ANSCHLAG, DER | The Sum of All Fears
Filmische Qualität:   
Regie: Phil Alden Robinson
Darsteller: Ben Affleck, James Cromwell, Morgan Freeman
Land, Jahr: USA 2002
Laufzeit: 132 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G++, S-


JOSÉ GARCÍA


„Können die Vereinigten Staaten Opfer eines terroristischen Anschlags von aussen werden?“ Vor einem Jahr wäre diese Frage lediglich der Stoff, aus dem Romane wie Tom Clancys „The Sum of All Fears“ (1991) sind, der im Jahre 1992 mit dem Titel „Der Anschlag (Das Echo aller Furcht)“ auf deutsch erschien und nun pünktlich zum Filmstart bei Goldmann als „Roman zum Film“ neu aufgelegt wurde. Nachdem aber am 11. September 2001 die Fiktion von der Wirklichkeit eingeholt wurde, hat die vor diesem Datum bereits abgedrehte Romanverfilmung unvorhersehbare Brisanz erhalten.

Im Film „The Sum of All Fears“ lässt eine Terrororganisation während des Football-Endspiels in Baltimore eine Bombe mit Atomsprengkopf explodieren. Ironischerweise mutieren in der Verfilmung im Zeichen der political correctness die arabischen Terroristen des Romans zu einer von Österreich aus gesteuerten Gruppe von Neonazis. Nach dem Kalkül der Terroristen soll Russland als Urheber des Attentates erscheinen, damit die Vereinigten Staaten einen nuklearen Gegenangriff starten und sie selbst dieses Machtvakuum ausnutzen können. Die Auseinandersetzungen, die zum Dritten Weltkrieg führen könnten, werden von CIA-Agent Jack Ryan verhindert, der in den bereits verfilmten Tom-Clancy-Romanen „Jagd auf ‘Roter Oktober’“, „Die Stunde der Patrioten“ und „Das Kartell“ ebenfalls der Held der Story war.

Während in „Die Stunde der Patrioten“ und „Das Kartell“ Jack Ryan von Harrison Ford gespielt wurde, verkörpert den CIA-Agenten in „Der Anschlag“ der wesentlich jüngere Ben Affleck, was unweigerlich zu einer Verjüngung der Figur führte. Und da „Der Anschlag“ in der Gegenwart spielt, kann es sich wohl kaum um eine Vorgeschichte zu den Storys handeln, bei denen Harrison Ford als Jack Ryan ins Rennen geschickt wurde. Dieser Anachronismus, der auf den ersten Blick lediglich eingefleischte Fans früherer Tom-Clancy-Adaptionen zu stören scheint, führt jedoch auch zu Inkonsequenzen im Drehbuch: Während im Roman Jack Ryan bereits zu Beginn als erfahrener „stellvertretender Direktor der CIA, kurz DDCI“ begegnet, verdient er sich im Film seine ersten Sporen. Trotzdem wird gerade er auserkoren, mit dem CIA-Direktor nach Moskau zu fliegen, weil Anfänger Jack Ryan offensichtlich beim ganzen CIA-Apparat als einziger Experte für den brandneuen russischen Präsidenten Nemerov gilt. Während seines Russland- Besuchs macht Agent Ryan bei seinem ersten Ausseneinsatz auch eine wichtige Beobachtung, die ihm erlauben wird, im weiteren Verlauf die Russen zu entlasten.

Trotz dieser Ungereimtheiten und eines ebenso anachronistisch anmutenden Ambientes mit Versatzstücken aus Spionagefilmen der Kalter-Krieg-Ära gelingt es dem Drehbuch, aus den vielen Verästelungen und zahlreichen Schauplätzen der Romanvorlage eine auf Spielfilmlänge konzentrierte Handlung zu entwickeln. Diese besteht aus drei Strängen – Amerikaner, Russen, Terroristen –, die aber der Regisseur mit sicherer Hand zu einer Einheit verwebt. Lediglich die Liebesaffäre Jack Ryans mit einer Ärztin steht kaum im Dienst des Plots. Sie wird vielmehr zusammenhanglos integriert, vermutlich um wenigstens eine weibliche Figur samt romantischem Ausgang einzuführen, auch wenn dieser die durch den Anschlag ausgelöste Tragödie letztendlich banalisiert.

Für die realistischen Details bürgen mehrere militärische Berater, die etwa auch den Einsatz einer Reserve-Einheit der Marines mit drei Hubschraubern ermöglichten, sowie der Filmbeauftragte im Büro für Öffentlichkeitsarbeit der CIA. Besonders eindrücklich indes wirkt die Szene der Atomexplosion, die ohne das im Mainstreamkino übliche Feuerwerk auskommt. Statt auf Effekthascherei setzt Regisseur Phil Alden Robinson auf ausgeblichene Farben und einen reduzierten Ton, um die atomare Druckwelle darzustellen.

Moralisch mehr als bedenklich wird „Der Anschlag“ jedoch durch die Art, wie Terroristen nachträglich von CIA-Agenten kaltblütig zur Strecke gebracht werden. Es bleibt zu hoffen, dass darin die Fiktion nicht von der Wirklichkeit eingeholt wird.

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