich allerdings einerseits ganz auf die stets perfekt ausgeleuchteten Gesichter der Protagonisten, lässt andererseits die sorgfältig gestalteten Räume in spröder Schönheit glänzen.

In der Verarbeitung von Leid und Schmerz, um die „Das geheime Leben der Worte“ kreist, entfaltet das Unausgesprochene eine größere Eindringlichkeit als die gesprochenen Worte. Deshalb ist es um so unverständlicher, dass Coixet nach einem offenen Ende noch ein Kapitel einfügt, in dem Josef die dänische Ärztin Inge Genefke (Julie Christie) aufsucht, die sich in Dänemark bei der Hilfe für Folteropfer einen Namen machte. Der plakative politische Diskurs dieses Filmepilogs konterkariert leider die poetische Liebesgeschichte.
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