EXORZISMUS VON EMILY ROSE, DER | The Exorcism of Emily Rose
Filmische Qualität:   
Regie: Scott Derrickson
Darsteller: Jennifer Carpenter, Tom Wilkinson, Laura Linney, Campbell Scott, Colm Feore, Joshua Close, Mary Beth Hurt, Shohreh Aghdashloo
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G


JOSÉ GARCÍA
Foto: Sony Pictures

Der Anfang des Spielfilmes „Der Exorzismus von Emily Rose“ lässt nichts Gutes erwarten: eisige Kälte, fast monochrome Bilder, langsame Kamerabewegungen auf ein einsames, eingeschneites Haus – die gesamte Szenerie erinnert an billige Horrorfilme. Die Szene lässt jedoch auch an einen Spielfilm denken, der zunächst ähnliche Stilmittel einsetze, aber dann ganz anders wurde: Mel Gibsons „Die Passion Christi“ (siehe Filmarchiv), der bei blauem Licht und Vollmond im Garten Gethsemane beginnt. In Gibsons Film tritt der Teufel auf den Plan, um den in Todesangst betenden Jesus von der Unmöglichkeit seines Vorhabens zu überzeugen. Der Versucher tritt in „Die Passion Christi“ als androgyne Gestalt auf. In „Der Exorzismus von Emily Rose“ erhält der Teufel keine sichtbare Gestalt, aber er ist nichtsdestoweniger den ganzen Film über präsent.

„Der Exorzismus von Emily Rose“ erzählt – laut dem Linzer Kaplan Christian Sieberer – den so genannten „Klingenberg-Fall“ zwar frei, in vielerlei Hinsicht jedoch sehr getreu nach: Am 1. Juli 1976 starb in Klingenberg am Main die Pädagogikstudentin Anneliese Michel, nachdem während eines längeren Zeitraumes für sie von zwei vom zuständigen Bischof ernannten katholischen Priestern der Exorzismus nach dem Rituale Romanum gebetet wurde. Die zwei Priester wurden zusammen mit den Eltern Anneliese Michels vor dem Landgericht in Aschaffenburg angeklagt, Anneliese Michels Tod verursacht zu haben, und am 21. April 1978 wegen unterlassener ärztlicher Hilfeleistung zu je sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Im kommerziell angelegten Hollywood-Film „Der Exorzismus von Emily Rose“ verschmelzen die zwei echten katholischen Priester zu einer einzigen Filmfigur: Pater Richard Moore (Tom Wilkinson) wird festgenommen, nachdem der Arzt bei der Obduktion Emily Roses (Jennifer Carpenter) festgestellt hat, dass die junge Frau keines natürlichen Todes starb.

Regisseur und Mit-Drehbuchautor Scott Derrickson erzählt die Geschichte der Emily Rose nach den Regeln des Gerichtsfilms: Die ehrgeizige, sich selbst als agnostisch bezeichnende Anwältin Erin Bruner (Laura Linney) übernimmt Pater Moores Verteidigung im Auftrag der Erzdiözese, die sich einen Vergleich wünscht. Doch Pater Moore verweigert jeden Vergleich, selbst auf die Gefahr einer hohen Gefängnisstrafe hin. Denn ihm liegt einzig und allein daran, die Öffentlichkeit mit der Wahrheit über Emily Rose zu konfrontieren.

So enthüllt das Gerichtsverfahren Schritt für Schritt in Rückblenden die Hintergründe der geheimnisvollen Vorfälle. Gemeinsam mit Moore rekonstruiert die Anwältin minutiös, was mit Emily Rose geschah: Litt sie an einem besonders schweren und seltenen Fall von Epilepsie oder war sie tatsächlich vom Teufel besessen? Emily Rose führt ein ganz normales Leben auf dem Lande, das sich ändert, als sie ein Stipendium für die Universität erhält. Ohne erkennbaren Grund wird sie bald nach Studienbeginn von Dämonen heimgesucht. Emily begibt sich in ärztliche Behandlung, alle medizinischen Bemühungen schlagen indes fehl. Sie willigt in den Exorzismus ein, den Pater Moore vornimmt. Der in Anwesenheit eines Psychiaters nach dem Rituale Romanum vorgenommene und mit einem Tonband aufgenommene Exorzismus bringt jedoch nicht das gewünschte Ergebnis. Emily verweigert ihre Einwilligung in einen zweiten Exorzismus.

Neben dem eigentlichen Handlungsstrang, der in einem Spiel zwischen Licht und Schatten eine stimmungsvolle Atmosphäre schafft, obwohl allzu häufig auf unnötig effekthascherische Horrorfilm-Elemente zurückgegriffen wird, liefert „Der Exorzismus der Emily Rose“ eine aufschlussreiche Nebenhandlung in der Entwicklung der Anwältin, die sich nicht nur gegen einen selbstsicher auftretenden Staatsanwalt (Campbell Scott) behaupten muss, der „den kirchlichen Aberglauben“ überführen will, sondern auch in den Fall mehr als ihr lieb ist involviert wird: „Dämonen existieren, ob wir an sie glauben oder nicht“, hatte sie Pater Moore gewarnt, die Anwältin müsse damit rechnen, dass auch sie Zielscheibe der dunklen Mächte werden könne. Zu den beiläufig gelieferten lehrreichen Aussagen dieses Filmes gehört etwa auch die Erklärung, warum sie ausgerechnet um 3 Uhr in der Früh aufwacht.

Die große Stärke des Filmes besteht darin, dass er gar nicht überwältigen will. So wird der Priester als ganz normaler, auf dem Boden der Realität stehender Mensch gezeichnet. Die Anwältin wiederum gerät ins Nachdenken – von einer „Bekehrung“ im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein. Denn „bekehren“ will „Der Exorzismus der Emily Rose“ gar nicht – er wahrt immer die Distanz zum Zuschauer, und überlässt ihm, Schlüsse zu ziehen.
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