INSIDE MAN | Inside Man
Filmische Qualität:   
Regie: Spike Lee
Darsteller: Denzel Washington, Clive Owen, Jodie Foster, Willem Dafoe, Chiwetel Ejiofor, Christopher Plummer, Peter Gerety, Peter Frechette
Land, Jahr: USA 2006
Laufzeit: 129 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G, S -
Auf DVD: 9/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: UIP

„Warum ich den perfekten Bankraub begehe? Nun, weil ich es kann.“ Mit diesen Worten eines jungen Mannes in Großaufnahme eröffnet Spike Lees Spielfilm „Inside Man“, um dann in einer Plansequenz detailreich das Äußere und die Lobby des Gebäudes zu zeigen, das im Mittelpunkt dieses „perfekten Bankraubes“ stehen wird: die „Manhattan Trust“ mitten im New Yorker Wall Street-Bezirk. Dieses Gebäude betreten vier als Anstreicher verkleidete Bankräuber. Derselbe Mann, der den selbstbewussten Satz gesprochen hat, Dalton Russell (Clive Owen), schaltet die Überwachungskameras aus. Die Bankräuber verschließen die Türen, nehmen Personal und Bankkunden als Geiseln.

Die Geiselnehmer machen offensichtlich keine Anstalten, den Bankraub möglichst lange zu vertuschen. Statt dessen lassen sie die Geiseln in die gleiche Kluft schlüpfen, die sie selbst tragen – was bei dem schnell anrückenden Detective Keith Frazier (Denzel Washington) für erste Verwirrung sorgt: mit den Arbeitsanzügen, den Masken und den Sonnenbrillen lassen sich Geiseln von Räubern nicht mehr äußerlich unterscheiden.

Die Drehbuchautoren Russell Gewirtz und Menno Mey durchbrechen die klassische chronologische Erzählstruktur insbesondere dadurch, dass sie immer wieder sich durch die zurückgenommene Farbigkeit absetzende Verhörszenen einfügen, in denen Detective Frazier und sein Kollege herauszufinden versuchen, wer unter den gleichaussehenden Overalls zu den Geiseln und wer zu den Geiselnehmern gehört.

Dies ist jedoch nicht das einzige irritierende Element, das dem Zuschauer Rätsel aufgibt. Nicht umsonst hatte Dalton Russell von vorne herein das Publikum gewarnt: „Achten Sie genau darauf, was ich sage, denn es ist wichtig und ich werde mich nicht wiederholen.“ Dass der Film nicht von einem konventionellen Banküberfall handelt, wird dem Zuschauer verhältnismäßig bald deutlich.

Auch der Gründer und Vorstandsvorsitzende der überfallenen Bank Arthur Case (Christopher Plummer) scheint recht schnell zu begreifen, dass bei diesem Banküberfall nicht nur sein Geld und die Geiseln auf dem Spiel stehen. Deshalb engagiert er die undurchsichtige Geschäftsfrau Madeliene White (Jodie Foster), damit sie dank ihrer Kontakte die Angelegenheit diskret regelt.

Damit etabliert Regisseur Spike Lee die vier Hauptfiguren in diesem bis zuletzt spannenden Puzzle, der viel mehr als ein Thriller im herkömmlichen Sinne ist. Wie seine offensichtlichen Vorbilder, Sidney Lumets „Serpico“ (1973) – der in „Inside Man“ ausdrücklich zitiert wird – oder „Hundstage“ (1975), besitzt Lees Film eine starke gesellschaftskritische Komponente. Nur dass bei Spike Lee diese in Rassismuskritik mündet, die etwa in der Frage mitschwingt: „Albanien oder Armenien – was ist der Unterschied?“. Ein Element, das im gesamten Film latent bleibt, und hier und da zum Ausbruch kommt, etwa in kränkenden Bezeichnungen („Tortilla-Fresser“), in den Gesprächen Detektiv Fraizers mit Polizisten und mit der zwielichtigen White oder in der paranoiden Reaktion der Polizei, der einen Inder mit Turban als arabischen Terrorist einstuft.

Zur Erzeugung von Spannung tragen eine überaus bewegliche Kamera, die ungewöhnliche Perspektiven bietet, der schnelle Schnitt mit hochauflösenden Bildern, sowie die Musik des Jazztrompeters Terence Blanchard wesentlich bei.

Spike Lee bereitet seinen Stars eine große Bühne. Clive Owen darf als cleverer Drahtzieher auftreten, der mit der Polizei – und dem Zuschauer – Katze und Maus spielt. Denzel Washington brilliert als intelligenter Polizist, der mit einer hohen Dosis Humor jede Situation meistert. Insbesondere aber setzt Regisseur Lee Jodie Foster so vorteilhaft ins Bild, wie sie lange nicht mehr im Kino zu sehen war. Nicht von ungefähr erinnert sie in einer Einstellung an ihre erste große Rolle in Martin Scorseses „Taxi Driver“ (1976). Sie glänzt als stets elegante, aber eiskalte Business-Frau, die gegen teures Geld die schmutzige Wäsche der Reichen und Prominenten wäscht. Dadurch, dass sie in „Inside Man“ eine zentrale Rolle spielt, betont ihr Satz „So sind sie alle, die reichsten Fünfhundert“ die herkömmliche Gesellschaftskritik in diesem nur vordergründig genretypischen Bankraub-Thriller.
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